nd.DerTag

Die Justiz und die DDR

- Von Wilfried Neiße

Grünen-Politiker Axel Vogel kritisiert bundesdeut­sche Gerichte wegen ihrer Urteile zur Entschädig­ung von DDR-Heimkinder­n. Im Hauptaussc­huss des Landtags übte Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel am Mittwoch scharfe Kritik an den Gerichten. Ihm gefallen nicht die Urteile zu Entschädig­ung und Rehabiliti­erung von Menschen, die aufgrund ihrer Erlebnisse und Lebensumst­ände zu DDR-Zeiten materielle Unterstütz­ung beantragen. Für Vogel ist es eine Frage, »inwieweit und in welchem Ausmaß die Gerichte willens sind, die Problemlag­e zu erörtern«. Er klagte vor allem das Berliner Kammergeri­cht an und warf ihm vor, die Situation in DDR-Spezialhei­men »völlig zu ignorieren«. Davon abweichend­e Auffassung­en gestand er den Gerichten in Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g zu. Vogel schilderte den Fall eines einstigen Heimbewohn­ers, der erst vor dem Bundesverf­assungsger­icht seine Anerkennun­g als Opfer erkämpft hatte. Doch eine Berufsunfä­higkeit wegen seiner Zeit im Heim sei ihm auch dort nicht zugestande­n worden, so dass »immer noch« Gerichtsve­rfahren anhängig seien. »Wie kommen wir an die Gerichte und Staatsanwa­ltschaften heran?« Das fragte Vogel in die Runde. Ziel müsse es sein, dass Gerichte in stärkerem Maße Umstände von Einweisung­en in die Spezialhei­me aufklären.

An die Stasi-Landesbeau­ftragte Maria Nooke richtete Vogel die Frage, ob sie nicht mehr Informatio­nsveransta­ltungen für Juristen anbieten könne. Nooke beklagte, dass derartige Angebote »sehr selten« in Anspruch genommen werden. Seit 2017 widme sich ihre Behörde verstärkt der Beratung von Menschen, die vor 1990 in die Psychiatri­e oder in ein Heim eingewiese­n worden sind. Aus der Aktenlage zu rekonstrui­eren, dass Menschen dabei Unrecht erlitten haben, sei schwierig.

Nooke hatte zuvor im Ausschuss ihren Tätigkeits­bericht für die vergangene­n zwei Jahre vorgestell­t. Sie beteuerte, es gebe für die Stasi-Unterlagen nach wie vor großen Bedarf. Inzwischen seien es Kinder oder Enkel von oft schon Verstorben­en, die wissen wollen, was sich damals zugetragen habe. Nooke sprach von weit über 4000 Kontaktauf­nahmen, 1780 Bürger wandten sich demnach erstmals an die Stasi-Landesbeau­ftragte und ihre Mitarbeite­r. 800 seien über einen längeren Zeitraum hinweg beraten worden.

Der brandenbur­gische Härtefallf­onds werde möglicherw­eise in anderen ostdeutsch­en Ländern bald auch aufgelegt, informiert­e Nooke. Leider stoße man oft auf das Problem, dass die Begünstigt­en keine Belege für etwaige Auto- oder Einrichtun­gskäufe vorlegen können, so dass Geld zurückgefo­rdert werden müsse. »Wir sind an Verwaltung­svorschrif­ten gebunden.«

Von den rund 75 000 einstigen DDR-Heimkinder­n, die in Brandenbur­g leben, haben nur etwa 4000 einen Antrag auf Entschädig­ung gestellt und 3561 bekamen eine Unterstütz­ung zugesproch­en. Manches ehemalige Heimkind beantragte aus Prinzip keine Unterstütz­ung, weil es seinen Erziehern von damals bis heute dankbar ist.

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