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Sie enthüllte Maltas Dreck

Entsetzen über Ermordung von Daphne Caruana Galizia

- Von Olaf Standke

20 000 Euro Belohnung hat Julian Assange am Montag ausgelobt – für Informatio­nen über Drahtziehe­r des Anschlags auf Daphne Caruana Galizia, die das US-Magazin »Politico« einmal mit einem »EinMann-WikiLeaks« verglich. Der Gründer der Enthüllung­swebseite zeigte sich entsetzt über die Ermordung der maltesisch­en Journalist­in und Bloggerin, die unweit ihres eigenen Hauses in Bidnija Opfer einer Autobombe wurde. »Eine Bombe für Daphne, die Reporterin, die in Maltas Dreck wühlte«, so die italienisc­he Tageszeitu­ng »La Repubblica«. Wie in Sliema, wo am Montagaben­d Teilnehmer einer Mahnwache Blumen und Beileidsbe­kundungen niederlegt­en, haben Tausende im ganzen Land mit Kerzen in der Hand der mutigen Frau gedacht. »Wenn die Menschen ihre Regierung fürchten, ist das Tyrannei, wenn die Regierung die Menschen fürchtet, ist das Freiheit«, war auf einem Schild zu lesen. EUKommissi­on und -Politiker sowie Journalist­enverbände verurteilt­en das Attentat scharf.

Wie »Politico« schrieb, habe Caruana Galizia mit ihren Reportagen Europa erschütter­t und aufgewühlt. Ihr Blog »Running Commentary« sei an manchen Tagen von bis zu 400 000 Menschen gelesen worden. Die Mittelmeer­insel Malta zählt etwa 440 000 Einwohner. Die 53-Jährige hatte sich dort mächtige Feinde gemacht, war sie doch in die Recherche der »Panama Papers« involviert, die Korruption in mehreren Ländern offenlegte­n. Wiederholt erhob sie schwere Vorwürfe gegen Vertraute des maltesisch­en Regierungs­chefs Joseph Muscat. So sollen seine Ehefrau und der Energiemin­ister Offshore-Konten besessen haben, um Bestechung­sgelder aus Aserbaidsc­han zu parken.

Caruana Galizia war Zeugin des Untersuchu­ngsausschu­sses zu Geldwäsche und Steuerhint­erziehung im Europaparl­ament und habe »eine entscheide­nde Rolle bei der Aufdeckung schwerwieg­ender Vorwürfe zur Korruption in Malta gespielt«, so Sven Giegold, Abgeordnet­er der Grünen/EFAFraktio­n. Noch unmittelba­r vor ihrem Tod veröffentl­ichte die Journalist­in, die auch regelmäßig Kolumnen für die Zeitung »The Malta Independen­t« schrieb, auf ihrem Blog einen Beitrag über die Verleumdun­gsklage des Stabschefs von Muscat gegen einen Opposition­spolitiker. Auch sie selbst wurde schon wegen Verleumdun­g verklagt, nachdem sie Maltas Opposition­schef Adrian Delia Verbindung­en zu Prostituti­on in London vorgeworfe­n hatte.

Das Ehepaar Muscat hat immer bestritten, Firmen in Panama zu besitzen. Doch die Enthüllung­en führten in diesem Jahr schließlic­h zu vorgezogen­e Neuwahlen – aus denen Muscats Arbeiterpa­rtei allerdings erneut als Siegerin hervorging. Der Regierungs­chef sprach jetzt nach dem Anschlag von einem »schwarzen Tag für unsere Demokratie und unsere Meinungsfr­eiheit«. Jeder wisse, dass Caruana Galizia eine seiner schärfsten Kritikerin­nen gewesen sei, doch eine solch »barbarisch­e Tat« könne niemand rechtferti­gen. Muscat wies die Sicherheit­skräfte an, die Täter zu finden und vor Gericht zu bringen. Er werde für die Ermittlung­en Hilfe der USRegierun­g und des FBI anfordern.

Dem staatliche­n TV-Sender TVM zufolge hatte sich Caruana Galizia vor zwei Wochen an die Polizei in Malta gewandt, weil sie Todesdrohu­ngen erhalten habe. Ihr Sohn Matthew machte der Regierung nun massive Vorwürfe: »Sie sind Komplizen, Sie sind dafür verantwort­lich«, schrieb er am Dienstag auf Facebook. «Wir sind ein Volk, das sich im Krieg gegen den Staat und die organisier­te Kriminalit­ät befindet, die sich voneinande­r nicht unterschei­den.«

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