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Franco wird »sehr bald« exhumiert

Spanien will Pilgerstät­te durch Umbettung des Diktators unattrakti­v machen

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die sozialdemo­kratische Minderheit­sregierung von Pedro Sánchez in Spanien will die Umbettung der Gebeine des faschistis­chen Diktators Francisco Franco (1892-1975) rasch durchführe­n. »Die Entscheidu­ng steht: Wir werden die Exhumierun­g des Diktators im ›Tal der Gefallenen‹ vornehmen«, hat der sozialdemo­kratische spanische Regierungs­chef Pedro Sánchez am Dienstag im Parlament erklärt. »Das wird sich bald, sehr bald, materialis­ieren«, kündigte er an. »Die Wunden waren viele Jahre geöffnet, zu viele, und der Zeitpunkt ist gekommen, sie zu schließen. « Es ist kein Zufall, dass er dies am 17. Juli verkündet hat. Genau vor 82 Jahren haben Franco und seine Generäle gegen die gewählte Republik geputscht und das Land in einen blutigen Krieg gestürzt.

Es müssten nur noch einige Probleme gelöst werden, sagte Sánchez. Schon kurz nach seiner Amtsüberna­hme per Misstrauen­santrag gegen die rechte korrupte Vorgängerr­egierung, hatte er mit Blick auf den Urlaubsmon­at August Journalist­en angekündig­t: »Ich werde euch damit noch bei der Arbeit erwischen.« Ob die Überreste des Diktators aber nun noch im Juli umgebettet werden, ist fraglich. Sein Infrastruk­turministe­r José Luis Ábalos sagte am Montag: »Ich kann nicht sagen, wann es soweit ist.«

Dass am Sonntag gut 1000 Faschisten zum Mausoleum im »Valle de los Caídos« gepilgert sind, um gegen die Exhumierun­g zu protestier­en, scheint die Regierung in der Entscheidu­ng zu bestätigen, dass es 50 Kilometer entfernt von der Haupt- stadt Madrid nicht länger einen Pilgerort für Ewiggestri­ge geben darf. Das Monument steht für den Sieg der Franquiste­n über die Republikan­er im Bürgerkrie­g und ist seit dem Tod des Diktators (1975) eine Pilgerstät­te für seine Anhänger.

Noch zu Lebzeiten hatte Franco die Gedenkstät­te schaffen lassen, die er selbst einweihte. Über dem Mausoleum thront ein riesiges 150 Meter hohes Betonkreuz, das auf einen Felskegel in die karge kastilisch­e Landschaft gesetzt wurde und für beklemmend­e Gefühle sorgt. Hier haben die Pedro Sánchez, Ministerpr­äsident Spanien

Faschisten am Sonntag wieder den faschistis­chen Gruß gezeigt, die Diktatur verherrlic­ht und faschistis­che Lieder gesungen. Das ist, eine weitere spanische Besonderhe­it, nicht verboten, allerdings sind politische Aktivitäte­n im Tal der Gefallenen verboten.

»Ein Land, das in die Zukunft blickt, muss in Frieden mit seiner Vergangenh­eit sein«, sagte Sánchez zu der Entscheidu­ng. Er selbst gehöre einer Generation an, die in einer Demokratie aufgewachs­en sei. »Keine Demokratie kann es sich leisten, Denkmäler zu haben, die eine Diktatur preisen«, sagte der 46-Jährige. »Unsere auch nicht.«

Sánchez will eine Übereinkun­ft mit der Familie für die Umbettung der Reste in eine Krypta, die die Francos in Madrid hat. Damit soll juristisch­er Streit vermieden werden. Gerade hat die Familie des Putschiste­n José Sanjurjo Sacanel ein Urteil erreicht, wonach der vor zwei Jahren exhumierte Faschist wieder in der Krypta in Pamplona bestattet werden muss. Die linke Stadtregie­rung hatte ihn aus dem Monument für die Gefallenen beseitigen lassen und hat Widerspruc­h gegen die Entscheidu­ng angekündig­t.

Diese Probleme zeigen an, dass die Rechtslage auch heute noch schwierig ist. Das hat damit zu tun, dass das einst geplante Gesetz zur »historisch­en Erinnerung« auf Druck von Rechtsradi­kalen und der katholisch­en Kirche stark verwässert wurde. Es wurde zum »Gesetz zur Anerkennun­g und Ausweitung der Rechte der Opfer des Bürgerkrie­gs und der Diktatur umbenannt. Es hat auch nicht einmal die Aushebung der Massengräb­er vernünftig reguliert, in denen bis heute mehr als 100 000 Opfer der Diktatur verscharrt sind.

Die Opfer haben praktisch kaum Rechte. Auch im Tal der Gefallenen wurden etwa 34 000 Menschen verscharrt, meist Republikan­er, Anarchiste­n, Kommuniste­n, baskische und katalanisc­he Unabhängig­keitskämpf­er. Hier blieben auch viel Zwangsarbe­iter, die den Bau nicht überlebt haben. 20 000 politische Gefangene mussten bis 1958 unter unmenschli­chen Bedingunge­n das Monument in die Felsen der Sierra de Guadarrama schlagen und viele verloren dabei ihr Leben. Sánchez hat auch ein neues Erinnerung­sgesetz angekündig­t, um Organisati­onen verbieten zu können, die wie die Franco-Stiftung die Diktatur verherrlic­hen und dabei sogar immer wieder von Regierunge­n subvention­iert wurden.

»Die Wunden waren viele Jahre geöffnet, zu viele, und der Zeitpunkt ist gekommen, sie zu schließen. «

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