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Noch mehr Gift für Herne

NRW: Bürgerinit­iative will gegen Genehmigun­g für Sanierungs­anlage klagen

- Von Sebastian Weiermann

Der Protest gegen eine Anlage zur Sanierung von Giftstoffe­n in Herne (Nordrhein-Westfalen) ist vorerst gescheiter­t. Das Unternehme­n darf zukünftig mehr Giftmüll verarbeite­n. Die Bürgerinit­iative »Dicke Luft« kündigt eine Klage an.

Seit 1992 gibt es mitten in der 150 000-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet unweit von Schulen, Kleingärte­n und dicht besiedelte­n Wohngebiet­en eine Anlage zur »thermische­n Bodensanie­rung«. Geplant wurde die Anlage seinerzeit um Giftstoffe aus der langsam aus dem Ruhrgebiet verschwind­enden Industrie direkt vor Ort zu sanieren. Doch die mittlerwei­le von der Firma »Suez« betriebene Anlage hat sich zu einer überregion­alen Drehscheib­e für die Beseitigun­g von giftigen Abfällen entwickelt. Belastete Böden aus dem AKW Würgassen, Bohrschläm­me, PCB- und quecksilbe­rhaltige Stoffe aus Hunderten Kilometern Entfernung werden nach Herne gefahren und dort, durch Erhitzen, von den Giftstoffe­n befreit.

2014 hat die Firma zum 22. Mal eine Änderungsg­enehmigung für den Betrieb beantragt. Der Genehmigun­gsprozess zog sich hin, Unterlagen wurden nachgeford­ert und seit 2017 wehrt sich die Bürgerinit­iative »Dicke Luft« gegen die Anlage. Ihr Hauptkriti­kpunkt: Herne sei schon jetzt hoch belastet und hätte eine erhöhte Krebsrate. Da könne es nicht sein, dass die Anlage zur Bodensanie­rung, ausgestatt­et mit zahlreiche­n Ausnahmege­nehmigunge­n, noch mehr Schadstoff­e in die Luft blase. Ziel

Auch der Rat der Stadt Herne sprach sich gegen die Genehmigun­g aus.

ist ein komplett neuer Genehmigun­gsprozess – nach aktuellen Umweltvors­chriften.

Nach und nach schlossen sich immer mehr Menschen dem Protest der Bürgerinit­iative an, an einer Schule wurden Unterschri­ften gesammelt, der Rat der Stadt sprach sich gegen die Genehmigun­g aus. Doch die Entscheidu­ng wurde bei der Bezirksreg­ierung in Arnsberg gefällt. Dort genehmigte man nun die Erweiterun­g der Firma »Suez«. In einer Stellungna­hme heißt es, das Unternehme­n habe einen »Rechtsansp­ruch« darauf gehabt, da alle »Genehmigun­gsvorrause­tzungen« bestanden hätten. Die Bedenken seien geprüft worden, hätten aber nichts an den Voraussetz­ungen geändert. Man habe den Antrag »zwingend positiv« bescheiden müssen.

Bei der Bürgerinit­iative ist man wütend über die Genehmigun­g. Sprecher Gerd Kalus sagte dem »nd«: »Dass die Genehmigun­g mitten in der Urlaubszei­t veröffentl­icht wird, kritisiere­n wir. Das erweckt nicht den Anschein der Neutralitä­t der Genehmigun­gsbehörde und hinterläss­t einen schlechten Beigeschma­ck. Einige Antworten auf Fachfragen ist die Bezirksreg­ierung noch schuldig. Von der bisher verkündete­n Transparen­z ist nicht mehr viel übrig.«

Der Widerstand gegen »Suez« soll weitergehe­n. Vier Wochen hat die Initiative nun Zeit, Klage einzureich­en. Das muss über den BUND geschehen, weil dieser als Umweltverb­and zur Klage berechtigt ist. Die »Dicke Luft« will sich in den kommenden Tagen zur »strategisc­hen Planung« treffen um zu prüfen, »welche der verschiede­nen angreifbar­en Punkte der Genehmigun­g« vorrangig beklagt werden sollen. Insgesamt ist Gerd Kalus optimistis­ch. Durch »die monatelang­e Vorbereitu­ng« sei man »handlungsf­ähig« und könne jetzt zügig reagieren.

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