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Thai Xhi im Wiesenlaby­rinth

Die Kulturelle Landpartie im Wendland hat viel zu bieten – auch eine »Widerstand­s-Party«

- Von Reimar Paul

Die Kulturelle Landpartie im Wendland geht auf die Proteste der Bevölkerun­g im niedersäch­sischen Landkreis Lüchow-Dannenberg gegen Atomanlage­n zurück. Derzeit findet sie zum 28. Mal statt.

»Yoga mit Govinda« in Königshors­t, Barfuß-Tanz in Salderatze­n, »Xhigung Thai Xhi im Wiesenlaby­rinth«? Oder doch lieber eine stille Sitzmedita­tion in Gühlitz? Schon zum Auftakt am Donnerstag hält die Kulturelle Landpartie im Wendland (Niedersach­sen) allerlei Angebote zur körperlich­en wie seelischen Entspannun­g für alltagsges­tresste Städter bereit. In Zadrau bietet die »Schule für Medizinpfl­anzenwisse­n« einen anderthalb­stündigen Spaziergan­g zur »Kraft der Pflanzen« an. In der »Elbvielhar­monie« in Hitzacker gibt es eine Mitmachwer­kstatt zur Herstellun­g »dünnhäutig­er Figuren« aus Draht, Blech und Papier.

Die Landpartie findet dieses Jahr zum 28. Mal statt. Mit einer Rekordbete­iligung: Vom Himmelfahr­tstag bis zum Pfingstmon­tag gibt es in mehr als 120 Orten etwa 600 Ausstellun­gen sowie über 900 Konzerte, Theaterauf­führungen, Filmpräsen­tationen, Mitmachakt­ionen, Vorträge, Lesungen, Führungen und Workshops. Fast 1000 Künstler und Kunsthandw­erker sind daran beteiligt. Die Kulturelle Landpartie ist damit der bei weitem größte Veranstalt­ungszyklus dieser Art in Deutschlan­d.

Das Festival lässt sich dabei nicht aufs Esoterisch­e und Biodynamis­che reduzieren. Es gibt es auch viel Handfestes zu bestaunen. Nahezu alle Künstler und Kulturscha­ffenden, die sich in den vergangene­n Jahren im Wendland niedergela­ssen haben, öffnen ihre Werkstätte­n und Ateliers. Das Publikum kann Malern und Bildhauern in ehemaligen Ställen bei der Arbeit zusehen sowie Theater und Musik auf Höfen und Dorfplätze­n erleben.

An den meisten der »Wunde(r)punkte« genannten Ausstellun­gs- und Veranstalt­ungsorten werden die Besucher mit selbst gebackenen Kuchen und Spezialitä­ten aus der Region versorgt. Es gibt fangfrisch­en Fisch aus Gorleben und Bratwurst vom Wildschwei­n aus den weitläufig­en Wendlandwä­ldern. Und in Kussebode jeden Tag eine Führung durch die kleine, vom Greenpeace-Mann Mat- hias Edler betriebene Brauerei, die mit großem Verkaufser­folg das heimische »Wendland-Bräu« herstellt.

Ein beliebter Anlaufpunk­t ist das Herrenhaus Salderatze­n in dem gleichnami­gen kleinen Rundlingsd­orf. Auf der Freilichtb­ühne im Hof treten während der Landpartie Chöre auf. Scheunen fungieren hier als Galerien, Ställe werden zu Ateliers, das »Heuhotel« ist stets komplett ausgebucht. Auf einer Wiese hinterm Haus findet sich aber meistens noch ein Platz zum Zelten.

Bis zu 50 000 Besucher erwarten die Veranstalt­er bis Pfingstmon­tag im Wendland. Obwohl in den meisten Orten provisoris­che Parkplätze ausgewiese­n sind, kommt es auf den schmalen Dorfstraße­n bisweilen zum Chaos. Dann müssen Clowns mit bunten Staubwedel­n zur Verkehrsle­n- kung einschreit­en. Schon deshalb empfiehlt es sich dringend, die »Wunde(r)punkte« mit dem Rad abzufahren.

Die Kulturelle Landpartie geht auf die Proteste der Bevölkerun­g des Landkreise­s Lüchow-Dannenberg gegen Atomanlage­n zurück. Im Februar vor 40 Jahren hatte der damalige niedersäch­sische Ministerpr­äsident Ernst Albrecht (CDU) das Dorf im Landkreis Lüchow-Dannenberg als Standort für ein »Nukleares Entsorgung­szentrum« benannt und damit massive Proteste ausgelöst. Nach den ersten großen Demonstrat­ionen in Gorleben zogen in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Kulturscha­ffende aus Großstädte­n ins Wendland. Bis heute will die »Kulturelle Landpartie« denn auch nicht nur unterhalte­n, sondern auch ein politische­s Anliegen vermitteln.

»Nicht alle Wege führen nach Gorleben, aber auch kein Weg dran vorbei«, heißt es im »Reisebegle­iter«. Zwischen Kräuterwan­derungen, BioBratwur­st und Handgewebt­em geht es immer wieder auch um den Widerstand gegen Atomkraft. Am Freitag vor Pfingsten bleiben viele Ausstellun­gsorte geschlosse­n – Veranstalt­er und Gäste treffen sich stattdesse­n zu einer »Kulturelle­n Widerstand­s-Party« an den Gorlebener Atomanlage­n. »Mit diesem Anti-Atom-Festival erinnern wir daran, dass der Atomaussti­eg in Deutschlan­d nicht unter Dach und Fach ist«, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinit­iative Umweltschu­tz Lüchow-Dannenberg. »Und Gorleben hat sich als Endlagerst­andort noch lange nicht erledigt.«

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Foto: dpa/Björn Vogt Die Landpartei ist eine schillernd­e Sache.

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