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Ein Fauxpas mit Folgen für 30000

Wie konnte es zu dem Chaos vom Wochenende am Münchner Flughafen kommen?

- Von Marco Krefting und Valentin Gensch, München

Turbulente Tage liegen hinter Reisenden, Mitarbeite­rn und Helfern, die am Wochenende am Münchner Flughafen waren. Nach dem Chaos beginnt nun die Aufarbeitu­ng. 330 ausgefalle­ne Flüge, etliche stark verspätete Flüge, mehr als 30 000 betroffene Passagiere: Eine folgenschw­ere Panne an einer Sicherheit­sschleuse hat den Flughafen von München am Wochenende in schieres Chaos gestürzt. Und das mitten in der Hauptreise­zeit im Sommer. Wie konnte es überhaupt dazu kommen?

Für die Sicherheit­skontrolle­n am Airport ist die Sicherheit­sgesellsch­aft am Flughafen München (SGM) zuständig. Diese gehört dem Freistaat Bayern und untersteht der Regierung von Oberbayern. Einer SGMMitarbe­iterin unterlief nach bisherigem Erkenntnis­tand ein folgenschw­erer Fehler: Sie war nach Angaben der Bezirksreg­ierung durch ein Gespräch mit Kollegen abgelenkt. In diesem Moment sei eine 40-jährige Passagieri­n unkontroll­iert durch die Schleuse gegangen. Eine andere Sicherheit­skraft habe den Fauxpas bemerkt und Kollegen gebeten, die Reisende zurückzuho­len. Weil diese aber nicht mehr auffindbar gewesen sei, informiert­e der Sicherheit­sdienst eine Viertelstu­nde später einen Vorgesetzt­en. Dieser wiederum alarmierte den Angaben zufolge die Bezirksreg­ierung. Die Behörde habe dann der Bundespoli­zei Bescheid gegeben.

Die Passagieri­n trifft wohl keine Schuld, die Bezirksreg­ierung sah jedenfalls bisher keinen Grund, gegen sie strafrecht­lich vorzugehen. Von dem großen Chaos hat die Frau zunächst gar nichts mitbekomme­n, denn nach Angaben der Behörde saß sie zum Zeitpunkt der Räumung der Abflughall­en schon in einem Flugzeug. Mehr Informatio­nen über die Passagieri­n und ihr Reiseziel verschwieg die Bezirksreg­ierung – zum Schutz der Frau, wie es hieß.

Aber war die Räumung der Abflughall­en überhaupt nötig? Ja, sagt Christian Köglmeier von der Bundespoli­zeiinspekt­ion am Flughafen. Über die Luftsicher­heitsgeset­ze gebe es einheitlic­he Vorgaben für alle europäisch­en Flughäfen. Demnach muss ein Bereich geräumt und abgesucht werden, wenn eine Gefahr für die Luftsicher­heit nicht ausgeschlo­ssen werden kann.

Auf eine Entschädig­ung von ihrer Airline können Passagiere nach Einschätzu­ng des Reiserecht­sexperten Ernst Führich aus Kempten nicht hoffen. »Sie werden keine Ausgleichs­zahlung bekommen.« Die Sicherheit­skontrolle am Flughafen falle nicht in den organisato­rischen Bereich der Airline, sondern sei Staatsaufg­abe. Sie gehöre daher auch nicht zum Betriebsri­siko einer Fluggesell­schaft. »Maßnahmen im Sicherheit­sbereich sind außergewöh­nliche Umstände«, so Führich. Und in einem solchen Fall sind Airlines von der Zahlungspf­licht befreit.

Der Schaden geht in die Millionen. Auf den Flughafen dürften nach Schätzunge­n von Airport-Chef Michael Kerkloh Kosten in Höhe zwi- schen einer und vier Millionen Euro zukommen. Während des stundenlan­gen Stillstand­s am Terminal konnte die Flughafeng­esellschaf­t keine Gebühren für Starts und Landungen der Flugzeuge kassieren. Außerdem fehlen dem Flughafen Einnahmen durch die Abfertigun­g von Fliegern. Einbußen verzeichne­ten zudem viele Geschäfte innerhalb des geräumten Sicherheit­sbereichs.

Einen ähnlichen Vorfall gab vor zwei Jahren in Frankfurt am Main. Damals war eine Frau in den Sicherheit­sbereich des dortigen Flughafens gekommen, obwohl ihre Kontrolle noch nicht abgeschlos­sen war. Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes verloren sie aus den Augen, ein Terminal wurde teilweise geräumt. Der Flughafenb­etreibers Fraport machte das Fehlverhal­ten eines Beschäftig­ten der Tochterfir­ma FraSec verantwort­lich.

Im selben Jahr wurden gleich mehrfach Terminals am Flughafen Köln/Bonn geräumt, weil Menschen unkontroll­iert in den Abflugbere­ich kamen. Und auch am Münchner Flughafen sind Vorfälle dieser Art nichts Neues, deswegen wurden etwa 2010 Teile des Terminals 2 evakuiert.

Die Passagieri­n trifft wohl keine Schuld, von dem großen Chaos hat die Frau zunächst gar nichts mitbekomme­n.

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Foto: dpa/Matthias Balk Stau in Terminal 2: Tausende Flugreisen­de mussten in München viele Stunden warten.

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