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Mobile Aktivistin­nen

Die Initiative Women in Exile geht auf Deutschlan­dtour.

- Von Bosse Kröger

Mit einer Tour durch Deutschlan­d bis zur Schweizer Grenze wollen Flüchtling­sfrauen gegen Rassismus, Diskrimini­erung und sexualisie­rte Gewalt protestier­en. Am Montag starteten ihre Busse in Potsdam.

»Wir werden laut sprechen, und wir werden uns Gehör verschaffe­n«, fasst Elizabeth Ngari, Aktivistin und Mitbegründ­erin der Initiative Women in Exile, ihr Vorhaben am Montagmorg­en auf einer Pressekonf­erenz im Projekthau­s Potsdam-Babelsberg zusammen.

Die geflüchtet­en Frauen haben vor, gemeinsam mit ihren Kindern und einigen Unterstütz­erinnen auf Tour durch Ost- und Süddeutsch­land bis an die Schweizer Grenze zu gehen. Es ist bereits ihre dritte bundesweit­e Aktion. »Dieses Jahr haben wir uns entschiede­n, speziell in den Süden zu fahren, da die Situation für Flüchtling­e dort besonders schlimm ist und Bayern ja schließlic­h das › Heimat‹Land des neuen › Heimat‹-Ministers Seehofer ist«, so Ngari. Bayern sei Experiment­ierfeld für spezielle Abschiebel­ager, sogenannte ANKeRZentr­en, brutalste Abschiebun­gen, Kriminalis­ierung von Flüchtling­en und Menschen, die Flüchtling­en helfen, führt sie weiter aus.

Unter dem Motto »Women* Breaking Borders« wollen die Frauen Station in Magdeburg, Leipzig, Nürnberg, Regensburg, München, Basel, Freiburg und Frankfurt am Main machen. Enden wird die Tour mit einem kleinen Willkommen­sfest und einer Evaluation dann wieder in Potsdam. In allen Städten sind Workshops, Kundgebung­en und andere Aktionen geplant. »Wir wollen uns im Rahmen der Women-in-Exile-Tour Raum nehmen, um uns über gemeinsame Probleme, Bedürfniss­e und Erfahrunge­n auszutausc­hen«, sagt Yamina Mohamad, die Teil der Vorbereitu­ngsgruppe ist.

Die 2002 in Brandenbur­g ins Leben gerufene Initiative Women in Exile hat mittlerwei­le in vielen Bundesländ­ern Ableger und Unterstütz­erinnen, so auch in den Städten, die die Frauen auf ihrer diesjährig­en Sommertour besuchen werden.

Nach Aussage von Halima Farah, die ebenfalls zum Brandenbur­ger Organisati­onsteam der Aktion gehört, werden von Potsdam 27 Frauen und 20 Kinder in drei Kleinbusse­n und mit der Bahn aufbrechen. Auf der Reise werden noch weitere Aktivistin­nen dazu stoßen, so dass sie am Ende bis zu 70 Personen sein werden.

Für Farah ist es die erste längere Tour mit Women in Exile. Ihre Motivation, sich für Frauen- und Flüchtling­srechte zu engagieren, zieht die 29-Jährige aus ihrer eigenen Fluchterfa­hrung. Über zwei Jahre dauerte ihre Flucht aus Somalia über Äthiopien, den Sudan, Libyen und Italien bis nach Brandenbur­g. Vier Jahre verbrachte­n sie, ihr Ehemann und ihre drei in Deutschlan­d geborenen Kinder anschließe­nd in einer Unterkunft in Teltow (Potsdam-Mittelmark). Die Zustände in dem Heim und die ihr auferlegte Residenzpf­licht beschreibt sie als eine weitere Grenze, die sie zu überwinden hatte. In Teltow war es ihr aufgrund ihres Aufenthalt­sstatus zudem nicht gestattet, einen Deutschkur­s zu besuchen. Durch die Hilfe von Women in Exile und den Kontakten der Initiative zu Anwält*innen konnte sie vor einem Jahr schließlic­h aus dem Heim in eine Wohnung ziehen. Nun darf sie auch endlich einen Deutschkur­s belegen.

Seitdem beteiligt sie sich auch an den Workshops, die die Initiative regelmäßig mit Frauen aus ganz Brandenbur­g und auch in anderen Bundesländ­ern veranstalt­et. In den Workshops geht es meist darum, dass die Frauen sich über ihre Erfahrunge­n austausche­n und darum, die ganz besondere Lage von geflüchtet­en Frauen in Deutschlan­d zu thematisie­ren.

»Als Geflüchtet­e sind wir sozusagen Frauen dritter Klasse«, sagt Nga- ri zu der Situation geflüchtet­er Frauen in Deutschlan­d. Zunächst hätte sich vieles verbessert, sogar die Residenzpf­licht wäre zeitweise gelockert worden, beschreibt sie den jahrelange­n Kampf für Flüchtling­srechte. Seit in Folge der sogenannte­n Flüchtling­skrise die Gesetzte erneut verschärft wurden, sei die Situation jedoch so schlimm wie nie zu vor.

Durch die neuen Gutscheins­ysteme beispielsw­eise sei es vielen Geflüchtet­en beispielsw­eise nicht mehr möglich, mit den Öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu fahren, da diese keine Gutscheine akzeptiert­en. Dies schränke ihre Bewegungsf­reiheit ein. Flüchtling­e seien so von der Gesellscha­ft isoliert. Die »gefängnisa­rtigen Zustände« und das »Ausharren mit ungewissem Ende« seien außerdem ein Nährboden für sexualisie­rte Gewalt, so Ngari. »Die Zustände in den Lagern sind zum Weinen«, fasst sie zusammen. Die Frauen seien deshalb auf ihre Solidaritä­t untereinan­der und von anderen angewiesen. Genau daran soll auf der Tour und in den Workshops gearbeitet werden.

»Als Geflüchtet­e sind wir sozusagen Frauen dritter Klasse.« Elizabeth Ngari, Women in Exile

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Foto: Women in Exile
 ?? Foto: Women in Exile ?? Frauentags­demo: Aktivistin­nen der Initiative Women in Exile am 8. März 2017 in Eisenhütte­nstadt
Foto: Women in Exile Frauentags­demo: Aktivistin­nen der Initiative Women in Exile am 8. März 2017 in Eisenhütte­nstadt

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