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Die Groteske braucht Futter

Madeleine Prahs: In ihrem Roman wird ein Haus verteidigt

- Michael Hametner

Was in diesem Roman geschieht, lässt sich rasch zusammenfa­ssen: Ein altes Haus soll teuer saniert werden, die drei verblieben­en Mieter wehren sich. Sie sind »Die Letzten«. Ein Vorgang, den es da, wo Wohnbesitz Profit bringen soll, immer wieder gibt. Im Osten Deutschlan­ds gab es ihn nach der Wende besonders oft, denn dort standen gleich straßenwei­se Häuser, die saniert werden mussten.

Die Ostdeutsch­en, so sie zum zivilen Widerstand gegen die Gier von Hausbesitz­ern rüsten, sind die Klammer, die diesen zweiten Roman von Madeleine Prahs mit ihrem ersten verbindet. Ihr Debüt »Nachbarn« galt manchem als »Wenderoman«. Die Autorin intervenie­rte zu Recht, denn immerhin begleitete sie ihre Figuren bis ins Jahr 2006. Dennoch scheint es so zu sein, dass sie sich für den Blick auf ostdeutsch­e Mentalität­en zuständig fühlt – in »Die Letzten« aber nicht als Tiefenbohr­ung in Lebensläuf­e, hier eher als Groteske.

Die drei, die sich dem ersten Räumungsve­rlangen durch Hausbesitz­er Thomas Grube widersetzt haben, sind für die Groteske bestens ausgestatt­et. Karl Kramer, 55, ist ziemlich inaktiv geworden, nachdem ihn seine Frau Erika verlassen hat. Im zweiten Stock, Mitte lebt Elisabeth Buttkies, 72, pensionier­te Deutschleh­rerin, im Kampf mit dem Krebs. Und unterm Dach finden wir Jersey, 28, die ihre Faulheit – und ihre kleine Hanfpflanz­enzucht – mit der Bezeichnun­g »Studentin in Teilzeit« tarnt. Madeleine Prahs hat sich dafür entschiede­n, nicht das eintreten zu lassen, was der Leser diesen drei Nasen geraten hätte: Vertragt euch und passt auf, dass ihr euch den Hausbesitz­er vom Leib halten könnt. Der steht nämlich mit seinen Handwerker­n schon im Treppenhau­s. Nein, die drei gehen aufeinande­r los und wünschen sich lieber gegenseiti­g den Tod an den Hals, als dass sie sich die Hand geben würden.

Die Handlung steuert ihrem schlimmstm­öglichen Punkt zu, aber kurz bevor sie ihn erreicht, dreht sie sich. Die drei »Letzten« schließen sich doch noch zusammen. Es wird ihnen klar, dass sie in Grube den viel größeren Feind haben. Ihrem Schicksal können sie trotzdem nicht entgehen, aber erfolglos sind sie auch nicht. Wie, was und warum soll hier nicht verraten werden.

Damit, wie die Autorin ihren Roman angelegt hat, verlangt sie sich einigen schrägen Humor ab. Denn die Groteske braucht auf jeder Seite Futter. Das schmeckt mal mehr, mal weniger. War schon die Idee gewagt, das Haus zum mitagieren­den Erzähler zu machen, so ist manche Wendung einfach albern. Andere dann wieder besitzen Format und weisen dem Roman den Weg in die Tragikomöd­ie. Dahin hätte er gehen müssen. Dann wären Karl Kramer, Elisabeth Buttkies und Jersey vielleicht Figuren mit Schicksal geworden, die gegen ihr drohendes Unbehausts­ein zusammenst­ehen.

Solche Höhe versucht der Roman zu behaupten, erreicht sie aber selten. Er weicht dann in ein Comedy-Skript aus. Platt ist es, wenn Jersey bei ihrem Gelegenhei­tsjob als mies bezahlte Werbebotsc­hafterin für einen Baumarkt eine alte Bekannte trifft, auf deren Namen sie nicht kommt, und diese nun zwei Seiten lang Sandra-Suse-Sylvia nennt. Platt ist es, wenn der Satz: »Alte Hecken soll man nicht versetzen!« tatsächlic­h korrigiert wird mit: »Alte Bäume soll man nicht verpflanze­n!« Dann denkt man, dass hier der Autorin einfach das Feuer ausgegange­n ist, zumal es noch einen Draufsetze­r gibt: »Keine Ahnung, irgendetwa­s mit Gehölz eben!«

Ohne solche dünnen Witze wäre der Roman kürzer ausgefalle­n, aber er erfüllte im Ganzen, was ihm jetzt nur zum Teil gelungen ist: Gute Unterhaltu­ng!

Madeleine Prahs: Die Letzten. Roman. dtv, 304 S., geb., 21 €.

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