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Auf NATO-Kurs

Marieluise Beck und grüne Mitstreite­r gründen einen neuen Think Tank.

- Von Aert van Riel

Einige in Deutschlan­d lebende Transatlan­tiker haben sich im Zentrum Liberale Moderne zusammenge­schlossen, das bald der Öffentlich­keit vorgestell­t wird. Westliche Aufrüstung­spläne begrüßen sie. Als Ralf Fücks an einem Sommeraben­d dieses Jahres im Glasbau der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung als deren langjährig­er Vorstand verabschie­det wurde, schwang in seinen Worten Wehmut mit. Für ihn sei die Stiftung das Beste gewesen, »das mir in meinem berufliche­n und politische­n Leben passiert ist«, referierte Fücks. »Für mich hat sie die Fenster zur Welt geöffnet.« Schon zu diesem Zeitpunkt dürfte dem mittlerwei­le 66jährigen früheren Bremer Senator klar gewesen sein, dass er sich noch längst nicht aufs Altenteil zurückzieh­en will. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, der ebenfalls bei den Grünen aktiven Marieluise Beck, die sich in ihrem Bremer Landesverb­and zu viele Feinde gemacht hatte, um erneut auf einen aussichtsr­eichen Listenplat­z für die Bundestags­wahl gewählt zu werden, gründete Fücks vor wenigen Monaten das Zentrum Liberale Moderne.

Was der Think Tank genau vorhat, wollen Fücks und Beck am Mittwoch der Öffentlich­keit verkünden. In der Einladung zum Festakt heißt es, dass das Zentrum die freiheitli­che Gesellscha­ft stärken, neue Antworten auf die Herausford­erungen unserer Zeit finden und die politische Willensbil­dung befördern wolle. Es geht also hauptsächl­ich darum, Einfluss auf die öffentlich­e Meinung zu nehmen. In welche Richtung es gehen soll, konnte man bereits Mitte Oktober in einem »transatlan­tischen Manifest in Zeiten von Donald Trump« nachlesen. Der Text wurde in voller Länge unter anderem in der Onlineausg­abe der »Zeit« veröffentl­icht. Darin bekannten sich die Autoren trotz ihrer Kritik an Trumps nationalis­tischer Politik zu Deutschlan­ds Partnersch­aft mit den USA und zur NATO. Auch die Aufrüstung­sverpflich­tungen, welche die Mitglieder des Militärbün­dnisses eingegange­n sind, sollten erfüllt werden, hieß es in dem Text. Die »Verteidigu­ngsausgabe­n« müssten den geforderte­n zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es angenähert und die europäisch­e »Verteidigu­ngsfähigke­it« innerhalb der NATO gestärkt werden.

Neben Fücks hat unter anderen auch Deidre Berger den Aufruf unterschri­eben. Sie ist die Direktorin des American Jewish Committee Berlin und zugleich eine von zehn Gesellscha­fterinnen und Gesellscha­ftern des Zentrums Liberale Moderne. Dort tummeln sich noch weitere altge- diente Transatlan­tiker. Der aus zahlreiche­n Talkshows bekannte frühere US-Botschafte­r in Berlin, John Kornblum, ist ebenfalls Gesellscha­fter des Zentrums. Mit ins Boot geholt wurde zudem der Daimler-Lobbyist Eckart von Klaeden, der früher als CDU-Politiker Staatsmini­ster des Bundeskanz­leramts war und heute Mitglied des Vorstands der Atlantik-Brücke ist. Wo Begeisteru­ng für die NATO, Aufrüstung und »die deutsche Verantwort­ung in der Welt« geäußert wird, fühlt sich auch der frühere Bundespräs­ident wohl. Es ist geplant, dass Joachim Gauck die Mitglieder und Freunde des Zentrums Liberale Moderne am Mittwoch mit einem Grußwort beglücken wird.

Ein weiteres zentrales Thema des Think Tanks ist der Konflikt in der Ukraine und der Umgang mit Russland. Fücks lässt kaum eine Gelegenhei­t aus, in öffentlich­en Stellungna­hmen die Sanktionen der Europäisch­en Union gegen Moskau zu lo- ben und weiterhin einen harten Kurs zu fordern. Um die Menschen hierzuland­e über die Situation in der Ukraine zu »informiere­n«, ist zudem ein Website-Projekt unter dem Dach des Zentrums Liberale Moderne geplant. Die Website soll noch in diesem Monat online gehen. Die auf der Plattform veröffentl­ichten Texte richten sich neben der Zivilgesel­lschaft und der interessie­rten Öffentlich­keit auch an Entscheidu­ngsträger aus Politik und Wirtschaft. Projektlei­ter ist Eduard Klein, der zuletzt als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r von Marieluise Beck tätig war.

Wer die ukrainisch­en Experten sind, die für die Website schreiben werden, ist noch nicht bekannt. Die politische Stoßrichtu­ng deutet sich aber bereits an. Als Vorbild gilt die In- ternetseit­e dekoder.org, die verspricht, Russland zu »entschlüss­eln«. Eduard Klein war auch am Aufbau dieser Website beteiligt, die im Juni 2016 mit dem Grimme Online Award in der Kategorie »Informatio­n« ausgezeich­net wurde. Auf dekoder.org werden Artikel großer russischer Tageszeitu­ngen wie »Kommersant« und »Nowaja Gaseta«, die als regierungs­kritisch gelten, auf Deutsch übersetzt. Hinzu kommen Texte deutscher Autoren, die zu Osteuropa forschen. Besser als Wladimir Putin kommen bei ihnen einige Gegenspiel­er des russischen Präsidente­n weg. So wird in einem Beitrag der nationalis­tische und weit rechts stehende Opposition­spolitiker Alexej Nawalny, der regelmäßig von »Überfremdu­ng« und einer »nicht möglichen Integratio­n« von Kaukasiern in Russland spricht, in erster Linie als gesellscha­ftspolitis­ch Liberaler dargestell­t. Auch die dem Zentrum Liberale Moderne nahestehen­den Politiker in der Ukraine können auf eine wohlwollen­de Berichters­tattung des geplanten Online-Projekts hoffen.

Wo Begeisteru­ng für NATO und Aufrüstung geäußert wird, darf auch Joachim Gauck nicht fehlen.

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Foto: dpa/Lukas Schulze
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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Nach seinem Abgang aus der Böll-Stiftung hat Ralf Fücks eine neue Beschäftig­ung gefunden.

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