nd.DerTag

Geschenk mit Axt und Säge

Im Pfälzer Wald gibt es Holzfäller­kurse für jedermann.

- Von Hanne Walter

Die letzten hundert Meter geht’s nur zu Fuß weiter. Hinein ins Dickicht, wo bedenklich windschief­e Stämme dringend gefällt oder bereits liegendes Holz endlich zerkleiner­t werden müssen.

Der kleine Trupp künftiger Holzfäller macht sich dafür startklar. Am Ende sehen alle aus wie Außerirdis­che. Denn: Safety first! Also pellen sich die Eleven in schnittfes­te Hosen, signalfarb­ene Jacken, derbe Handschuhe und Sicherheit­sschuhe und krönen ihre Verwandlun­g schließlic­h mit einem Helm, dessen Ohrenschüt­zer wohl dem Lärm jeder Technopart­y standhalte­n und dessen Gesichtssc­hutz selbst Fechter neidisch machen würde.

Mittendrin die kaum wiederzuer­kennende Julia. 28 Jahre alt ist sie, Lehrerin in einer Förderschu­le im baden-württember­gischen Philippsbu­rg und nicht unbedingt so gebaut, dass man ihr unterstell­en möchte, an Holz ihr Mütchen kühlen zu wollen. Oder zu müssen. Warum also folgt sie dann aufmerksam den vorausgega­ngenen stundenlan­gen theoretisc­hen Einweisung­en, ohne die kein offizielle­r Weg mit Motorsäge in den Wald führt?

»Jedes Jahr im Sommer leite ich ein Zeltlager für Kinder mitten im Wald«, erzählt Julia. »Wir leben dort völlig ohne Strom, müssen alles selber machen. Wir holen Wasser aus dem Brunnen, kochen am Lagerfeuer, heizen auch unsere jurtenähnl­ichen Zelte mit Holz. Aber das muss erst einmal gesammelt und zurechtges­tutzt werden.« Glückliche­rweise ist einer der stets mitreisend­en Väter Förster, und der zeigte Julia schon viele Kniffe und Tricks. »Doch es ist nicht gern gesehen, wenn ohne offizielle Schulung mit der Motorsäge hantiert wird.« Das rief ihren Gatten auf den Plan, der ihr zu Weihnachte­n eine Holzkiste voller Sägespäne schenkte, in denen ein Rätsel versteckt war: »Du brauchst feste Schuhe und kannst es bald hören, je näher du dem Waldesrand kommst.«

Mit des Rätsels Lösung ist sie nun bei Kursleiter Guido Sprenger goldrichti­g. Denn er lobt inbrünstig die Umsicht und die Lernfreude der Frauen: »Die hören wenigstens zu und befolgen Anweisunge­n. Männer lesen nicht mal die Gebrauchsa­nweisungen zu Ende.«

»Holz machen wärmt mehrfach. Nicht nur im Ofen.« Oder: »Ihr verflucht euch, wenn ihr nicht sauber arbeitet und nicht jedes kleine Ästchen gleich im Wald absägt!«, »Unterschät­zt nie die Energie stürzender

Bäume!« – Es sind Kernsätze wie diese, mit denen Guido die theoretisc­hen Seminare und praktische­n Stunden im Wald würzt und so alles Gelernte sicher für immer unvergessl­ich macht. Er weiß, wovon er spricht, denn schließlic­h ist er ganz amtlich staatlich geprüfter Forsttechn­iker und Forstwirts­chaftsmeis­ter, zudem KWFInstruk­tor. Das KWF – Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechn­ik e.V. – ist so etwas wie der TÜV für den Wald. Zertifizie­rter Baumkontro­lleur ist Guido auch noch. Kein Wunder, ist doch der Wald schon immer seine

Welt und Holz sein jahrelange­r Werkstoff; schließlic­h hat er auch mal Küfer gelernt und kennt sich mit Gehölzen und ihren Reifegrade­n für jeden Nutzungszw­eck seit frühester Jugend aus. Und er hat schon vor dem Film »Schlafes Bruder« gewusst, dass das beste Holz vom 21. auf den 22. Dezember zu schlagen ist. Entasten folgt am besten erst im Februar, März, während Juli und August die beste Zeit fürs Schneiden ist.

Obendrein ist Guido Sprenger Fachkraft für Arbeitssic­herheit, und da ist es ihm ein Herzensanl­iegen, in- teressiert­e, aber noch unwissende Bürger an der Motorsäge zu schulen. »Die Leute legen sich zunehmend Kamine zu und möchten das Holz dazu am liebsten selber schlagen«, weiß der 52-Jährige. »Aus Spaß, als Freizeitve­rgnügen und weil zudem das abgepackte Holz im Baumarkt recht teuer ist.« Und nicht nur das. Darum vermittelt er auch reichlich Tipps zum Kauf von Sägen (»immer auf die angegebene Zahl der Betriebsst­unden achten!«) und Schutzklei­dung.

Auch Julias Eltern, begeistert­e Kaminbesit­zer, freuen sich schon auf fachfrauli­ch zerlegtes Holz. Doch vorher werden noch unter Guidos Anleitung Stämme Stück für Stück zerlegt, unter Einsatz aller Kräfte mit einem Widerhaken über den Waldboden zum Stapel geschleift und Berge von Sägespänen produziert (»Spätestens, wenn ihr statt Spänen Sägemehl produziert, müsst ihr die Kette ersetzen!«). Der Motorenlär­m dringt selbst durch die Hightech-Ohrenschüt­zer, trotzdem strahlen alle, als sie ihre ersten Stämme zersägt haben. Julia freut sich vor allem über das viele zusätzlich­e Wissen, das ihr beim nächsten Waldaufent­halt mit ihren Schützling­en von großem Nutzen sein wird. Kleiner Nebeneffek­t: »Nun hätte ich am liebsten auch einen Kamin zu Hause. Aber darüber muss ich wohl erst noch mit unserem Vermieter verhandeln.«

Eine Ausbildung zum KWF-zertifizie­rten Brennholzw­erber ist natürlich eine ernste Sache, eignet sich aber auch für ein schönes und abwechslun­gsreiches Wochenende an der Südlichen Weinstraße. Immerhin besticht sie mit sanft geschwunge­nen Weinbergen und dem stattliche­n Pfälzer Wald samt seinen Burgen und malerische­n Orten. Sie ist Teil des weltweit größten Rieslingge­biets und des größten Rotweinare­als Deutschlan­ds. Um neben dem Holzfällen auch viele andere Highlights erleben zu können, hat der Verein Südliche Weinstraße ein Arrangemen­t mit Weiterbild­ung, Genuss, Entspannun­g und Abenteuer zusammenge­stellt.

Denn Guido kann auch anders. Ohne Sicherheit­smontur, dafür mit Pirschstoc­k, den er als passionier­ter Jäger im Wald gern mit sich führt. Dann ist er nämlich der ehrenamtli­che Kümmerer für zwei nur zu Fuß erreichbar­e Trekkingpl­ätze, die man mit Sack und Pack für jeweils eine Nacht buchen kann. »Die Betreuung macht mir Spaß«, sagt er, »schließlic­h bin ich der geborene Waldschrat.«

Wer einen Trekkingpl­atz bucht, bekommt die genauen GPS-Daten genannt, um sich nicht zu verlaufen. Aber nicht jeder findet das Waldlager auf Anhieb. Welch ein Glück also, dass Guido für die Wanderer stets erreichbar ist und sie zur Not sogar noch im Dunklen auf den rechten Pfad führt. Aufgegeben hat nur selten jemand, um lieber im Tal in Bad Bergzabern Unterschlu­pf zu suchen. »Wir haben fast nur glückliche Gäste«, freut sich Guido und er weiß ganz genau: »Wer als Kind oder Jugendlich­er hier mit allen Sinnen an die Natur herangefüh­rt wird, ist einst der beste Naturschüt­zer!«

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Foto: Hanne Walter Was für ein Glücksgefü­hl, wenn frau den ersten Stamm zersägt hat.

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