Unzufrieden mit eigener Führung
SPD diskutiert über Personal und Paragraf 219a
Andrea Nahles hat bei der SPDFraktionssitzung am Dienstag eine kleine Niederlage hinnehmen müssen. »Spiegel Online« meldete, dass die Abgeordneten in einer internen Abstimmung mit großer Mehrheit für Matthias Bartke und gegen Martin Rosemann als neuen Chef für den Ausschuss Arbeit und Soziales votiert hatten. Rosemann war von der Vorsitzenden Nahles und dem Fraktionsvorstand unterstützt worden.
Nicht nur die fachliche Eignung könnte bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben, sondern auch die Flügelzugehörigkeit. Der Baden-Württemberger Rosemann ist Mitglied des Netzwerks Berlin, in dem sich vor einigen Jahren jüngere SPD-Abgeordnete zusammengeschlossen hatten, die sich nicht der Parlamentarischen Linken (PL) zugehörig fühlen. Einige Mitglieder des Netzwerks sind zugleich im konservativen Seeheimer Kreis aktiv.
Der Hamburger Bartke ist hingegen Mitglied der Parlamentarischen Linken. Auch Nahles war einst Teil dieses Flügels. Seit sie den Fraktionsvorsitz übernommen hat, lässt sie aber ihre Mitgliedschaft in der PL ruhen. Zudem hat sie sich inhaltlich von der SPD-Linken entfernt. Bei der Vergabe wichtiger Posten waren die linken Sozialdemokraten kaum berücksichtigt worden, obwohl sie in der Fraktion die größte Strömung sind. Im neuen Kabinett gehört allein Justizministerin Katarina Barley der Parlamentarischen Linken an. Unzufrieden soll die SPD-Linke mit der Personalie Hubertus Heil sein. Laut Spiegel Online fürchten manche Sozialdemokraten, der Netzwerker Heil könne als Arbeitsminister die Sozialpolitik etwas vernachlässigen.
Auch SPD-Politiker außerhalb der Fraktion sind unzufrieden mit ihrer Führung. Juso-Chef Kevin Kühnert hat seiner Partei im Koalitionsstreit über eine Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen ein »Einknicken« vor der Union vorgeworfen. Er habe große Zweifel, dass der angekündigte gemeinsame Vorschlag der Bundesregierung fortschrittlich sein werde, sagte der Jungsozialist der »Rheinischen Post«. Der Paragraf 219a müsse geändert werden, weil es nicht um Werbung der Ärzte gehe, sondern um Information für Frauen. Kühnert kritisierte, dass die SPD das Thema mit einer »dünnen Erklärung« zurückgestellt habe und nicht wie ursprünglich geplant eine Mehrheit im Bundestag ohne die Union anstrebe. Er forderte die Aufhebung der Fraktionsdisziplin bei der Abstimmung im Bundestag.
Die FDP wirbt derweil bei Linksfraktion und Grünen für ihren eigenen Gesetzesentwurf. »Von der LINKEN haben wir positive Signale«, sagte der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. »Ich wünsche mir, dass sich auch die Grünen uns anschließen.« Allerdings konnte sich der Rechtsausschuss des Bundestages nun nach Angaben von Abgeordneten nicht einmal auf ein Datum für eine Anhörung zu dem Thema einigen.
Die Union lehnt eine Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche ab, sie argumentiert mit dem »Schutz ungeborenen Lebens«. Die FDP will nur »aggressive Werbung« für Abtreibungen unter Strafe stellen, neutrale Informationen für betroffene Frauen aber nicht. LINKE und Grüne wollen das Verbot am liebsten komplett abschaffen.