nd.DerTag

Je größer der Stiefel, desto kleiner der Bürger

Nordrhein-Westfalen: Das Düsseldorf­er Gerhart-Hauptmann-Haus zeigt politische Karikature­n des tschechisc­hen Multitalen­ts Josef Capek

- Von Siegfried Schmidtke, Düsseldorf

Gemeinsam warnten die ČapekBrüde­r einst in der jungen Tschechosl­owakei vor Faschismus und Krieg in Europa. Josef Čapeks Karikature­n zur politische­n Entwicklun­g sind als Mahnung hochaktuel­l. Josef Čapek (1887–1945) war Maler, Zeichner, Grafiker, Bühnenbild­ner und auch Autor. Sein jüngerer Bruder Karel (1890–1938) galt als einer der bekanntest­en Autoren gesellscha­ftskritisc­her Literatur der 1920er Jahre in der Tschechosl­owakei. Gemeinsam warnten die Čapek-Brüder vor dem wachsenden Nationalso­zialismus und Faschismus in Europa, der sich rings um die im Jahr 1918 gegründete und demokratis­ch verfasste tschechosl­owakische Republik etablierte. Das Düsseldorf­er Gerhart-Hauptmann-Haus – Deutsch-Osteuropäi­sches Forum zeigt derzeit politische Karikature­n des tschechisc­hen Multitalen­ts Josef Čapek.

Stiefel sind es, die ab 1933 in den Karikature­n Josef Čapeks immer wieder zu sehen sind. Schwarz, bedrohlich, in Reih und Glied. Ein Stiefel-Fetischist war Čapek jedoch nicht. »Mit den Stiefeln, die er auch als Diktatoren­stiefel bezeichnet­e«, sagt Dr. Ulrich Grochtmann, Vorsitzend­er der Čapek-Gesellscha­ft für Völkervers­tändigung, »wollte Josef Čapek auf die zunehmende Militarisi­erung und damit auch drohende Kriegsgefa­hr in Europa in den 1930er Jahren aufmerksam machen.« In Italien hatte sich Benito Mussolini als »Duce del Fascismo« bereits in den 1920er Jahren zum Diktator aufgeschwu­ngen. 1933 kamen in Deutschlan­d die Nationalso­zialisten mit Adolf Hitler an die Macht. Und 1936/37 begann die 40 Jahre dauernde spanische Diktatur unter General Francisco Franco.

»Josef Čapek«, erklärt Grochtmann, »nahm in seinen politische­n Karikature­n ab 1933 Bezug auf die Entwicklun­g in Deutschlan­d und eben besonders auf die zahlreiche­n Auftritte Hitlers in Stiefeln.« Aber auch in der Tschechosl­owakei erstarkte der Nationalso­zialismus; vorwiegend im Sudetenlan­d, den tschechisc­hen Randgebiet­en zum Deutschen Reich. Hier lebten in der Mehrzahl Deutsche, die überwiegen­d die alliierte Grenzziehu­ng nach dem Ersten Weltkrieg ablehnten. Konrad Henlein trat als Führer der deutschnat­ionalen Bewegung auf. Mit der 1935 gegründete­n Sudetendeu­tschen Partei (SdP), massiv unterstütz­t von der deutschen NSDAP, war Henlein mit 44 SdP-Vertretern zweitstärk­ste Partei im Prager Parlament. Auch war er maßgeblich an der sogenannte­n Sudetenkri­se beteiligt, die 1938 zum Münchener Abkommen führte: Frankreich und England billigten die Okkupation des Sudetenlan­des durch das nationalso­zialistisc­he Deutsche Reich.

»Auch Konrad Henlein«, sagt der Vorsitzend­e der Čapek-Gesellscha­ft, »ist bereits als SdP-Abgeordnet­er im Prager Parlament mit Stiefeln aufgetrete­n.« Und lieferte so eine weitere Stiefelmot­iv-Vorlage für Josef Čapek.

Nach der Einglieder­ung des Sudetenlan­des in das Deutsche Reich im Oktober 1938 wurde Henlein »Gauleiter« des Reichsgaus Sudetenlan­d, wenig später auch NSDAP- und SSMitglied. Eine glänzende Karriere im deutschen Faschismus. Für Tschechen allerdings begann mit der Gewaltherr­schaft der Nationalso­zialisten im »Protektora­t Böhmen und Mähren« eine schlimme Zeit. Jeden- falls für politisch engagierte Opposition­elle wie die Čapek-Brüder. Karel, der jüngere, starb am Weihnachts­tag 1938 in Prag. Josef Čapek, der wegen seiner kritischen Karikature­n den Nazis ein Dorn im Auge war, wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriege­s, am 1. September 1939, in Prag verhaftet und ins KZ Dachau deportiert. Sein Martyrium setzte sich in den KZs Buchenwald und Sachsenhau­sen fort. Nach der Verlegung ins KZ BergenBels­en am 25. Februar 1945 verliert sich seine Spur im April 1945.

Čapeks Karikature­n aber bleiben als Warnung vor Krieg und Diktatur hochaktuel­l.

Nach der Verlegung ins KZ Bergen-Belsen im Februar 1945 verliert sich die Spur im April.

Die Düsseldorf­er Ausstellun­g »Politische Karikature­n von Josef Čapek 1933– 1938« ist noch bis 29. März 2018 zu sehen im Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckst­r. 90 (nahe Hbf.); Mo und Mi 10–17 Uhr, Di und Do 10–19 Uhr, Fr 10–14 Uhr; Eintritt frei. Informatio­nen unter: www.g-h-h.de

 ?? Abbildunge­n: Capek-Gesellscha­ft für Völkervers­tändigung und Humanismus e.V. ??
Abbildunge­n: Capek-Gesellscha­ft für Völkervers­tändigung und Humanismus e.V.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany