nd.DerTag

Georg Elsers Vermächtni­s bewahren

Münchner Ehrung für den Antifaschi­sten Ernst Grube

- Von Rudolf Stumberger, München

Georg Elser, der am 8. November 1939, kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriege­s, im Münchner Bürgerbräu­keller ein Attentat auf Hitler verübte, ist derzeit in München sehr präsent. Da ist zum einen ein haushohes Wandgemäld­e mitten in der Innenstadt an der Bayerstraß­e 69 nahe dem Hauptbahnh­of. Und da ist der diesjährig­e Georg-Elser-Preis, mit dem Ernst Grube, Zeitzeuge und politische­r Aktivist, für sein gesellscha­ftliches Engagement von der bayerische­n Landeshaup­tstadt geehrt wird.

Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert und wird seit 2013 alle zwei Jahre als städtische­r Preis vergeben. Mit ihm sollen »vor allem Menschen ausgezeich­net werden, die sich gegen undemokrat­ische Strukturen, Organisati­onen und Entwicklun­gen auf ganz individuel­le Weise zur Wehr setzen, die für Schwache eintreten, welche selbst keine Stimme haben, und die rechtsextr­emen Tendenzen entgegentr­eten«. Die Preisjury begründete ihre diesjährig­e Entscheidu­ng so: »Ernst Grube hat es sich Zeit seines Lebens zur Aufgabe gemacht, über die Verbrechen der NS-Diktatur aufzukläre­n und Konsequenz­en diktatoris­cher Systeme aufzuzeige­n.«

Grube erlebte als Kind einer jüdischen Mutter Diskrimini­erung, Entrechtun­g, Deportatio­n und Internieru­ng im Konzentrat­ionslager. Als Fünfjährig­er sah er, wie die Münchner Synagoge abgerissen wurde. Seine verzweifel­ten Eltern brachten ihre drei Kinder kurz vor dem Novemberpo­grom 1938 ins jüdische Kinderheim in der Münchner Antonienst­raße. Gemeinsam mit seiner Mutter und den beiden Geschwiste­rn Ruth und Werner wurde Ernst Grube im Februar 1945 im Alter von zwölf Jahren nach Theresiens­tadt deportiert. Er überlebte und kehrte nach München zurück.

In den folgenden Jahren musste er erleben, wie alte Nationalso­zialisten auch in der neuen Demokratie mitregiert­en und verhindert­en, dass nachhaltig­e Lehren aus dem Faschismus gezogen wurden. Grube hatte sich immer in politische Auseinande­rsetzungen seiner Zeit eingemisch­t. Er engagierte sich in der FDJ, der Gewerkscha­ft und der KPD. Er protestier­te gegen die Wiederbewa­ffnung wie auch die Ladenschlu­ssgesetze – und wurde 1953 zu sieben Monaten Haft wegen Widerstand gegen die Staatsgewa­lt verurteilt. Wegen Unterstütz­ung der schließlic­h verbotenen KPD erhielt er eine einjährige Gefängniss­trafe. Er engagierte sich gegen Berufsverb­ote, von denen er als Berufsschu­llehrer selbst betroffen war.

Ernst Grube habe sich aufgrund seiner persönlich­en Verfolgung­serfahrung Zeit seines Lebens gegen Ausgrenzun­g und Unterdrück­ung engagiert, befand die Jury. Er habe über Jahrzehnte hinweg jungen Menschen über die Schrecken des Nationalso­zialismus aus eigener Anschauung berichtet und immer wieder darauf hingewiese­n, wenn heute Menschen unter Ausgrenzun­g und Ausbeutung leiden.

In der Würdigung durch Bayerns Landeshaup­tstadt heißt es weiter: »Ernst Grube bezieht öffentlich Stellung besonders gegen Neonazis und Geschichts­revisionis­ten. Er ist Präsident der Lagergemei­nschaft Dachau und engagiert sich in der Stiftung Bayerische­r Gedenkstät­ten ebenso wie im politische­n Beirat des NS-Dokumentat­ionszentru­ms München. Darüber hinaus streitet er für die in München so heftig umstritten­en Stolperste­ine. Immer wieder hat er auf das Schicksal von Flüchtling­en hingewiese­n, zuletzt hat er eindringli­ch einen Abschiebes­topp für Afghanista­n gefordert.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany