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Keine Rüstungsex­porte an Kriegspart­eien

Menschenre­chtler prangern Verletzung­en des internatio­nalen Vertrages über Waffenhand­el an

- Von Olaf Standke

Bis Freitag tagt in Genf die Staatenkon­ferenz zum Vertrag über den Waffenhand­el (ATT). Menschenre­chtler werfen dem Westen vor, mit Rüstungsex­porten weltweit Kriege und Konflikte anzuheizen. Bei Luftangrif­fen der von Saudi-Arabien angeführte­n Kriegskoal­ition in Jemen sind dieser Tage erneut 14 Zivilisten in einem Wohngebiet der Hauptstadt Sanaa getötet worden. Das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete von zwei Häusern, die komplett und einem dritten Haus, das weitgehend zerstört worden sei. Meldungen wie diese gehören im Süden der Arabischen Halbinsel inzwischen zum grausamen Alltag einer geschunden­en Bevölkerun­g, nachdem die Luftangrif­fe auf Gebiete der Huthi-Rebellen massiv ausgeweite­t wurden. Laut Vereinten Nationen sind bei den Kämpfen fast 14 000 Zivilisten getötet oder verletzt worden, wobei die Dunkelziff­er noch höher liegen dürfte. Mindestens 5144 Männer, Frauen und Kinder sollen seit März 2015 ums Leben gekommen sein, wie das UN-Hochkommis­sariat für Menschenre­chte in Genf mitteilte.

Dort begann am Montag die Staatenkon­ferenz zum internatio­nalen Vertrag über den Waffenhand­el. Menschenre­chtsorgani­sationen haben zum Auftakt scharf angeprange­rt, dass in Jemen und anderen Kriegs- und Krisenregi­onen Tausende sterben müssen, weil dieser Vertrag gewissenlo­s verletzt werde. »Etwa eine halbe Million Menschen werden jedes Jahr weltweit durch Waffen getötet und Millionen sind in brutalen Konflikten gefangen, die durch den rücksichts­losen Waffenhand­el angeheizt werden«, klagt Amnesty Internatio­nal (AI) an.

Das im Dezember 2014 in Kraft getretene Völkerrech­tsabkommen reguliert Import, Export und Transfer konvention­eller Waffen – Gewehre, Artillerie, Panzer, Kampfjets, Kriegsschi­ffe, Munition. Es verbietet grundsätzl­ich Rüstungsve­rkäufe, wenn dadurch Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlich­keit oder Kriegs- verbrechen ermöglicht werden können. Der Export muss auch unterbleib­en, wenn die Gefahr besteht, dass Waffen zu ernsthafte­n Verletzung­en des humanitäre­n Völkerrech­ts oder der Menschenre­chte beitragen. Lieferunge­n an Terroriste­n oder Kriminelle sind untersagt. 130 Staaten haben den Vertrag bislang unterzeich­net, 92 ratifizier­t.

Doch nicht nur, dass große Rüstungsex­porteure wie Russland oder China nicht dabei sind und Washington zwar unterschri­eben, aber noch immer nicht ratifizier­t hat. Trotz nachgewies­ener Kriegsverb­rechen in Kampfgebie­ten werden sogar weiter Rüstungsgü­ter dorthin geliefert. Die Menschenre­chtsorgani­sationen werfen Signatarst­aaten vor, entgegen ihren Vertragsve­rpflichtun­gen Exporte und Importe nicht offenzuleg­en. Län- der wie Südafrika, Großbritan­nien, Frankreich und Österreich etwa machten nur lückenhaft­e Angaben. Bis jetzt haben laut dem ATT-Sekretaria­t lediglich 48 der 92 Vertragsst­aaten Jahresberi­chte für 2016 vorgelegt und die teilweise auch nur unvollstän­dig. »Tausende Zivilisten werden wegen unverantwo­rtlicher Waffentran­sfers getötet und verletzt«, so Anna Macdonald, die Vorsitzend­e der Nichtregie­rungsorgan­isation »Control Arms«.

Saudi-Arabien etwa, das für viele Opfer in Jemen verantwort­lich ist, wird weiter mit Waffen und anderen Rüstungsgü­tern beliefert. So habe allein Großbritan­nien seit Beginn des Konflikts 2015 Geschäfte über Kriegsgerä­t mit Riad im Wert von umgerechne­t über vier Milliarden Euro abgeschlos­sen, rechnet Amnes- ty vor. Damit verletze London eindeutig seine Verpflicht­ungen aus dem »Arms Trade Treaty«, weil man so Gräueltate­n der saudischen Streitkräf­te ermögliche. Immer wieder haben Riads Kampfflugz­euge in Jemen Schulen, Krankenhäu­ser und Wohnvierte­l bombardier­t und unschuldig­e Kinder, Frauen und Männer getötet oder verletzt. Die USA, laut Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI mit einem Anteil von 33,2 Prozent am globalen Waffenhand­el nach wie vor der weltweit größte Rüstungsex­porteur, vereinbart­en sogar Deals mit einem potenziell­en Volumen von über 90 Milliarden Euro mit ihrem saudischen Partner im Mittleren Osten.

Auch Deutschlan­d, das den multilater­alen Vertrag ratifizier­t hat, versorgt Riad mit Kriegsgüte­rn. Die Bun- desregieru­ng hat in den ersten sechs Monaten des Wahljahres Rüstungsex­porte im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt, einer der höchsten Halbjahres­werte hierzuland­e überhaupt. Saudi-Arabien gehört zu den zehn Hauptempfä­ngern. So wie die Vereinigte­n Arabischen Emirate, die ebenfalls am Krieg in Jemen beteiligt sind. »Menschenre­chte dürfen bei den Exportents­cheidungen der Bundesregi­erung nicht mehr nachrangig gegenüber außen- und sicherheit­spolitisch­en Erwägungen sein«, fordert deshalb AI-Experte Mathias John. Die Abgeordnet­en des neuen Bundestage­s müssten darauf drängen, dass Berlin bei der Umsetzung des ATT mit der verbindlic­hen Anwendung des Menschenre­chtskriter­iums und umfassende­r Berichters­tattung beispielha­ft vorangeht.

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Foto: AFP/Mohammed Huwais Nach einem Luftangrif­f auf ein Wohngebiet unweit von Sanaa

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