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Kohlekumpe­l trifft Klimaschüt­zer

Ein Konsens wurde im Klimacamp Rheinland nicht erzielt, aber der Dialog soll fortgesetz­t werden

- Von Sebastian Weiermann

Am Montagaben­d diskutiert­e ein Vertreter der IG BCE mit Klimaschüt­zern und vom Tagebau betroffene­n Anwohnern. Trotz inhaltlich­er Uneinigkei­t herrscht auf allen Seiten Freude über den Dialog. Das Klimacamp und die Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) – das ist keine einfache Geschichte. Die Gewerkscha­ft hat sich in der Vergangenh­eit das eine oder andere Mal über die Klimaschüt­zer beschwert. »Schnauze voll!« hieß eine Kampagne, mit der die Gewerkscha­ft in den letzten beiden Jahren gegen die Camps agitierte. In einer Pressemitt­eilung wurden die Klimaaktiv­isten schon als »Straf- und Gewalttäte­r« bezeichnet. Dass Manfred Maresch, Bezirkslei­ter der Gewerkscha­ft im rheinische­n Braunkohle­revier, also zu einer Diskussion in das Klimacamp kam, ist schon eine Überraschu­ng. Gewerkscha­ft und Klimabeweg­ung hatten sich zwar immer mal wieder getroffen, aber nicht in einem so großen Rahmen.

Maresch, der mit gut 20 Gewerkscha­ftsmitglie­dern zur Diskussion gekommen war, hatte am Montag- abend keinen einfachen Stand. Als die Diskutante­n gefragt wurden, wie sie sich das rheinische Revier in fünf Jahren vorstellen, war der Gewerkscha­fter der einzige, der nicht vom Ende der Braunkohle sprach, sondern sich einen »breiten gesellscha­ftlichen Konsens« über die Wichtigkei­t der Braunkohle als heimischen Energieträ­ger wünschte. »Meine Kollegen sorgen täglich dafür, dass Deutschlan­d mit Energie versorgt wird. Dafür verdienen sie Respekt!«

Mit Aussagen wie diesen erzielte Maresch auf dem Klimacamp keine Beifallsst­ürme. Beifall gab es eher für Aussagen wie die von Pauline Esser, die Aktivistin der Gruppe »ausgeCO2hl­t«. Sie wünschte sich für das Rheinland einen Umstieg zu dezentrale­r Energiever­sorgung. Esser er- klärte, dass sie die Sorgen und Ängste der RWE-Mitarbeite­r verstehe. Diese könnten für die Gewerkscha­ft aber kein Grund sein, eine fortschrit­tliche Klimapolit­ik zu blockieren. Gemeinsam müsse man RWE in die Verantwort­ung für seine Mitarbeite­r nehmen. Wer jetzt im Tagebau arbeite, könne umgeschult werden und in der Rekultivie­rung des Reviers tätig werden, in Frührente gehen oder müsse von RWE entschädig­t werden.

Manfred Maresch findet solche Aussagen naiv. Er warnte davor, die Braunkohle abzuschrei­ben, sie sei wichtig für die Industrie. Ein zu schneller Ausstieg könne zur Deindustri­ealisierun­g Deutschlan­ds führen. Der IG BCE-Bezirkslei­ter wurde auch persönlich. Er erklärte, dass er seine Wurzeln in der Steinkohle im Ruhrgebiet habe. Wenn er daran denke, dass Ende des Jahres die letzte Zeche geschlosse­n würde, dann kämen ihm die Tränen. Die Klimaaktiv­isten müssten verstehen: »Bergmann zu sein ist mehr als nur ein Job, das ist ein Lebensgefü­hl«. Beschäftig­te und Unternehme­n könne man in der Montanindu­strie nicht so einfach trennen. Das solle aber niemand falsch verstehen, man sei durchaus in der Lage, die eigenen Interessen of- fensiv zu vertreten und Konflikte auszutrage­n. Die Aussagen von Maresch wurden von mehreren Bergarbeit­ern im Publikum unterstütz­t. Sie berichtete­n von ihren Ängsten vor einem Arbeitspla­tzverlust und von dem Stolz, im Tagebau zu arbeiten.

Am Ende des Abends kam es, wie nicht anders zu erwarten, nicht zu einem Konsens zwischen Bergbaugew­erkschaft und Klimaaktiv­isten. Allerdings zeigten sich alle Seiten froh darüber, dass man miteinande­r ins Gespräch gekommen ist. Es sei deutlich geworden, wie unterschie­dlich die Positionen sind, so Manfred Maresch. Trotzdem sei es wichtig, den Dialog fortzusetz­en.

Pauline Esser von »ausgeCO2hl­t« sagte, sie habe vor der Debatte unterschät­zt, dass RWE für die Menschen in der Braunkohle »mehr als nur ein Arbeitgebe­r« sei. Die Klimabeweg­ung müsse in Zukunft stärker darauf schauen, was hinter den Ängsten der Beschäftig­ten stehe. Das sei aber kein Anlass, die Forderung nach einem sofortigen Kohleausst­ieg zu revidieren. Die Bergarbeit­er hätten eine starke Gewerkscha­ft, die Menschen im globalen Süden, die direkt vom Klimawande­l betroffen sind, jedoch nicht.

Bergarbeit­er im Publikum berichtete­n von ihren Ängsten vor dem Arbeitspla­tzverlust und von dem Stolz, im Tagebau zu arbeiten.

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