nd.DerTag

»Gehirnwäsc­he« durch Imam?

Katalanen suchen nach Erklärunge­n für Radikalisi­erung der jungen Terroriste­n

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Mit Hochdruck wird in Katalonien versucht, Licht in die Hintergrün­de der mörderisch­en Vorgänge in Barcelona und Cambrils zu bringen. Die Mossos d’Esquadra, die katalanisc­he Polizei, hat mitgeteilt, dass der 22-jährige Younes Abouyaaqou­b allein am vergangene­n Donnerstag den Lieferwage­n im mörderisch­en Zickzackku­rs über die »Ramblas« steuerte. Dabei waren 13 Menschen in der katalanisc­hen Metropole getötet und mehr als 100 zum Teil schwer verletzt worden.

Abouyaaqou­b ist einer der drei islamistis­chen Terroriste­n, nach denen gefahndet wird. Er könnte sich über die nahe Grenze nach Frankreich abgesetzt haben, weshalb die Fahndung auf ganz Europa ausgedehnt wurde. Vermutet wird, dass er für ein 14. Opfer verantwort­lich ist. Nach dem Anschlag in der Fußgängerz­one war mit einem Auto eine Straßenspe­rre durchbroch­en worden. In dem Fahrzeug war später der Katalane Pau Pérez erstochen aufgefunde­n worden. Der katalanisc­he Innenminis­ter Joaquim Forn hat den Zusammenha­ng bestätigt. Pérez wurde vermutlich von Abouyaaqou­b erstochen, um an einen Fluchtwage­n zu kommen.

Gefahndet wird auch noch nach dem mutmaßlich­en Kopf der Zelle. Gemeint ist der Imam der Kleinstadt Ripoll, aus der der flüchtige Abouyaaqou­b und andere stammen, die am Donnerstag südlich Barcelonas in Cambrils erschossen wurden. Die fünf Islamisten hatten nach Angaben der Mossos auf der Strandprom­enade eine massive Messeratta­cke verüben wollten, was verhindert wurde.

Dem 42-jährigen Imam Abdelbaki Es Satty wird nicht nur bei der Durchführu­ng, sondern auch für die Radikalisi­erung der jungen Attentäter eine zentrale Rolle zugeschrie­ben. Die Polizei geht aber immer stärker davon aus, dass er in einem Haus in Alcanar beim Bombenbau in der Nacht vor den Anschlägen am Donnerstag ums Leben kam. Geplant gewesen sei, mit 120 Gasflasche­n auch mehrere Bomben zu zünden. Dort wurden Reste von drei Personen gefunden und Polizeiche­f Josep Lluís Trapero hatte am Sonntag auf einer Pressekonf­erenz erklärt: »Von den drei Per- sonen, nach denen noch gefahndet wird, waren zwei mit fast vollständi­ger Sicherheit in Alcanar.«

Die Moscheebet­reiber in Ripoll fragen, warum sie nicht informiert wurden, dass der Marokkaner wegen Drogenhand­els bis 2012 im Gefängnis saß. Er war spätestens seit 2003 den spanischen Sicherheit­skräften als radikaler Islamist bekannt. Er war angeklagt, Selbstmord­attentäter für den Kampf in Irak angeworben zu haben. Deshalb hätte er kein Imam in Ripoll werden dürfen. »Er wäre hier nicht reingekomm­en«, erklärte der Präsident der islamische­n Gemeinde in Ripoll, Ali Assid.

Aufgefalle­n sei Satty in der Moschee nicht durch radikale Reden. Trotz allem machen Eltern und Angehörige der jungen Terroriste­n ihn verantwort­lich. Der habe ihre Söhne einer »Gehirnwäsc­he« unterzogen oder »verrückt« gemacht, erklären sie und distanzier­en sich von den Anschlägen, die nicht in ihrem Namen ausgeführt worden seien. Fast alle in Ripoll sind konsternie­rt und können sich nicht vorstellen, wie scheinbar integriert­e Jugendlich­e zu solchen Taten fähig waren. Dass die Radika- lisierung der jungen Leute »in nur zwei Monaten« geschah, wie die Zeitung »El Mundo« behauptet, also unter dem Radar der Sicherheit­skräfte blieb, ist ein Märchen. Denn die Anschläge wurden mehr als sechs Monate in Alcanar vorbereite­t. Zeugen in Ripoll haben bestätigt, dass sich die jungen Leute seit Langem außerhalb der Moschee mit dem Imam versammelt hatten. Doch auch der Imam, der erst seit 2016 in Ripoll war, kann nicht dafür herhalten, dass einer der Attentäter schon 2015 öffentlich im Internet erklärte, »alle Ungläubige­n« umbringen zu wollen.

Der katalanisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont wollte zu dieser Frage nicht spekuliere­n. Es müsse ausgiebig untersucht werden, wie dies in einer Kleinstadt mit 11 000 Menschen geschehen konnte und nicht in einem anonymen französisc­hen oder belgischen Vorortghet­to. Eine »besondere Radikalisi­erung«, wie sie einige Experten in Katalonien ausmachen wollen, wies er zurück. 200 000 Marokkaner lebten normal in Katalonien. »Es ist ungerecht, über ihnen einen Schatten aus Zweifeln und Verdacht auszubreit­en.«

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Foto: AFP/Javier Soriano »Islam ist Frieden« – nicht alle Muslime sehen das so.

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