nd.DerTag

Teilerfolg gegen Racial Profiling

Gerichtsen­tscheidung könnte helfen, rassistisc­he Praxis weiter zurückzudr­ängen

- Von Moritz Wichmann

Ein Gericht in Baden-Württember­g hat entschiede­n, dass Polizeikon­trollen klaren und öffentlich bekannten Regeln folgen müssen.

Die Bundespoli­zei hat bei der Kontrolle eines Deutschen mit dunkler Hautfarbe gegen Europarech­t verstoßen und muss klar regeln, wann und wie »verdachtsu­nabhängige Kontrollen« ablaufen können. Das zeigt ein nun veröffentl­ichtes Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g. Das Urteil sei ein »weiterer bedeutende­r Schritt, um diskrimini­erenden Kontrollen die rechtliche­n Grundlagen zu entziehen«, erklärte der Rechtsanwa­lt Sven Adam. Zusammen mit dem »Büro zur Umsetzung von Gleichbeha­ndlung« (BUG) vertritt er mutmaßlich­e Opfer von Racial Profiling, Menschen, die von der Polizei nur oder hauptsächl­ich aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollie­rt werden.

Das Urteil bezieht sich auf einen dunkelhäut­igen Deutschen, der sich Ende November 2013 auf einer Geschäftsr­eise von Berlin nach Freiburg befand. Zwischen Baden-Baden und Offenburg wurde der in Kabul geborene Mann in der ersten Klasse von Beamten der Bundespoli­zei kontrollie­rt, vermeintli­ch verdachtsu­nabhängig. Doch – soweit er es sehen konnte – war er an jenem Abend der einzige der sechs Fahrgäste im Abteil, der kontrollie­rt wurde. Gegen 22:30 Uhr abends trug er Kopfhörer, saß mit geschlosse­nen Augen im Abteil. Das erschien zumindest den Bundespoli­zisten verdächtig. Sie behaupten er habe sich schlafend gestellt, um sich einer möglichen Kontrolle zu entziehen. Bei dieser empörte sich der Mann über die »rechtswidr­ige« Kontrolle und verlangte die Dienstnumm­ern der Beamten. Anschließe­nd klagte er vor dem zuständige­n Amtsgerich­t Stuttgart wegen Diskrimini­erung. Es folgte ein jahrelange­s juristisch­es Tauziehen um Polizeivor­schriften und Behördenge­heimniskrä­merei. Denn das Gericht in Stuttgart entschied, die Kontrolle sei europarech­tswidrig – sie habe gegen die Menschenre­chte und die Grundrecht­e des Klägers verstoßen. Die Bundespoli­zei ging in Berufung vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim.

Es geht um Paragraf 23 des Bundespoli­zeigesetze­s. Dieser regelt die Zuständigk­eiten und Befugnisse der Bundespoli­zei, auch wie und weswegen Menschen etwa auf Bahnsteige­n oder Zügen kontrollie­rt werden dürfen. In Absatz 3 heißt es, die Bun- despolizis­ten könnten im »Grenzgebie­t bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern« zur Verhinderu­ng von unerlaubte­n Einreisen aktiv werden und zur »Verhütung von Straftaten«. Diese Arbeitsgru­ndlage der Bundespoli­zei sei zu unkonkret, monierten in einem ähnlichen Fall auch die Richter eines EU-Gerichts. 2015 leitete die EU-Kommission deswegen sogar ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d ein. Unter dem Druck der Gerichte legte die Bundespoli­zei dann zumindest Teile einer bis dahin geheim gehaltenen Verwaltung­svorschrif­t mit dem Namen »BRAS 120« vor, die angeblich genauer festlegen sollte, wann kontrollie­rt werden kann und darf. Kontrollen in Zügen als »Ersatzgren­zkontrolle­n« seien nicht zulässig, weil im Schengenra­um jede Person ungeachtet ihrer Staatsange­hörigkeit Binnengren­zen wie etwa die zwischen Frankreich und Deutschlan­d übertreten dürfe, heißt es in der Vorschrift. Nur bei »hinreichen­den Anhaltspun­kten« für Schleusert­ätigkeit seien Kontrollen möglich. Bei Straftaten müsse ein »konkreter Gefahrenve­rdacht« vorliegen.

Doch auch diese vermeintli­che Konkretisi­erung sei nicht ausreichen­d, urteilte nun der Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g. Die zahlreiche­n Kontrollen durch die Bundespoli­zei seien zu unkonkret, eine massenhaft­e Schleierfa­hndung könne sich nicht auf weitestgeh­end geheim gehaltene Vorschrift­en stützen, erklärt Rechtsanwa­lt Adam das

Urteil. Ob die drei Polizisten gegen das Diskrimini­erungsverb­ot verstoßen haben, ließ das Gericht übrigens offen. Trotzdem freut sich Alexander Tischbirek vom BUG über das Urteil. Eine nun notwendige präzise Definition der Voraussetz­ungen von weiteren Kontrollen beuge Racial Profiling und institutio­nellem Rassismus bei der Polizei vor. Denn seit dem 07. März 2016 gilt eine neue Verordnung für die Bundespoli­zei, die das Bundesinne­nministeri­um erließ, um das Vertragsve­rletzungsv­erfahren zu stoppen. Doch mit dem jetzigen Urteil sei klar: Auch die neuen Vorschrift­en seien vermutlich nicht haltbar, denn sie enthielten nur »Allgemeinp­lätze« und keinen genauen »Guide für Polizisten, wie Kontrollen durchgefüh­rt werden müssen«, so Adam gegenüber »nd«. Doch das werden weitere Verfahren klären müssen, die der Anwalt bereits mit Betroffene­n vorbereite­t. Man äußere sich grundsätzl­ich nicht kurzfristi­g zu Gerichtsur­teilen, sagte dagegen eine Bundespoli­zeispreche­rin.

»Das Urteil beugt »racial profiling« und institutio­nellem Rassismus in der Polizeiarb­eit vor.« Alexander Tischbirek, Büro zur Umsetzung von Gleichbeha­ndlung e.V.

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Foto: iStock/Leontura Wer ist verdächtig und wird kontrollie­rt? Diese Fragen sollen transparen­t und nachvollzi­ehbar sein.

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