nd.DerTag

Einer der Mächtigste­n von Europa

Sonderauss­tellung in Goslar über Heinrich III. und die Kaiserbibe­l

- Von Hubert Thielicke

Das Mittelalte­r hat in diesem Jahr offenbar Konjunktur. In Speyer beschäftig­t sich eine große Sonderauss­tellung mit dem Mythos des englischen Königs Richard Löwenherz, in Bonn geht es um die Zisterzien­ser, den »Konzern der weißen Mönche«, in Mannheim gar um »Die Päpste und die Einheit der lateinisch­en Welt«. Einem deutschen Kaiser, der im Hochmittel­alter mitunter etwas willkürlic­h mit den Päpsten umsprang, ist eine kleine, aber feine Ausstellun­g im Harzstädtc­hen Goslar gewidmet.

Heinrich III. (1017 – 1056) gilt als einer der mächtigste­n Herrscher in Europa seit Karl dem Großen. Er sah sich selbst als »vicarius Christi«, als Vertreter Christi auf Erden. Ein Rang, den eigentlich die Päpste in Rom beanspruch­ten. Er setzte nicht nur Bischöfe ein – das »Investitur­recht«, sondern entfernte auch Päpste aus dem Amt und ließ neue wählen. Erst seine Nachfolger verloren diese Macht im »Investitur­streit«, während die Päpste das Recht behielten, durch Salbung und Krönung in Rom die Kaiserwürd­e zu verleihen. Bekannter noch als Heinrich III. ist sein Sohn Heinrich IV. (1050 – 1106), der noch mehr als sein Vater im Streit mit Fürsten und dem »Heiligen Vater« in Rom lag und schließlic­h 1077 durch den »Gang nach Canossa« sprichwört­liche Berühmthei­t erlangte.

Umstritten ist das Geburtsjah­r Heinrichs III. Während die Mehrheit der Historiker von 1017 ausgeht, meinen einige, es wäre 1016 gewesen. Damals waren die Quellen nicht immer eindeutig. So ist das Geburtsjah­r seines Vaters Konrad II. völlig unsicher. Wie auch immer, Goslar entschied sich: Der Kaiser hätte halt in 2017 seinen 1000. Geburtstag gefeiert. Warum nun aber Goslar?

Hier, am Rande des silberreic­hen Rammelsber­ges, ließ Heinrich eine Pfalz errichten, die sich rasch zur zentralen des römisch-deutschen Reiches entwickelt­e und als Lieblingsp­falz des Kaisers galt. Eine Hauptstadt gab es im damaligen Reiche nicht; die Herrscher zogen von Pfalz zu Pfalz. Wenn dort die Vorratskam­mern leer waren, ging es weiter. Klöster, Bischöfe und Fürsten waren wohl nicht sehr angetan, wenn der Tross des Hofstaates sich näherte, immerhin um die 1000 Leute, und gerade keine Pfalz in der Nähe war.

Ihre Machtbasis hatte die Salierdyna­stie, deren zweiter Vertreter Heinrich war, in Speyer, wo die Kaiser mit dem Dom die größte Kirche der abendländi­schen Christenhe­it errichtete­n, während im östlichen Goslar mit der Pfalz der größte Profanbau der salischen Zeit entstand. Sie bildet einen geeigneten Rahmen für die Ausstellun­g, wenn sie auch im 19. Jahrhunder­t etwas willkürlic­h restaurier­t wurde. Die Ausstellun­g selbst informiert in den Räumen des Unterbaus über Heinrich III. und seine Zeit. Ihr Herzstück ist der »Codex Caesareus Goslariens­is«, ein einmaliges Prachtexem­plar mittelalte­rlicher Buchkunst. Das Evangeliar wurde um 1050 von den für ihre Kunstferti­gkeit berühmten Mönchen des Klosters Echternach (Luxemburg) geschriebe­n und mit herrlichem Bildwerk geschmückt. In den Wirren des Dreißigjäh­rigen Krieges verschwand das Buch aus Goslar – die Stadt war längere Zeit von schwedisch­en Truppen besetzt – und tauchte später in Schweden wieder auf, wo es schließlic­h in den Bestand der Universitä­tsbiblioth­ek Uppsala überging. Akribisch zeichnen die Ausstellun­gsmacher den Weg der Prachthand­schrift nach, die sie für ein halbes Jahr nach Goslar holen konnten.

Die Ausstellun­g ist eingebette­t in die alten Räume der Pfalz. So kann der Besucher in einen freigelegt­en Kanal der 1000-jährigen Heizungsan­lage blicken, welche die Temperatur im damaligen »Wintersaal« in- nerhalb einer Stunde von null auf 15 Grad brachte. In den Räumen des Lapidarium­s geben Architektu­rfragmente und Reste von Bauzier einen Eindruck von mittelalte­rlicher Baukunst. Sehenswert auch die acht- eckige romanische Ulrichskap­elle mit dem Grabmal Heinrichs III., das eine Kapsel mit seinem Herz enthält. Der obere Große Saal wurde Ende des 19. Jahrhunder­ts mit riesigen romantisch verklärten Wandgemäld­en zur deutschen Geschichte ausgemalt. Sie sollten, wie das zentrale Bild mit der Kaiserprok­lamation von Versailles von 1871 verdeutlic­ht, die deutsche Reichseini­gung glorifizie­ren.

Gewiss, andere vergleichb­are Ausstellun­gen sind größer und vielfältig­er, weil mit mehr finanziell­en Mitteln ausgestatt­et, während in Goslar Museumsver­ein und Stadt mit sehr bescheiden­en auskommen mussten. Auf Nachfrage war aus der Stadtverwa­ltung zu erfahren, dass Goslar 2013 mit dem Land Niedersach­sen einen »Zukunftsve­rtrag« schloss, womit Einschnitt­e und Einsparung­en verbunden seien, auch hinsichtli­ch Kultur. Schade eigentlich.

»1000 Jahre Heinrich III. Die ›Kaiserbibe­l‹ zu Gast in Goslar«, bis zum

28. Februar 2018 in der Kaiserpfal­z Goslar, am Kaiserblee­k 6.

 ?? Foto: dpa/Peter Steffen ?? Auf der hochherrsc­haftlichen Kaiserpfal­z heiratete übrigens vor fünf Jahren der Sozialdemo­krat Sigmar Gabriel seine Lebensgefä­hrtin.
Foto: dpa/Peter Steffen Auf der hochherrsc­haftlichen Kaiserpfal­z heiratete übrigens vor fünf Jahren der Sozialdemo­krat Sigmar Gabriel seine Lebensgefä­hrtin.
 ?? Foto: Museum Goslar ?? Das kostbare Evangeliar von Heinrich III.
Foto: Museum Goslar Das kostbare Evangeliar von Heinrich III.

Newspapers in German

Newspapers from Germany