Von Bauern, Richtern und Bestattern
Wie Mist zum Argument gegen ein Krematorium wird
»Wenn in Brögbern die erste Leiche brennt, brennt auch bald dein Hof!« Vier Jahre sind vergangen, seit einem Landwirt in Niedersachsen diese massive Drohung ins Haus flatterte. Anlass: Der Mann hatte ein Stück Land im 3000-Seelen-Ort Brögbern bei Lingen im Emsland für den Bau eines Krematoriums bereit gestellt. Für ein Projekt, das schon in der allerersten Planungsphase den Zorn zahlreicher Dorfbewohner entfesselte. Ob der seit 2013 schwelende Streit um den Plan nun durch eine verblüffende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg gegen die Verbrennungsanlage zur Ruhe kommt, ist noch nicht abzusehen. Nach Ansicht der Richter stehen Gerüche aus der Landwirtschaft dem Bau eines Krematoriums entgegen.
Rückblick: Als vor vier Jahren in Brögbern bekannt geworden war, zwei Investoren aus den Niederlanden wollten auf einem 200 Meter vom Wohngebiet entfernten Grundstück ein Krematorium für jährlich bis zu 1500 Einäscherungen errichten, regte sich sogleich lauter Unmut im Ort. Ruck, zuck fand sich eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben zusammen, protestierte: Es sei unklar, welche Schadstoffmengen aus dem Schornstein des Kremierungsofens in die Umwelt geblasen würden.
Besondere Sorge bereitet Quecksilber aus Amalgam-Zahnfüllungen von Verstorbenen. Wird dieser Schadstoff das Gemüse aus dem eigenen Garten oder Obst vom eigenen Baum beeinträchtigen und auch Feldfrüchte der nahen Landwirtschaft? Welche Gefahr besteht durch Quecksilber für Grundschule, Kita, Sportplätze?
Die Beteuerungen der Planer, das Krematorium werde durch »beste Technik« jeglichen Schadstoffausstoß vermeiden, betrachtete die Initiative mit Argwohn. Sie blieb bei ihrer Ablehnung, demonstrierte gegen die Anlage, distanzierte sich aber deutlich von den Schrieb jenes Anonymus, der dem Grundstückseigentümer nicht nur Feuer, sondern auch »körperlichen Schaden, auch für die Familie« angedroht hatte.
Zwei Mal lehnte der Brögberner Ortsrat den Bau einstimmig ab, doch die letzte Entscheidung lag bei der Stadt Lingen, zu der das Dorf gehört. Und die Stadt genehmigte den Bauantrag der Investoren und ebnete per Bebauungsplan auch den Weg. Wie aber könnte der Bau noch verhindert werden? So überlegten Brögberner Bürger, und: Was nutzt eine Klage wegen zu befürchtender Schadstoffe, wenn eine solche Belastung derzeit nicht nachgewiesen werden könnte?
Findigen Leuten fiel eine Lösung ein. Sie drehten das Belastungsproblem einfach um, klagten: Das Krematorium dürfe nicht gebaut werden, weil Trauernde, die im Abschiedsraum des Krematoriums durch »unzumutbare, hohe landwirtschaftliche Gerüche« aus der Nachbarschaft belästigt würden. Dies wollte das OVG zwar so nicht nachvollziehen. Aber: Die in einem künftigen Krematorium arbeitenden Beschäftigten seien dort durchaus den erwähnten Gerüchen aus der Landwirtschaft ausgesetzt. Das sei unzumutbar, entschieden die Richter, und deshalb sei der Bebauungsplan unwirksam. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht hat das OVG nicht zugelassen
Doch die Stadt Lingen will nicht aufgeben. Sie will den Bebauungsplan »nachbessern« und zu den »fraglichen Punkten« Gutachten einbringen, zitiert die »Lingener Tagespost« Stadtbaurat Lothar Schreinemacher. Der Plan müsste dann die politischen Gremien der Stadt erneut durchlaufen. »Vom Tisch« ist das Krematorium in Brögbern demnach trotz des OVGUrteils noch nicht.