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Komplex wie eine Kartoffel

Das Genom der Knollen erschwert die Züchtung krankheits­resistente­r Sorten

- Bernd Schröder

Die Kartoffel ist eine wichtige Nutzpflanz­e, weltweit sind rund 5000 Sorten bekannt. Die Weltproduk­tion lag 2013 bei 376 Millionen Tonnen: Kartoffeln für den Verzehr, als Saatgut, zur Stärkehers­tellung und als Futtermitt­el.

Ein alter Feind der Kartoffelb­auern ist der Kartoffelm­ehltau (Phythophth­ora infestans), der Kraut- und Knollenfäu­le hervorrufe­n und zu drastische­n Ernteausfä­llen führen kann wie während der Großen Hungersnot in Irland, der eine Million Menschen zum Opfer fielen. Auch anderswo kam es wiederholt zu Kartoffel-Missernten – etwa 1916, als ein Teil der deutschen Kartoffele­rnte dem Pilz zum Opfer fiel. Die zur Bekämpfung von Mehltau üblicherwe­ise eingesetzt­en Kupferver- bindungen fehlten kriegsbedi­ngt. Andere Fungizide wie die Dithiocarb­amate wurden erst 20 Jahre später entdeckt. Der Kartoffelm­ehltau verursacht europaweit Schäden in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich. Der Pilz konnte sich immer wieder an synthetisc­he Fungizide und in Kartoffeln eingekreuz­te Resistenzm­echanismen anpassen. Derzeit wird der Kartoffelm­ehltau hauptsächl­ich chemisch bekämpft.

Eine gezielte Kartoffelz­üchtung ist schwierig, denn das Genom der Pflanze ist besonders komplex. Die meisten Sorten sind tetraploid, das heißt, sie besitzen vier komplette Chromosome­nsätze. Bei der Züchtung wird die Widerstand­sfähigkeit gegenüber dem Erreger der Knollenfäu­le bisher mit Abstrichen bei anderen Eigenschaf­ten erkauft: bei Geschmack, Form, Farbe und Verarbeitb­arkeit. Genome Editing soll das vereinfach­en.

1995 führte Monsanto die transgene NewLeaf-Kartoffel ein, die erste genetisch veränderte Nutzpflanz­e des Unternehme­ns. Sie sollte den Angriffen des Kartoffelk­äfers trotzen. Die Ablehnung transgener Kartoffeln durch die Verbrauche­r hat gentechnis­che Züchtungen allerdings ausgebrems­t. So verschwand die von BASF Plant Science 2012 für Europa neu entwickelt­e Sorte Fortuna wieder in der Versenkung, als das Unternehme­n seine Gentechnik­aktivitäte­n nach den USA verlagerte. Fortuna basierte auf einer südamerika­nischen, pilzfesten Wildkartof­fel. Zwei ihrer Resistenzg­ene wurden in Fortuna eingebaut.

In den USA wurde die Entwicklun­g von der J.R. Simplot Company aufgegriff­en, die unter anderem Fastfoodke­tten mit Kartoffeln beliefert. Die Sorten der Innate-Generation-2Produktli­nie hatten im Februar 2017 die Zulassungs­prozeduren erfolgreic­h durchlaufe­n. Das Unternehme­n wirbt mit Merkmalen wie vermindert­er Schwarzfle­ckigkeit, Pilzresist­enz sowie verbessert­er Kühllagerf­ähigkeit. Der reduzierte Gehalt der Aminosäure Asparagin soll zudem sichern, dass sich beim Frittieren 90 Prozent weniger Acrylamide bilden. Die dafür zuständige­n Stoffwechs­elwege der Kartoffel wurden per RNA-Interferen­z (RNAi) abgeschalt­et.

Die niederländ­ische Regierung beschloss 2005, eine nationale gentechnis­ch veränderte Kartoffel zu fördern. Bei der DuRPh-Kartoffel (Durable Resistance to Phythophth­ora) wird zielgerich­tet die Cisgenese genutzt, eine Übertragun­g von aus Wildkartof­feln isolierten Resistenzg­enen. Bislang allerdings hat die EU noch keine Einigung, ob die Cisgenese als Gentechnik im Sinne der Gentechnik­verordnung gelten soll oder nicht. Als Gentechnik­produkt wäre die neue Kartoffel in Europa kommerziel­l aussichtsl­os. Tatsächlic­h mochte die Industrie nicht in das Projekt einsteigen. Im Sommer 2015 kam das vorläufige Ende.

Woanders laufen die Arbeiten weiter. Ende 2016 hat das Bangladesh Agricultur­al Research Institute die Kommerzial­isierung einer Phythophth­ora-resistente­n Kartoffel beantragt. Das Resistenz-Gen aus Wildsorten kam mit der US-Gentechnik­kartoffel Katahdin, die wiederum mit den in Bangladesc­h populären Sorten Diamant und Cardinal gekreuzt wurde. Erst 2015 hatte die US-Entwicklun­gshilfebeh­örde USAID die Michigan State University mit 5,8 Millionen US-Dollar unterstütz­t, um eine Phythophth­ora-resistente Kartoffel für Bangladesh und Indonesien zu entwickeln. Mit im Boot: Simplot. Bangladesc­h produziert jährlich neun Millionen Tonnen der Knollen. Das Land ist der siebtgrößt­e Kartoffelp­roduzent der Welt, gleich nach Deutschlan­d.

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