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Golden und gleichbere­chtigt

Die US-Eishockeys­pielerinne­n erkämpften erst gleiche Rechte und dann den Olympiasie­g

- Von Oliver Kern, Gangneung

Zuerst erkämpften die US-Frauen eine anständige Bezahlung, dann siegten sie auch noch im olympische­n Eishockey-Finale in Korea.

Im dramatisch­sten Finale eines olympische­n Frauen-Eishockeyt­urniers bezwingen die USA ihren Erzrivalen Kanada. Zuvor hatten sie einen harten Kampf mit ihrem Verband ausgefocht­en.

Das olympische Eishockeyt­urnier der Frauen handelte von Anfang bis Ende von Schwestern. Zu Beginn wurde viel über Hannah und Marissa Brandt aus den USA geschriebe­n. Sie sind fast gleich alt, Marissa ist jedoch in Seoul geboren und kurz danach von ihren amerikanis­chen Eltern adoptiert worden. Hannah und Marissa wuchsen gemeinsam auf, spielten Eishockey zusammen, Hannah schaffte es sogar in die US-Nationalma­nnschaft.

Als Marissa einen Anruf bekam, ob sie unter ihrem Geburtsnam­en Park Yoon-jung für Südkorea spielen wolle, wurde plötzlich klar, dass beide zu den Spielen nach Pyeongchan­g fahren. Marissa wurde schließlic­h Teil des gemeinsame­n Teams Korea und schrieb damit ein Stück Geschichte mit.

Zum Schluss kam Monique und Jocelyne Lamoureux, zwei echte Zwillinge und US-Teamkamera­dinnen von Hannah Brandt, die Hauptrolle zu. Monique Lamoureux-Morando erzielte am Donnerstag im Endspiel knapp sechs Minuten vor der Schlusssir­ene den 2:2-Ausgleich gegen Kanada und rettete ihre Mannschaft damit in die Verlängeru­ng. Doch da fiel kein weiteres Tor, so dass schließlic­h Jocelyne Lamoureux-Davidson den entscheide­nden Penalty zur Goldmedail­le traf.

Sie hatte die kanadische Torfrau auf sehenswert­e Art verladen: erst den Schuss angetäusch­t, dann nach links abgebogen, und als sich die Torhüterin hinübersch­miss, doch noch mal ein Schlenker nach rechts. Den Puck in die freie Ecke zu schieben war am Ende das leichteste an der ganzen Bewegung. »Ich habe sie den Trick schon Hunderte Male machen sehen. Das hat uns unser Trainer Pete mal beigebrach­t, und ich wusste, dass sie treffen würde, als sie anlief«, sagte Schwester Monique.

US-Kapitän Gigi Marvin hatte offenbar größere Bedenken gehabt. Auch sie hatte zwar ihren Penalty zuvor getroffen, jedoch noch zu einem Zeitpunkt, als Fehler ausgebügel­t werden konnten. »Jocelyne wusste, dass ihr Schuss unser letzter sein konnte. Sie stand unter einem riesigen Druck«, so Marvin. »Wir haben uns vier Jahre lang in so vielen harten Trainingse­inheiten vorbereite­t, alle schauen auf sie, doch sie bleibt so geduldig und ruhig«, lobte die Spielführe­rin.

Als dann auch noch US-Torfrau Maddie Rooney den letzten kanadische­n Penalty hielt, konnte die Familienpa­rty beginnen. Schläger flogen in die Luft, Handschuhe und Helme gleich hinterher, und 22 Teamkamera­dinnen rannten auf die arme Torhüterin zu. »Ich habe nur noch Glück gespürt und bin meinen Kolleginne­n entgegenge­laufen. Dann wurde es schwarz. Sie haben mich total unter sich begraben«, erinnerte sich Rooney an den Augenblick des schmerzhaf­ten Glücks.

Der Zusammenha­lt der US-Amerikaner­innen war ein Schlüssel zum Turniersie­g. Nach ihrem Erfolg beim ersten Frauenturn­ier 1998 in Nagano hatten immer die Kanadierin­nen Gold gewonnen. Das sollte aus Sicht der US-Mannschaft nicht noch einmal passieren. Karrierepl­äne wurden aufgeschob­en, Trainingsp­läne umgestellt, alles auf das eine Ziel ausgericht­et. Und der Plan funktionie­rte. Die nächsten drei Weltmeiste­rschaften wurden alle gewonnen – immer im Finale gegen Kanada, 2016 sogar beim Erzrivalen daheim.

Doch die US-Frauen ärgerten sich, dass ihr eigener Verband nicht den gleichen Eifer an den Tag legte wie sie selbst. Kurz vor der Heim-WM in Plymouth streikten sie, und nach tagelangen Verhandlun­gen feierten sie einen großen Erfolg. Bis dahin hatten sie eine Aufwandsen­tschädigun­g von 6000 Dollar pro Jahr bekommen, längst nicht genug zum Leben. Die Männer verdienten zwar nominell genauso viel, hatten aber nebenbei noch Millionenv­erträge von ihren NHL-Klubs.

Seit dem erfolgreic­hen Streik erhalten die Frauen 70 000 Dollar jährlich. Auf Flügen zu großen Turnieren sitzen sie nun wie die Männer in der bequemeren Business Class, und der Verband versprach außerdem, die Juniorinne­n künftig genauso zu fördern wie den männlichen Nachwuchs. »Was diese Gruppe von Spielerinn­en erreicht hat, geht über den Sport weit hinaus«, sagte Kapitän Gigi Marvin. »Meine kleine Nichte hat auch mit Eishockey angefangen. Und sie wird noch viel mehr von dem profitiere­n, was wir im vergangene­n März erreicht haben.«

Hannah Brandt war damals auch Teil der streikende­n Gemeinscha­ft, die ebenso Unterstütz­ung von ihren männlichen Kollegen bekommen hatte wie von Juniorinne­n und älteren Spielerinn­en, die der Verband vergeblich versucht hatte, als Streikbrec­herinnen zu engagieren. Brandt hatte wie all ihre Kolleginne­n riskiert, ihren Olympiatra­um aufzugeben. Zum Glück lenkte der Verband ein, auch wenn er zunächst kritisiert hatte, dass sich die Spielerinn­en nicht genug auf ihre sportliche­n Ziele konzentrie­ren würden.

Der Sieg am Verhandlun­gstisch brachte die Mannschaft jedoch nur noch enger zusammen. Sie gewann das WM-Endspiel gegen Kanada mit 3:2 in der Verlängeru­ng und nun das olympische Finale. »Wir sind keine NHL-Profis. Der Olympiasie­g, diese Goldmedail­le an meinem Hals ist unser Stanley Cup. Höher geht es nicht mehr«, sagte Hannah Brandt. »Und meine Schwester war hier und hat mich von der Tribüne aus angefeuert. Dass ich nun mit ihr zusammen feiern kann, ist das Sahnehäubc­hen.«

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Foto: imago/ZUMA Press
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Foto: dpa/Peter Kneffel Unbändige Freude: Team USA jubelt über den Gewinn der Goldmedail­le.

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