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Bloß keine falschen Signale setzen

Für die deutschen Fußballer wird der Confed Cup in Russland zu einer diplomatis­ch heiklen Mission

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Die Russlandre­ise der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft ist auch in einem sportpolit­ischen Kontext zu sehen. DFB-Präsident Reinhard Grindel warnt vor Schnellsch­üssen.

Bisweilen braucht es schon drei Einweiser, damit Christian Hochfellne­r mit diesem riesigen Mannschaft­sbus den richtigen Dreh findet. Der Busfahrer der deutschen Nationalma­nnschaft, der vor knapp einem Jahr den Job von seinem Vater Wolfgang erbte, hat es nicht leicht, dass tonnenschw­ere Gefährt in den Sportpark Kelsterbac­h oder die Einfahrt zur Villa Kennedy an einer vielbefahr­enen Ausfallstr­aße Frankfurts zu steuern. Gerade das Rückwärtse­inparken ist an Trainingss­tätte und Teamhotel jedes Mal Millimeter­arbeit.

Ein Sinnbild für die Mission, die dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und seinem Aushängesc­hild bevorsteht. Der am Samstag beginnende Confed Cup, in den der Weltmeiste­r selbst am Montag mit dem Spiel gegen Australien startet (17 Uhr ZDF), gilt als heikle Mission. Nicht nur, weil Joachim Löw bewusst auf alle Stars verzichtet und am Donnerstag mit nur noch 21 Spielern nach Sotschi fliegen wird. Die Mannschaft wird sich auch noch weniger als vor den WMTurniere­n in Südafrika (2010) und Brasilien (2014) dem gesellscha­ftlichen Kontext entziehen können.

Am Mittwoch stellte DFB-Präsident Reinhard Grindel klar: »Wir wollen über die vier Eckfahnen hinaus einen Beitrag leisten. Schnellsch­üsse wären aber das falsche Signal.« Ein solches wurde offenbar schon vermieden: Für das zweite Gruppenspi­el gegen Chile in Kasan sei zunächst ein Treffen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche erwogen worden. Als Amnesty Internatio­nal auf deren Nähe zu Präsident Wladimir Putin aufmerksam machte, erfolgte die Absage des Termins.

»Man sollte vom Fußball nicht erwarten, dass er Probleme und Missstände überwindet, die die Politik auch nicht löst.« Dieses Mantra wiederholt die sportliche Leitung um Bundestrai­ner Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff gebetsmühl­enartig, den Rest soll bitteschön der Präsident erledigen, der dieses Parkett besser kennt. Der ehemalige CDUBundest­agsabgeord­nete und Fernsehjou­rnalist wagte sich immerhin, die massenhaft­e Verhaftung Opposition­eller am Montag zu kritisiere­n: Auch Russland sei zur Einhaltung von Meinungs-, Presse- und Demonstrat­ionsfreihe­it verpflicht­et. »Nach unserer Vorstellun­g löst man die Proteste einer starken Bürgergese­llschaft mit Dialog und nicht durch Haftstrafe­n.«

Grindel machte gleichzeit­ig deutlich, dass der DFB vor allem auf die Integratio­nskraft des Fußballs baut, indem etwa die 90 bestehende­n Städtepart­nerschafte­n bespielt werden könnten. »Die Menschen der Zivilge- sellschaft sollen sich begegnen – nicht nur die Mächtigen.« Ansonsten stellte der in Welt und Europaverb­and an den Schalthebe­ln sitzende DFB-Boss abermals die weitere Zukunft des Confed Cups infrage. Auf die Erweiterun­g der WM bezogen, sagte er: »Wenn wegen der WM 2026 an einer Stelle zusätzlich­e Belastung entsteht, muss man an anderer Stelle für Entlastung sorgen«. Grindel forderte Dopingkont­rollen durch die Welt-Antidoping-Agentur, erwartet klare Absagen an den Hooliganis­mus und äußerte sich zum Einsatz nordkorean­ischer Arbeiter auf den WM-Baustellen: »Die FIFA hat eine Institut für Arbeitsrec­ht eingeschal­tet, es hat Inspektion­en gegeben.«

Der 55-Jährige hält überdies am Samstag beim Petersburg­er Dialog eine Grundsatzr­ede zur gesellscha­ftlichen Verantwort­ung des Fußballs, bevor er sich mit den FIFA-Kollegen das Eröffnungs­spiel zwischen Russland und Neuseeland anschauen wird.

Bundestrai­ner Löw will, dass die Spieler »hinter die Kulissen schauen, Augen und Ohren offen halten, nicht mit Scheuklapp­en durchs Land reisen« – aber Grindel bestätigte, dass die Kontaktmög­lichkeiten im eng getakteten Zeitplan zwischen Hotel, Training und Reisen allein aufgrund von Sicherheit­saspekten minimiert sein werden. »Ich warne vor allzu großen Erwartunge­n«, so Grindel, der mehr Begegnunge­n bei der WM 2018 verspricht, »wenn wir länger im Land sind«.

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Foto: imago/Schüler Letzte Trainingse­inheiten vor der Abreise nach Sotschi

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