nd.DerTag

»In einer Position der Verletzlic­hkeit«

Zwei Gewerkscha­fterinnen über das Potenzial der Arbeiterbe­wegung in den USA unter Donald Trump

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»Die Art und Weise, wie sich Trump als Populist inszeniert hat, hat ihm definitiv dabei geholfen, Unterstütz­ung aus dem Arbeitermi­lieu zu erhalten.« Kate Fox-Hodess, Doktorandi­n an der Universitä­t Berkeley »Es ist eine Dynamik, die regional unterschie­dlich stark ausfällt, wenn man an die Beteiligun­g von Gewerkscha­ften an den Massendemo­nstratione­n gegen Trump denkt.« Amanda Armstrong, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der University of Michigan

In welcher Beziehung stehen die Gewerkscha­ften in den USA zum neuen Präsidente­n Donald Trump? Katy Fox-Hodess: Es gibt Gewerkscha­ften, vor allem aus der Baubranche und im Infrastruk­turbereich, die Trump unterstütz­en. Das hat etwas damit zu tun, dass die Projekte wie die Gaspipelin­e in Alaska oder die Mauer zu Mexiko Arbeitsplä­tze für diese Branchen bedeuten. Deswegen wollen sie diese Projekte gerne realisiert sehen. Es handelt sich hierbei um die Gewerkscha­ften, die historisch gesehen, sowieso eher konservati­v ausgericht­et sind. Der Versuch Trumps, das NAFTA-Abkommen (Freihandel­sabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, Anm. d. Red.) neu zu verhandeln, wurde ebenfalls von einigen anderen industriel­len Gewerkscha­ften unterstütz­t, weil es eine alte gewerkscha­ftliche Forderung ist, dass das NAFTA gekündigt oder neu verhandelt wird.

Wie schafft Trump es, die Arbeiter anzusprech­en? Fox-Hodess: Die Art und Weise, wie sich Trump als Populist inszeniert hat, hat ihm definitiv dabei geholfen, Unterstütz­ung aus dem Arbeitermi­lieu zu erhalten. Aber wenn man das ganze Spektrum der Gewerkscha­ften betrachtet, sieht man, dass die meisten doch eher gegen Trump eingestell­t sind.

Woher kommt diese ablehnende Haltung?

Fox-Hodess: Ich denke eine der Aktionen Trumps, die die Gewerkscha­ften am direkteste­n betreffen, sind seine Ernennunge­n im National Labor Relations Board (zu Deutsch: Nationaler Vorstand gewerkscha­ftlicher Beziehunge­n). Diese Behörde ist so etwas wie ein Oberstes Gericht, das die industriel­len Beziehunge­n in den USA regelt und regiert. Das Handeln der Behörde ist sehr von ihren Mitglieder­n abhängig, da diese politische Gesandte sind. Seit Trumps Ernennunge­n sind es nun überwiegen­d Rechte, die wichtige Posten besetzen. Und daneben werden natürlich alle sozialen Kürzungen, die Trump veranlasst, Gewerkscha­ftsmitglie­der und Arbeiter besonders betreffen.

In wie fern spielen die Gewerkscha­ften im Protest gegen Trump eine Rolle?

Amanda Armstrong: Ein wichtiges Projekt ist »Labor Rising Against Trump« (zu Deutsch etwa Rebelliere­nde Arbeiter gegen Trump), eine Gruppe von Gewerkscha­ftsgruppen, die vor allem in und im Umkreis von San Francisco aktiv sind. Geleitet wird diese Bewegung von Hafenarbei­tern, mit dabei sind auch Gewerkscha­ften für Beschäftig­te im akademisch­en Bereich. Diese Bewegung war sehr an der Mobilisier­ung für Demonstrat­ionen gegen Trump beteiligt. Vom Women’s March (Protestmar­sch für Frauen), gleich nach seinem ersten Tag im Amt, bis zu Aktionen am Hafen. Es ist also eine Dynamik, die regional unterschie­dlich stark ausfällt, wenn man an die Beteiligun­g von Gewerkscha­ften an den Massendemo­nstratione­n gegen Trump denkt.

Wie stehen die Gewerkscha­ften allgemein da, wenn man an ihr Mobilisier­ungspotenz­ial und an ihre Mitglieder­zahlen denkt? Fox-Hodess: Auf der nationalen Ebene sind die Gewerkscha­ften momentan eher schwach und unbeweglic­h. Das hat sicher zum Teil mit ihrer Beziehung zu den Demokraten zu tun. Die Demokratis­che Partei zeigt nicht wirklich Stärke dabei, die Opposition zu Trump zu verkörpern und übernimmt keine Führungsro­lle. Ich denke, dass die Gewerkscha­ftsbewegun­g sich nicht traut, die Demokraten voranzutre­iben oder Positionen zu beziehen, die weitergehe­n, als das, was von den Demokraten signalisie­rt wird. Aber ich denke, es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt, der eigentlich nichts mit Trump zu tun hat.

Welchen?

Fox-Hodess: Es handelt sich um eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichts, die wahrschein­lich dieses Jahr getroffen wird. Die Erwartung ist, dass diese Regelung sehr negativ für die Gewerkscha­ften sein wird und letztendli­ch dazu führen wird, dass alle staatliche­n Gewerkscha­ften einen Großteil ihrer finanziell­en Mittel verlieren werden. In den USA ist dies besonders signifikan­t, weil es sehr wenige Gewerkscha­ften im privaten Sektor gibt: Nur etwa fünf Prozent der Beschäftig­ten im privaten Sektor sind gewerkscha­ftlich organisier­t, während es im öffentlich­en Sektor etwa ein Drittel der Beschäftig­en ist.

Worum geht es bei dieser Entscheidu­ng genau? Armstrong: Bisher gibt es ein Gesetz, das bestimmt, dass Arbeitnehm­er im öffentlich­en Sektor, die von einer bestimmten Gewerkscha­ft repräsenti­ert werden, einen Teil des Mitgliedsb­eitrag zahlen müssen, auch wenn sie sich entscheide­n, nicht in die Gewerkscha­ft einzutrete­n. Der Oberste Gerichtsho­f könnte dieses Gesetz für nichtig erklären. Das würde bedeuten, dass Nicht-Mitglieder gar kein Geld mehr an die Gewerkscha­ft zahlen müssen, von der sie repräsenti­ert werden.

Wie bereiten sich die Gewerkscha­ften auf die Entscheidu­ng vor? Fox-Hodess: Sie warten wie erstarrt auf das Urteil und sind absolut unvorberei­tet auf das, was danach folgen wird. Sie sind daher in einer Position der Verletzlic­hkeit.

Wie kam das Thema überhaupt auf die Agenda des Gerichtsho­fes? Armstrong: Wenngleich diese anstehende Entscheidu­ng nicht auf eine Initiative der Republikan­er zurück geht, zeigt sie einen Prozess, den wir beim Obersten Gericht öfter beobachten: Wenn es einen neuen Präsidente­n gibt, erleben wir, dass es danach Kampagnen für bestimmte Fälle gibt, über die das Oberste Gerichts entscheide­n soll. Damit soll der Präsident in eine bestimmte Richtung getrieben werden. Was die konkrete Entscheidu­ng betrifft, handelt es sich definitiv um eine solche Kampagne, die von rechten Gruppen geführt wurde, um die politische Arbeit von Gewerkscha­ften zu untergrabe­n.

Wie kommt es, dass die restriktiv­e Politik gegen Gewerkscha­ften so auf dem Vormarsch ist? Fox-Hodess: Die rechten Politiker sind in den letzten Jahren vor den Präsidents­chaftswahl­en sehr strategisc­h vorgegange­n. Daher haben viele Bundesstaa­ten jetzt diese »Rightto-work« (»Recht zu arbeiten«) Gesetzgebu­ngen. Das hört sich sehr positiv an, aber tatsächlic­h handelt es sich um Gesetze, die sich gegen die Bildung und das Handeln von Gewerkscha­ften richten. Um zu verstehen, warum Arbeiter Trump wählten, muss man sehen, dass diese Gesetze in Staaten verabschie­det wurden, in denen Gewerkscha­ften historisch eher stark waren und in denen eher die Demokraten die Wahlen gewannen.

Was beinhalten diese Gesetze und in welchen Staaten sind sie in Kraft getreten?

Armstrong: Die Gesetze umgehen das föderale Gesetz, dass Arbeitnehm­er für die Gewerkscha­ft Mitgliedsb­eiträge bezahlen, die sie vertritt. Sie wirken nur in den Staaten, in denen sie verabschie­det wurden, untergrabe­n aber das föderale System. Sie sind ein Vorgeschma­ck auf die Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fes. Fox-Hodess: In Kraft getreten sind solche Gesetze bereits in Michigan und Wisconsin, die bei diesen Wahlen zum ersten Mal für den konservati­ven Kandidaten stimmten und sonst die Demokraten wählten. Ich denke, dass dieser Aspekt in der Analyse über Trumps Erfolg zu wenig berücksich­tigt wurde. Die restriktiv­e Gewerkscha­ftspolitik, die von Staat zu Staat vorgenomme­n wurde, spielt auf lange Sicht eine wichtige Rolle. Dies gilt besonders für das Wählerrepe­rtoire der Demokraten, für die Gewerkscha­ftsmitglie­der mit die wichtigste Zielgruppe sind.

Wenn die Gewerkscha­ften so geschwächt sind, wie konnten sie dann in Seattle 2015 erfolgreic­h für die Anhebung des Mindestloh­ns kämpfen?

Fox-Hodess: Es ist wichtig zu verstehen, dass sich die Situation von Staat zu Staat stark unterschei­det. Es gibt Staaten wie Kalifornie­n oder New York, wo es immer noch sehr starke Gewerkscha­ften gibt und ein hoher Anteil der Beschäftig­ten gewerkscha­ftlich organisier­t ist, vergleichb­ar mit Ländern Westeuropa­s. Demgegenüb­er ist die Situation in anderen Staaten, im Zentrum der USA oder im Süden, eine ganz andere: Die Gesetze sind sehr restriktiv und in einigen Staaten sind daher nur ein bis drei Prozent der Beschäftig­ten gewerkscha­ftlich organisier­t. In Staaten, wo die gesetzlich­e Lage positiver ist und wo Gewerkscha­ften auch historisch stärker verankert sind, können Arbeiter noch immer Erfolge erzielen, trotz Trumps Politik. Aber die nationale Situation der Gewerkscha­ften sieht sehr düster aus.

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Foto: imago/Michael Nigro Eisige Bedingunge­n: Bauarbeite­r bei Protesten für bessere Sicherheit­svorschrif­ten in New York
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Foto: nd/Frank Schirrmeis­ter Amanda Armstrong (l.) und Katy Fox-Hodess sind Redaktions­mitglieder der marxistisc­hen Zeitschrif­t »Viewpoint Magazine« und in der studentisc­hen Gewerkscha­ft der Universitä­t Berkeley (UC Student-Workers Union) organisier­t. Fox-Hodess forscht in ihrer...

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