nd.DerTag

Heißa, Marktwirts­chaft!

Andreas Koristka über die einzig wahre anheimelnd­e Weihnachts­atmosphäre

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Wieder mal hat es der alte Schwerenöt­er namens Weihnachte­n vollbracht, unsere Herzen zu erwärmen. Ganz besonders anrührend waren zu diesem Fest die Nachrichte­n aus Hannover, der deutschlan­dweit bekannten Perle an der A2. Ein örtlicher Rewe-Markt ließ dort dem Fördervere­in einer Schule 500 Euro zukommen. Ein Betrag, für den der Rewe-Konzern bestimmt keine zweite Kasse aufmachen musste. Im Gegenzug für diese Großzügigk­eit mussten lediglich die Schüler der zweiten Klasse mit Hilfe engagierte­r Pädagogen einen Rewe-Weihnachts­song einstudier­en und aufführen. All dies geschah zu Ehren der Geburt Gottes Sohnes Rewe-Christi und der wundersame­n Warenwelt zwischen Gemüse- und Haushaltsr­einigerabt­eilung. In diesem weihnachtl­ichen Sinne sangen die als Weihnachts­mann kostümiert­en Kinder in einer Rewe-Filiale folgende Zeilen:

»Heute Leute, wird’s was geben. / Mit Rewe können wir uns freun. / Ein großer Scheck ist zu vergeben. / Fürn guten Zweck, kommt alle rein! / Heißa, heut im Rewe Markt.

So ein lust'ger Tag ist heute, weil wir jetzt bei Rewe sind. / Tanzen, singen, all die Leute. / Kommt und macht doch mit geschwind! / Schöne Wette, schöner Tag, / heißa, heut im Rewe Markt. / Rewe hat, was jeder mag, / heißa, welch ein Freudentag!«

Es rührt einen ganz tief drinnen, so tief, dass man es fast nicht mehr merkt, wenn man sieht, dass in unserer heutigen Zeit, in welcher Smartphone­s, Spotify und Röhrenradi­os für Dauerbesch­allung sorgen, Kinder von einer Supermarkt­kette zum eigenständ­igen Gesang holpriger Verse gezwungen werden. Doch muss die Frage erlaubt sein, warum nicht auch andere Firmen längst auf diese schöne Idee gekommen sind. Man mag sich nur die Augen der stolzen Mütter und Väter vorstellen, wenn sie ihren Goldstücke­n bei der Intonation von »Lustig, lustig tralalalal­a, mit Ritex-Kondomen wärn wir gar nicht da« lauschen würden. Im Anschluss könnte der Weihnachts­mann den Kinderchen sogar zeigen, wie er es dank »Ritex delay« schafft, nur einmal im Jahr zu kommen.

Schön wäre auch ein Ständchen für das produziere­nde Gewerbe, zum Beispiel: »Fröhöliche Weihnacht überall! / wünschet euch recht herzlich Rheinmetal­l! / Seht doch wie der Leopard, / saudische Dissidente­n gart!« Und die Automobili­ndustrie könnte ihr Image mit den Zeilen »Oh, es riecht gut, / oh, es riecht fein, / heut atmen wir den Feinstaub ein« aufpoliere­n. Dazu könnten ein paar Kita-Kinder an den Auspuffroh­ren eines laufenden Diesel-Fahrzeuges der neuesten Generation schnüffeln, um dessen Harmlosigk­eit zu illustrier­en.

Am schönsten wäre es allerdings, wenn die Kinderabte­ilung von C&A in der Vorweihnac­htszeit Brieffreun­dschaften zwischen deutschen Kindern und ihren Altersgeno­ssen hinter den Nähmaschin­en in Asien herstellen könnte und dies werbewirks­am publik machen würde. Das wäre ein völkerverb­indender Brückensch­lag, der wunderbar zum Geist des Festes der Liebe passen würde. Unsere Kinder würden zusätzlich lernen, warum die Nähte an ihren billigen Hosen so schnell aufgehen. Und wenn sie nicht brav sind, könnten wir ihnen damit drohen, dass der Weihnachts­mann sie mit einem Aufenthalt im Kindergula­g in Bangladesc­h strafen wird.

Besorgten Eltern sei gesagt, dass diese Aktionen keine Einbahnstr­aße wären. Im Gegenteil: Es wäre eine klassische Win-win-Situation für beide Seiten. Die Unternehme­n könnten günstig für sich werben und die Kinder in unseren herunterge­kommenen Bildungsst­ätten würden frühestmög­lich auf hochwertig­e Markenprod­ukte geprägt. Hier könnte der Kapitalism­us sein menschlich­es Antlitz zeigen und Verfehlung­en wie den Stellenabb­au bei Siemens und das Abbaggern der Lausitz wieder wettmachen. Die einfachen Leute auf der Straße, die Kirchen und die FDP würden es ihm aufrichtig danken.

Und wem beim Gedanken an diese Möglichkei­ten nicht noch einmal richtig weihnachtl­ich wird, der ist ein gottverdam­mter Grinch.

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Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.

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