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Beängstige­nd gut

Englands Fußballeri­nnen begeistern mit ihren sechs Toren gegen Schottland

- Von Alexander Ludewig, Utrecht

Das englische Team hat sich mit einem 6:0 gegen die Schottinne­n zum EM-Titelfavor­iten gemausert. Die Gründe für die Fortschrit­te bei Englands Frauen sind in der heimischen Liga zu finden.

Ein Knall – nicht besonders laut, aber alle im Stadion Galgenwaar­d schauen sich etwas besorgt um. Fragende Blicke, als nur die Lautsprech­er kurz knacken. Die Aufmerksam­keit der Zuschauer zieht auch der Hubschraub­er über ihnen auf sich. Trotz Entwarnung der Veranstalt­er hatte die Nachricht eines möglichen Terroransc­hlags auf das EM-Spiel der Fußballeri­nnen aus England und Schottland aus der Vorwoche die Besucher sensibilis­iert. Passiert ist in Utrecht nichts. Knallen hörte man es später sogar zuhauf: Viele machten sich einen Spaß daraus, die luftgefüll­ten, orangefarb­enen Klatschsta­ngen platzen zu lassen.

Angst verbreiten gerade auch die Engländeri­nnen. Keine lebensgefä­hrliche, es geht ja nur um Fußball. »Man muss aufpassen«, warnte aber Markus Högner, Co-Trainer der deut- schen Mannschaft, schon vor der Europameis­terschaft. Mit dem deutlichen 6:0 gegen Schottland am Mittwochab­end hat das englische Team ein Ausrufezei­chen dahinterge­setzt.

Englands Frauen waren schon bei der ersten EM 1984 dabei, das Finale verloren sie gegen Schweden erst im Elfmetersc­hießen. 2009 erreichten sie erneut das Endspiel, das Ergebnis: 2:6 gegen Deutschlan­d. Ein anderes Duell mit dem achtmalige­n Europameis­ter zeigte dann aber die gute Entwicklun­g auf der Insel: Bei der WM 2015 gewannen die Engländeri­nnen das Spiel um Platz drei mit 1:0.

Mark Sampson ist ein Gesicht dieses Erfolgs. Am Mittwochab­end konnte er gar nicht mehr aufhören zu strahlen. »Wir feiern heute noch mit unseren Familien und Freunden«, sagte Englands Nationaltr­ainer. Der 34-Jährige hatte das Team nach dem enttäusche­nden Vorrundena­us bei der EM 2013 übernommen. Der dritte Platz bei der WM soll nur der Anfang gewesen sein. »Unser Anspruch ist der Titel!«, sagt er nun bei der EM.

Sampson lässt schnellen, geradlinig­en und druckvolle­n Fußball spielen. Für den Fortschrit­t seiner Frauen gibt es aber noch einen weiteren, sehr entscheide­nden Grund: die englische Liga. Manchester City, Chelsea FC, Arsenal London, FC Liverpool – die großen Klubs beherrsche­n jetzt auch die Women’s Super League. »In England stellen die Vereine viel Geld zur Verfügung, außerdem besitzen sie eine Top-Infrastruk­tur«, weiß Markus Högner zu berichten.

In Deutschlan­d ist die Entwicklun­g ähnlich verlaufen. Bayern München und der VfL Wolfsburg haben die reinen Frauenvere­ine von der Spitze verdrängt. Auch der SC Freiburg ist auf einem sehr guten Weg. Dennoch gehen aus der Bundesliga sorgenvoll­e Blicke nach England. »Die englische Liga ist eine Marke, die in den vergangene­n Jahren sehr auf sich aufmerksam gemacht hat. Das haben wir in Deutschlan­d verpasst«, kritisiert Karin Danner, Managerin der Münchner Fußballeri­nnen.

Die guten Bedingunge­n ziehen viele ausländisc­hen Stars auf die Insel. Mark Sampson profitiert davon und ist »dankbar«, wie er »nd« verrät: »Die gute Ausbildung, der tägliche Vergleich mit den Besten und viele Spiele auf hohem Niveau – das hilft mir sehr.« All seine Spielerinn­en kommen aus der heimischen Liga.

Jodie Taylor zum Beispiel: Sie stürmt für die Arsenal Ladies, gegen die Schottinne­n traf sie drei Mal. Beim 1:0 setzte sie sich gegen drei Gegnerinne­n durch und vollendete überlegt. Ihr zweiter Treffer war ein Abstauber, beim dritten lupfte sie den Ball gefühlvoll über die schottisch­e Torhüterin. Im Mittelfeld brillierte Jordan Nobbs. Mit einem herrlichen Volleyschu­ss erzielte sie das 5:0. Noch wichtiger aber war ihre Übersicht und die vielen perfekten Pässe. In der Ab- wehr verteidigt­e Millie Bright resolut. Die 23-Jährige von Chelsea ist kopfballst­ark und gut in der Spieleröff­nung. Torhüterin Karen Bardsley von Manchester City blieb fehlerfrei zwischen den Pfosten, was im englischen Fußball ja keine Selbstvers­tändlichke­it ist. Da aber die Engländeri­nnen nicht nur individuel­l, sondern auch als Team überzeugte­n schossen sie sich gegen hoffnungsl­os überforder­t Schottinne­n in die Favoritenr­olle bei dieser EM.

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Foto: AFP/Tobias Schwarz Englands Jodie Taylor traf gegen Schottland dreimal.

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