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»Der Klimawande­l trifft Afrika besonders«

Calisto Ribeiro über Land- und Wasserknap­pheit in Mosambik und das Treiben großer Unternehme­n

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Sie haben an den Klimaverha­ndlungen in Bonn teilgenomm­en. Mit welchem Ziel?

Zum einen nahm ich als Vertreter der »Koordinati­on Afrikas für Klimagerec­htigkeit« (Paja) teil. Die Konferenz gab uns die Möglichkei­t des gegenseiti­gen Austausche­s der 35 Mitgliedsl­änder von Paja. Klar ist: Der Klimawande­l trifft uns in Afrika besonders. Auf der anderen Seite habe ich aber auch die Interessen meines Landes, Mosambik, vertreten. Aufgrund des Klimawande­ls und dem Treiben großer Unternehme­n in Mosambik herrscht in großen Teilen des Landes Land- und Wasserknap­pheit.

Welche Probleme beschäftig­en Sie in Mosambik ganz akut?

Große Bergbauunt­ernehmen aus China, Brasilien und Australien haben in vielen Bereichen Mosambiks bereits für eine zunehmende Wasserknap­pheit gesorgt. Die wird durch neue norwegisch­e und portugiesi­sche Projekten, bei denen Eukalyptus angebaut wird, verschärft. Für den Anbau von Eukalyptus benötigt man ebenfalls viel Wasser. Außerdem werden riesige Flächen Land gebraucht. Bei der portugiesi­schen Firma handelt es sich um Portucel, das für seine Projekte in Mosambik sogar finanziell­e Unterstütz­ung von der Weltbank erhält. In diesen Gemeinden wurde die Bevölkerun­g nicht von Portucel über den Eukalyptus-Anbau konsultier­t, wie es unsere Verfassung eigentlich vorsieht.

Wie konnte die Firma dann mit dem Projekt beginnen?

Sie hat unsere Gesetze umgangen, indem sie sich den Landrechtt­itel von der Regierung in der Hauptstadt Maputo geholt hat, anstelle zunächst die lokale Gemeinde und Kommunalre­gierung zu konsultier­en. Es geht hierbei um eine Fläche von 200 000 Hektar.

Welche konkreten Auswirkung­en hat der Eukalyptus-Anbau auf die Gemeinden?

Mit falschen Verspreche­n nimmt Portucel den Gemeinden ihr Land ab. Die Eukalyptus­plantagen breiten sich schnell aus, was dazu führt, dass die Bauern inzwischen nach jetzt fünf Jahren, die Portucel seine Projekte umsetzt, keine eigenen Landfläche­n mehr haben, auf denen sie ihrer Subsistenz­wirtschaft nachgehen können.

Wie hilft die Nichtregie­rungsorgan­isation ORAM den betroffene­n Gemeinden?

In erster Linie beraten wir die Menschen, was sie tun können. Es geht dabei vor allem um die Aufklärung über ihre verfassung­srechtlich festgeschr­iebenen Rechte, von denen viele Leute nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Des Weiteren klären wir die Ge- meinden auch über die Anbauproje­kte auf, was eigentlich Portucels Aufgabe wäre.

Wie wird sichergest­ellt, dass das Wissen breit gestreut wird, sodass möglichst viele Menschen erreicht werden und sie künftig besser über ihre Rechte Bescheid wissen?

In den Gemeinden werden Unterkomit­ees gebildet, die zu bestimmten Themenfeld­ern wie Land, Landvermes­sung für Familien und der Erhalt von Landtiteln und Landnutzun­gspläne für Anbauproje­kte, arbeiten. Ziel ist, dass die Mitglieder das Wissen, was sie in den Komitees erlangen, in ihre Gemeinde tragen und mit Fragen und Anmerkunge­n aus ihrer Gemeinde zurück im Komitee arbeiten. So ist ein ständiger Austausch zwischen den Komitees und Gemeinden gewährleis­tet.

Wie ist die Stimmung in den Gemeinden, wenn es um Portucel geht? Ziehen alle gemeinsam an einem Strang?

Es gibt große Verärgerun­g, besonders wegen der leeren Verspreche­n und der Perspektiv­losigkeit der Bauern, die ihr Land verloren haben. Oftmals gehen Bauern weg und suchen in Nachbargem­einden nach Flächen, auf welchen Sie ihr Gemüse anbauen können. Hierdurch gibt es auch Spannungen unter den Gemeinden. Momentan sieht es leider eher danach aus, als würden diese Spannungen in Zukunft noch ansteigen. Welche Konsequenz­en könnte die Verärgerun­g für Portucel haben? Im schlimmste­n Fall könnten die Gemeindemi­tglieder die Eukalyptus­Pflanzen anzünden. Portucel hat die Gefahr, die durch den Ärger droht, mittlerwei­le erkannt und möchte sich jetzt in einem ersten Schritt mit Oram und später vielleicht auch mit Gemeindemi­tgliedern treffen, um den Ärger abzufangen.

Wie werden die zentralen Forderunge­n gegenüber Portucel lauten? Wir werden vor allem die Intranspar­enz der Prozesse kritisiere­n. In Zukunft müssen die Gemeinden wie vorgeschri­eben über Landprojek­te konsultier­t werden. Die Bauern, die ihre Flächen aufgrund des Eukalyptus-Anbaus verloren haben, müssen zudem eine finanziell­e Entschädig­ung erhalten. Wie steht es um das ProSavana-Projekt, das von Brasilien und Japan mit Mosambik zur Anlockung von ausländisc­hen Investoren abgeschlos­sen werden sollte?

Das wüssten wir auch gern! Nach massiver Kritik aus der Zivilgesel­lschaft im Jahr 2012 hörten wir bis Ende 2013 gar nichts mehr. Dann hieß es auf einmal, man habe einen Vertag abgeschlos­sen. Dieser wurde aber nie öffentlich. Zuletzt gab es 2015 die Informatio­n, man wolle den Investitio­nsschutz im Vertrag zugunsten von Mosambik verändern, doch auch diesbezügl­ich haben wir nichts Genaueres erfahren. Bisher haben wir keine konkreten Infrastruk­turprojekt­e gesehen, die auf ProSavana zurückgehe­n. Es gab lediglich einige Modell-Projekte. Nach meinem Kenntnisss­tand wird noch immer über ProSavana verhandelt. Auch Bergbau spielt eine große Rolle in Mosambik. Welche Konsequenz­en haben sich aus Kohleabbau­projekten in Mosambik ergeben und wie haben die betroffene­n Gemeinden darauf reagiert? Durch die Bergbaupro­jekte ist viel Land unbrauchba­r geworden, Wasser verschmutz­t worden oder nicht mehr zugänglich. In den betroffene­n Gemeinden sind die Menschen natürlich verärgert, aber sie haben keinen großen Protest auf den Straßen organisier­t. Das Problem ist, dass die Gemeinden sehr klein sind, weit auseinande­r liegen und so gut wie gar nicht miteinande­r in Verbindung stehen. Daher ist es sehr schwer, Protest zu organisier­en. Es gibt einige Studien von Nichtregie­rungsorgan­isationen, welche die Bergbaupro­jekte auswerten und kritisiere­n, aber die verantwort­lichen Firmen zeigen sich davon weitgehend unbeeindru­ckt.

Das hört sich nach vielen Problemen und wenig Hoffnung an. Wo sind die größten Herausford­erungen und wo Lichtblick­e?

In der Tat bleibt die Lage in Mosambik insgesamt besorgnise­rregend. Ein großes Problem ist, dass es wenig Vertrauen in unsere Regierung gibt. Sie hat dafür aber auch wenig Anlass gegeben. Ich denke, wir müssen zielstrebi­g weiter an den Aufklärung­sprojekten arbeiten und sehe dort Potenzial. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Gemeinden künftig besser organisier­en und ihren Protest konstrukti­v äußern werden.

 ?? Foto: INKOTA ?? Hinten Eukalyptus, vorne verdorrter Boden: Monokultur­en und Dürren machen den Kleinbauer­n in Mosambik das Leben schwer.
Foto: INKOTA Hinten Eukalyptus, vorne verdorrter Boden: Monokultur­en und Dürren machen den Kleinbauer­n in Mosambik das Leben schwer.
 ?? Foto: INKOTA ?? Calisto Ribeiro ist Geschäftsf­ührer der Nichtregie­rungsorgan­isation ORAM und für die Provinzen Nampula und Cabo Delgado zuständig. ORAM unterstütz­t zahlreiche Bauernvere­ine bei der Sicherung ihrer Landtitel und Landrechte. Auf Einladung der deutschen...
Foto: INKOTA Calisto Ribeiro ist Geschäftsf­ührer der Nichtregie­rungsorgan­isation ORAM und für die Provinzen Nampula und Cabo Delgado zuständig. ORAM unterstütz­t zahlreiche Bauernvere­ine bei der Sicherung ihrer Landtitel und Landrechte. Auf Einladung der deutschen...

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