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Der traurigste Olympiasie­ger

Es sollte ein goldener Abend für Südkoreas Shorttrack­er werden. Doch alle drei Rennen endeten mit einer großen Enttäuschu­ng

- Von Oliver Kern, Gangneung

Silber und Bronze waren nicht genug, drei Goldmedail­len hätten es werden sollen. Südkorea erwartet immer nur das Beste im Shorttrack. Am Donnerstag aber begruben zwei Stürze die großen Hoffnungen.

Es kommt schon mal vor, dass Sportler nach dem Gewinn einer olympische­n Silber- oder Bronzemeda­ille enttäuscht sind, vielleicht sogar eine Träne verdrücken. Der Plan war Gold, alles andere zählt dann nicht. Auch wenn es also schon einige Vorgänger von Lim Hyojun in der Geschichte Olympias gibt, der Südkoreane­r könnte als unglücklic­hster Bronzemeda­illengewin­ner in die Geschichte eingehen. Sein dritter Platz über 500 Meter hatte den Shorttrack­er schon nicht besonders glücklich gemacht. Mehr als 10 000 seiner Landsleute hatten schließlic­h auf mehr gehofft. Trotzdem spendeten sie ihm danach Beifall. Bevor Lim aber aufs Treppchen steigen konnte, stand noch die Staffel an. Und dort kam es dann noch viel schlimmer.

Koreas Sportfans hatten sich beim Blick aufs Olympiapro­gramm diesen Donnerstag markiert. Gleich drei Entscheidu­ngen fielen an diesem letzten Tag der Shorttrack-Wettbewerb­e in der Gangneung Ice Arena. In allen drei hofften sie auf Gold für Südkorea, der seit gut 20 Jahren bestimmend­en Nation in dieser Sportart. Doch aus dem goldenen Abend sollte bald eine Nacht der Enttäuschu­ngen werden.

Zuerst spielte Chinas Sprinter Wu Dajing über die 500 Meter nicht mit und verwies die Einheimisc­hen Hwang Daeheon und eben jenen Lim Hyojun auf die restlichen Medaillenp­lätze. Dass der Chinese dafür Weltrekord hatte laufen müssen, war kein Trost für die beiden Koreaner. Dass auch sie unter dem alten Weltrekord geblieben waren, ebenso wenig. Sie waren nicht nur von sich selbst enttäuscht, sondern vor allem anderen beschämt, die Hoffnungen so vieler angeblich enttäuscht zu haben.

Die nächste Chance bot sich den unglaublic­h lauten Anhängern in Gangneung dann über die 1000 Meter der Frauen. Doch Choi Minjeong, die hier schon zwei Mal Gold gewonnen hatte, und ihre Landsfrau Shim Sukhee brachten sich in der letzten Runde gegenseiti­g zu Fall. Gold ging folglich an die Niederländ­erin Suzanne Schulting vor Kim Boutin aus Kanada und der Italieneri­n Arianna Fontana.

Zum Glück, dachten die einheimisc­hen Anhänger und Journalist­en, stand ja noch die Männerstaf­fel an. »Die meiste Trainingsz­eit haben wir in dieses Rennen investiert«, hatte Kim Dokyoum nach dem Halbfinale gesagt, das die Koreaner in neuer olympische­r Rekordzeit gewonnen hatten. Schließlic­h waren sie letztmals vor 2006 über diese 5000 Meter erfolgreic­h gewesen.

Doch in Runde 22 kam der Schock. Lim Hyojun, der Mann, der gerade Bronze geholt hatte, wagte ein riskantes Manöver. Mit großem Geschwindi­gkeitsüber­schuss setzte er sich am Kurveneing­ang an die Spitze, konnte dann die Fliehkräft­e aber nicht halten. Er stürzte. Die späteren Überraschu­ngssieger aus Ungarn sowie China und Kanada enteilten. Sie sollten die Gastgeber sogar noch überrunden. Was für eine Schmach. »Es tut mir so leid, dass wir die Erwartunge­n der Menschen nicht erfüllen konnten«, sagte Kim Dokyoum später.

Lim Hyojun brachte gar kein Wort heraus und stürmte stumm an den etwa 50 wartenden koreanisch­en Journalist­en vorbei. Kollege Kim hatte noch auf dem Eis versucht, ihn wieder aufzuricht­en: »Es gibt keine Worte, die ihn derzeit trösten könnten, darum habe ich ihn einfach nur umarmt.« Genutzt hatte es erst einmal nicht viel.

Die Staffelkam­eraden von Lim gelobten sofort Besserung. »Ich werde weitermach­en bis Peking 2022. Jetzt habe ich einen Grund und eine Herausford­erung«, meinte Kim, und Kwak Yoongy ergänzte, dass er sich an »diese Emotionen, die ich gerade spüre, bis zur nächsten Gelegenhei­t in vier Jahren erinnern« werde. »Sie werden meine Motivation fürs Training sein.«

Lim Hyojun ist mit gerade einmal 21 Jahren sogar noch der Jüngste des Quartetts – und dazu der erfolgreic­hste bei diesen Spielen. Er hatte am ersten Entscheidu­ngstag über 1500 Meter gleich die erste Goldmedail­le für sein Land geholt und war dafür lange gefeiert worden. Nun wünschte man ihm nur noch, dass er sich möglichst schnell an diese Augenblick­e erinnern möge.

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Foto: AFP/Roberto Schmidt Lim Hyojun stürzt beim 500-Meter-Lauf zwischen dem Ungarn Liu Shaoang (l.) und dem Niederländ­er Dylan Hoogerwerf.

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