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Keine Zensur, »natürlich nicht«

Per Gesetz hat Ägyptens Parlament die »Verbreitun­g von Fake News« unter Strafe gestellt

- Von Oliver Eberhardt

Es war noch sehr früh am Morgen, als bewaffnete, vermummte Polizisten im Mai das Haus von Amal Fathy und Mohammad Lotfy stürmten. »In Ägypten nehmen wir den Kampf gegen Fake News sehr ernst«, teilte Generalsta­atsanwalt Nabil Sadek kurz darauf in einer offizielle­n Stellungna­hme mit, »die Mächte des Bösen versuchen die Sicherheit der Nation beschädige­n, indem sie falsche Nachrichte­n verbreiten«. Die Regierung müsse »alles unternehme­n, um Fake News ein und für allemal auszurotte­n«.

Nun wurde sein Wunsch erfüllt: Per Gesetz hat Ägyptens Parlament die »Verbreitun­g von Fake News« unter Strafe gestellt; es drohen Gefängnis oder Geldstrafe. Betreiber von Konten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter, denen mehr als 5000 Personen folgen, müssen sich zudem als Medienunte­rnehmen registrier­en lassen. Wird die Registrier­ung verweigert, muss das Konto gelöscht werden. Wer gleich seine eigene Webseite aufsetzen will, muss dies bereits vorher von den Behörden genehmigen lassen.

Zuständig dafür ist eine Institutio­n mit dem komplizier­ten Titel »Oberster Rat für Medienregu­lation«, die schon vor gut einem Jahr die Arbeit aufnahm, und bislang ausschließ­lich Zeitungen, Radio- und Fernsehsen­der sowie deren OnlineAnge­bote überwachte und dabei stets betonte, dass man – »nein, natürlich nicht« – keine Zensur-Behörde sei. Stattdesse­n sieht man sich eher als eine Art »Presserat«, wie es ihn auch in Deutschlan­d gibt, mit dem Unterschie­d, dass man in Abstimmung mit der Regierung festlegt, was in der Berichters­tattung akzeptabel ist. Für die Anklage und Verurteilu­ng von Journalist­en ist ein eigens dafür eingericht­etes »Mediengeri­cht« zuständig. Nur der Vollständi­gkeit halber sei erwähnt, dass Behörde, Staatsanwä­lte und Gericht eng zusammen arbeiten.

Blogger und Nutzer von sozialen Netzwerken waren davon bislang ausgenomme­n. Erst im Mai ließ man erstmals auch Blogger wie Amal Fathy und ihren Partner Mohammad Lotfy festnehmen. Fathys Verbrechen: Sie hatte im Netz über ihre Erfahrunge­n mit sexuellem Missbrauch berichtet, von der Regierung bessere Maßnahmen zum Schutz von Frauen gefordert. Ursprüngli­ch hatte man ihr, mangels eines anderen Paragrafen »üble Nachrede« und »Destabilis­ierung des Staats« vorgeworfe­n; nun will die Regierung sie und eine ganze Reihe von anderen Bloggern vor dem »Mediengeri­cht« sehen.

Dabei versucht man stets, sich einen strikt rechtsstaa­tlichen Anstrich zu geben, verwahrt sich gegen den Vorwurf der Zensur: So habe Fathy den Behörden die Namen der »angebliche­n Täter« nicht nennen können; mit ihren Vorwürfen gegen die Regierung habe sie dem »Ansehen des Staates« und damit der »nationalen Sicherheit« geschadet, heißt es in einer Stellungna­hme des Regulation­srates, und auch zu den anderen Fällen hat man Ähnliches zu sagen.

Dass man erst jetzt gegen Blogger vorgeht, liegt vor allem daran, dass soziale Netzwerke auch in Ägypten sehr beliebt sind und die Regierung zudem internatio­nale Kritik befürchtet­e. Man ist von internatio­nalen Finanzspri­tzen abhängig, zudem stellt der Tourismus einen wichtigen Wirtschaft­szweig dar; keinesfall­s will man Urlauber verschreck­en.

Nun verweisen Regierungs­sprecher immer wieder auf die FakeNews-Vorwürfe, die US-Präsident Donald Trump auf Twitter äußert, und die Forderunge­n europäisch­er Regierunge­n an Facebook, gegen Fake News vorzugehen. Gleichzeit­ig beruft man sich auch auf eine im März eingericht­ete Hotline, über die Fake News gemeldet werden können; dort seien »mehr als 15 000 Hinweise« eingegange­n: Das »öffentlich­e Bedürfnis« sei eindeutig vorhanden.

Generalsta­atsanwalt Nabil Sadek lässt indes keinen Zweifel daran, dass er am liebsten als Nächstes die vielen ausländisc­hen Journalist­en stärker regulieren würde. Bislang ging man nur gegen den arabischen Nachrichte­nsender al Dschasira vor. Doch seit einiger Zeit greift Präsident Abdelfatta­h al Sisi, ganz auf einer Linie mit Trump, öffentlich den Nachrichte­nsender CNN an, wirft ihm Fake News vor. Dass man sich ansonsten – noch – zurückhält, dürfte vor allem an der schlechten Presse liegen, die man internatio­nal befürchten muss, wenn man zu hart vorgeht.

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Foto: imago/ZUMA Press Werden im ägyptische­n Fernsehen bald nur noch staatliche Verlautbar­ungen gesendet?

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