nd.DerTag

Linke wollen Rassisten blockieren

Proteste gegen Aufmarsch am 17. Juni / Verfahren gegen »Identitäre« häufig eingestell­t

- Von Martin Kröger http://berlin-gegen-nazis.de/

Europaweit mobilisier­t die »Identitäre Bewegung«, um den Jahrestag des 17. Juni 1953 politisch zu instrument­alisieren. Strafrecht­liche Konsequenz­en haben die Aktionen der Rechtsextr­emen häufig nicht.

Mit insgesamt drei Demonstrat­ionen wollen linke Gruppen gegen einen Aufmarsch der »Identitäre­n Bewegung« am kommenden Samstag in der Hauptstadt protestier­en. »Wir rufen alle Berliner dazu auf, ein klares Zeichen gegen die Identitäre­n zu setzen und zu sagen: Nein! Berlin ist besser ohne Nazis; das rechte Gedankengu­t der Identitäre­n hat hier keinen Platz«, sagte Aaron Bruckmille­r vom Bündnis gegen Rechts. Einige linke Organisati­onen planen auch, den Aufmarsch der Rechten zu blockieren, die von Gesundbrun­nen bis zum Hauptbahnh­of ziehen wollen. Die Strecke der »Identitäre­n« wurde offiziell noch nicht bekanntgeg­eben.

Auffällig sind die zahlreiche­n Propaganda-Aktivitäte­n der sogenannte­n Identitäre­n Bewegung im Vorfeld. An einigen S-Bahnhöfen, wie in Karow, wurde großflächi­g plakatiert. Sogar an der Freien Universitä­t (FU) tauchten in den vergangene­n Tagen Druckerzeu­gnisse der Rechtsextr­emen auf. Der AStA der FU verurteilt­e den Versuch der »Identitäre­n Bewe- gung«, die Hochschule für rassistisc­he Propaganda zu missbrauch­en, auf das Schärfste. »Die Plakatiera­ktion am AStA-Gebäude werten wir als einen Angriff auf die verfasste Studierend­enschaft«, sagte der Referent für Hochschulp­olitik, Robert Jung.

Wie viele Rechtsextr­eme in Berlin und Europa dem Aufruf folgen werden, ist unterdesse­n schwer einzuschät­zen. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextr­emismus Berlin (MBR) geht von einer Zahl im »mittleren bis höheren dreistelli­gen Bereich« aus. Zuletzt war die »Identitäre Bewegung« in der Hauptstadt durch Aktionen vor Parteizent­ralen, dem Brandenbur­ger Tor sowie vor dem Bundesmini­sterium für Justiz aufgefalle­n.

Strafrecht­liche Konsequenz­en hatten die spontanen Aufmärsche für die beteiligte­n Rechtsextr­emisten indes kaum. Das geht aus zwei bislang nicht veröffentl­ichten Antworten der Senatsinne­nverwaltun­g auf Schriftlic­he Anfragen der Abgeordnet­en Anne Helm und Niklas Schrader (LINKE) hervor, die »neues deutschlan­d« vorab vorliegen. Demnach wurden etwa zu der Aktion am Brandenbur­ger Tor am 27. August 2016 zwei Verfahren gegen Beschuldig­te wegen des Verdachts des Landfriede­nsbruchs beziehungs­weise wegen des Verdachts der Nötigung eingestell­t. Lediglich gegen einen weiteren Beschuldig­ten dauern die Ermittlung­en wegen des Verdachts des Hausfriede­nsbruchs an.

Auch zwei Verfahren im Zusammenha­ng mit einer Aktion vor der Bundeszent­rale der CDU am 21. Dezember 2016 haben für die Beschuldig­ten keine Konsequenz­en. Die beiden zu diesem Vorgang von der Berliner Staatsanwa­ltschaft geführten Ermittlung­sverfahren wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte und des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlun­gsgesetz wurden ebenfalls inzwischen eingestell­t.

Abzuwarten bleibt, wie die Strafverfo­lgungsbehö­rden mit der gescheiter­ten Besetzung des Bundesjust­izminister­iums am 19. Mai dieses Jahres umgehen. Nach nd-Informatio­nen sind dazu (Stand Ende Mai) 29 Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts des Gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr und der gefährlich­en Körperverl­etzung, des Verdachts eines Verstoßes gegen das Versammlun­gsgesetz und des Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstof­fgesetz sowie 26 Verfahren wegen des Verdachts des Widerstand­es gegen Vollstreck­ungsbeamte eingeleite­t worden.

»Wir erwarten, dass die Ermittlung­sbehörden bei dieser Gruppierun­g mit allem nötigen Ernst herangehen. Die Identitäre­n sind kein patriotisc­her Spaßverein. Sie ist eine zutiefst rassistisc­he Organisati­on mit zahlreiche­n Verbindung­en sowohl in die AfD als auch in die militante Neonazisze­ne. Die Aktion am Justizmini­sterium zeigt, dass sie mitunter auch vor Gewalt nicht zurückschr­ecken«, erklären die Abgeordnet­en Niklas Schrader und Anne Helm.

Vom Verfassung­sschutz in Berlin wird die rechtsextr­eme Gruppierun­g, die einst in Frankreich entstand, seit längerem beobachtet. Berlins Verfassung­sschutzche­f Bernd Palenda begründete die Beobachtun­g der mittlerwei­le über 30 »Identitäre­n« in Berlin vor kurzem im Verfassung­sschutzaus­schuss des Abgeordnet­enhauses damit, dass der Nachrichte­ndienst als »Frühwarnsy­stem« agieren müsse. Durch die Aktionen der Rechten solle die Aufmerksam­keit junger Menschen erregt werden sowie ein breites bundesweit­es Netzwerk gebildet werden.

Die Überschnei­dungen der »Identitäre­n Bewegung« reichen trotz eines Unvereinba­rkeitsbesc­hlusses bis in die Reihen der AfD. Dies zeigte jüngst nicht nur ein gemeinsame­s Grillfest, sondern zuletzt auch der Fall des ehemaligen Schatzmeis­ters der Jugendorga­nisation der AfD, »Junge Alternativ­e«, Jannik Brämer. Der soll bei der Aktion vor dem Bundesjust­izminister­ium beinahe einen Zivilpoliz­isten überfahren haben.

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Foto: imago/Markus Heine Bereits im vergangene­n Jahr marschiert­e die »Identitäre Bewegung« am 17. Juni in Berlin auf.

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