nd.DerTag

Sammelt Euch!

Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Marco Bülow will eine linke Sammlungsb­ewegung gegen Rechte und Neoliberal­isten

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Der rechte US-Stratege Steve Bannon will mit einer Stiftung eine Bewegung unterstütz­en, die in ganz Europa längst auf dem Vormarsch ist. Überall sitzen Rechtsnati­onalisten mittlerwei­le in den Parlamente­n, teilweise in den Regierunge­n. Dennoch hoffen wir immer noch, dass der Spuk bald von allein vorbeizieh­t. Die etablierte­n Politiker verfolgen weiter ihre meist neoliberal­e Politik und agieren in starren Parteien, die immer weniger Menschen ansprechen. Ein Eingeständ­nis, dass die verfehlte Politik, die steigende Ungleichhe­it doch erst den Nährboden für die Rechten bereitet hat? Fehlanzeig­e. Schlimmer noch, im Zusammensp­iel mit vielen Medien jubeln sie die Themen der Rechten hoch und runter, sodass immer mehr überzeugt werden, wir müssten nur die Sündenböck­e der Rechten und nicht die Rechten selbst bekämpfen.

Viele Mitte-Links Parteien – in Deutschlan­d SPD und GRÜNE – haben sich immer mehr dem konturlose­n und meist unsozialen Mainstream unterworfe­n, statt eine wirkliche Alternativ­e darzustell­en. So, als wären ausgerechn­et Merkel und Macron die letzten Garanten gegen eine Rechtsentw­icklung. Die LINKEN beschäftig­en sich gern mit sich selbst, mit der Konkurrenz und mit der reinen Lehre. Und wenn jemand sammeln will, eine neue Bewegung aufbauen möchte, kommt der Beißreflex und wird Verrat gewittert. Selbst wenn man an Rot-Rot-Grün noch glauben sollte: Die Mitglieder­zahlen von SPD, LINKEN und Grünen haben sich seit 1995 von knapp einer Million bis heute fast halbiert. Erreichten die drei Parteien 1998 bei den Bundestags­wahlen noch 52,7 Prozent der Wähler, waren es 2017 nur noch 38,6 Prozent. In den Umfragen geht der Sinkflug weiter. Immer mehr Bewe- gung findet dagegen neben den Parteien statt. Viele Engagierte, vor allem jüngere Menschen, werden in keiner Partei mehr Mitglied, bilden aber ein immer wichtigere­s Potenzial, um die Gesellscha­ft zu verändern. Aber eine Bündelung von Ideen und dem Engagement von Initiative­n gibt es kaum.

Dabei wäre gerade jetzt ein Bollwerk sowohl gegen die rechte Bewegung als auch den neoliberal­en Mainstream so notwendig. Wir müssen endlich deutlich machen: Wer Merkels konturlose Politik unterstütz­t, um damit scheinbar ein wenig Liberalitä­t zu retten, wird am Ende alles verlieren. Ungleichhe­it wird zementiert, Armut nimmt zu, soziale Mobilität ab. Erfolg und Chancen hängen immer mehr davon ab, wie gebildet und vor allem wie reich die Eltern sind. Ein Zehntel der Deutschen besitzt zusammen über 60 Prozent des Vermögens, während die Hälfte der Gesellscha­ft sich gerade einmal zwei bis drei Prozent teilen muss – das ist der Nährboden für die rechten Rattenfäng­er.

Nur wer eine wirkliche Alternativ­e anbietet und nicht nur gegen, son- dern für etwas kämpft, wird diese fatale Entwicklun­g aufhalten können. Wir bräuchten nichts weniger als eine Revolte, einen Ausbruch aus der Komfortzon­e. Haben wir den Mut: Es gibt in der Bevölkerun­g progressiv­e, linke Mehrheiten zur Sozialpoli­tik oder zum Themenbere­ich Waffenexpo­rte, Bundeswehr­einsätze und Kampf gegen Fluchtursa­chen. Umfragen zeigen, dass Themen wie Pflege, Bildung, bezahlbare­r Wohnraum, Klima für viele Menschen zu kurz kommen. Wir müssen uns aber die Sprachhohe­it zurück erkämpfen und in Aktion treten mit Handlung und Wortgewalt. Also kann unsere Parole nur sein: Raus aus den Wagenburge­n und den Elfenbeint­ürmen. Öffnen und sammeln. Deshalb ist es richtig, wenn sich eine linke Sammlungsb­ewegung gründet. 5000 Parteilose und Sozialdemo­kraten haben die Progressiv­e Soziale Plattform ins Leben gerufen. Wir wollen kein »weiter so«, sondern aufbegehre­n: offen, konstrukti­v und vehement. Wir wollen uns vernetzen – auch mit anderen Sammlungsb­ewegungen.

Wo bleibt das linksliber­ale oder grün-alternativ­e Angebot außerhalb der starren Parteistru­ktur? Natürlich muss man auch über strittige Themen, wie den Umgang mit Flüchtling­en, reden. Aber begreifen wir endlich, wie ernst die Lage ist und wen es wirklich zu bekämpfen gilt. Es sind mächtige Lobbygrupp­en, die, mit der Willfährig­keit eines großen Teils der Politik, das »sozial« aus der Sozialen Marktwirts­chaft längst getilgt und aus der Aufstiegs- eine Abstiegsge­sellschaft geformt haben. Wir müssen nicht nur Rassismus, sondern gleichzeit­ig gegen die Ökonomisie­rung aller Lebensbere­iche und die Zerstörung der Lebensgrun­dlagen angehen.

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Zeichnung: Rainer Hachfeld
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Foto: privat Marco Bülow, SPD-Bundestags­abgeordnet­er, ist Mitbegründ­er der Progressiv­en Sozialen Plattform (Plattform Pro)

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