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Lieber Show als Historie

Chris Froomes Double geht in Madrid ein wenig unter

- Von Tom Mustroph, Madrid

Am Ende ließ der Radsportgo­tt Gnade walten. Wie entfesselt war Chris Froome die letzten Rampen des Alto de l’Angliru hinaufgefa­hren. Der Vorsprung des Ausreißers Alberto Contador schmolz von einer Minute auf eine halbe, dann auf 20 Sekunden. Am Ende aber blieben 17 Sekunden übrig. »Wir haben alles gegeben, aber Contador war einfach zu stark«, sagte Froome im Ziel – und beglückwün­schte den Spanier: »Eine gute Art, die Karriere zu beenden, vor eigenem Publikum mit einem Sieg auf dem Angliru.« In Zukunft hat Froome nun einen Rivalen weniger.

Echte Gegner hat Froome ohnehin nicht – zumindest keine aktuellen. Froome fährt gegen die Geschichte an. Gegen den legendären Eddy Merckx etwa, der tönte: »Er kann neben der Tour auch Vuelta und Giro gewinnen. Ein richtig großer Fahrer wird er aber nie.« Froome reagierte knapp: »Jeder hat da seine eigene Meinung.«

Wichtig war dem Briten, auf die Einmaligke­it seines Coups hinzuweise­n. Ja, das Double aus Tour und Vuelta in einem Jahr war schon Jacques Anquetil und Bernard Hinault geglückt. »Aber damals wurde die Vuelta noch im Frühjahr gefahren, und es lag mehr Zeit zwischen Vuelta und Tour. Jetzt war es nur ein Monat«, wies

»Das Triple ist möglich. Man muss es nur versuchen. Und gut vorbereite­n.« Nicolas Portal, Team Sky

Froome stolz auf seine Premiere hin: Der erste Double-Gewinner bei Tour und Vuelta in der modernen Ära. Das sei doch was.

Leicht hatte es Froome nicht. »Die Vuelta ist ein brutales Rennen, körperlich viel fordernder als die Tour«, meinte er. Man sah es ihm auch an. Am Angliru verlor er immer wieder das Hinterrad seines Helfers Wout Poels. Am Los Machucos hatte er ebenfalls Mühe hinter Kollege Mikel Nieve. Die Adjudanten Froomes waren zeitweise stärker als der Chef. Das ist man bei Sky aber gewohnt, seit einst Bradley Wiggins Kapitän war und Froome noch sein Edelhelfer.

An den Hierarchie­n wird diesmal aber nicht gerüttelt. Froome mag hier und da schwächer gewesen sein. Aber er hatte auch ein viel umfassende­res Programm als seine Helfer. Nicht nur drei Wochen lang auf Sieg fahren, sondern sechs – innerhalb von gut zehn Wochen insgesamt. »Zwei große Rundfahrte­n in einer Saison zu fahren, ist heute wirklich sehr schwierig. Von den Tourfahrer­n war hier am Ende nur noch Froome konkurrenz­fähig«, lobte Astanas Sportliche­r Leiter Alexandr Shefer.

Froome hielt auch die auf Distanz, die nach dem Giro d’Italia eine Pause eingelegt hatten: Vincenzo Nibali, der Zweiter wurde, oder den Gesamtdrit­ten Ilnur Sakarin. So war es der alte Kämpe Contador, der am ersten Berg der Rundfahrt zu viel zeit verlor, den Briten danach aber am härtesten forderte. Unter Spaniens Sportfans war Contador mit seinem Tageserfol­g am Angliru der große Mann. Froome, der Ergebnisge­schichte schrieb, fuhr nur im Schatten des Showmans. So ungerecht kann Radsport sein.

Der Brite plant derweil den nächsten Coup, Toursieg Nummer fünf soll im kommenden Jahr folgen. Und auch danach gehen ihm die Projekte nicht aus. »Das Triple ist möglich. In einer Saison Giro, Tour und Vuelta auf Sieg fahren. Man muss es nur versuchen. Und gut vorbereite­n«, meinte Skys Sportliche­r Leiter, Nicolas Portal. Dem Franzosen glänzten schon beim Gedanken daran die Augen vor Freude.

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