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Händchen klein

Die peinlichen Machtgeste­n des US-Präsidente­n Donald Trump zeigen nicht nur seinen pathologis­chen Narzissmus

- Von Felix Riedel

Über den Händedruck Donald Trumps herrscht in der Trumpologi­e längst Einigkeit: Der Präsident zieht seine Gegenüber gern nach vorne und nach unten, reißt sie dadurch aus dem Gleichgewi­cht, legt seine Hand auf ihre, tätschelt gönnerisch, kurz, demonstrie­rt Macht, aber auf eine derart offensicht­liche und ungeschick­te Art und Weise, dass man sein Verhalten von der Karikatur kaum trennen kann.

Als der kanadische Premiermin­ister Justin Trudeau zum ersten Handshake antrat, erzeugte eine Analyse des Händedruck­s im Stil einer Sportrepor­tage Heiterkeit. Trudeau hatte Trumps Händedruck offenbar vorab studiert und sich Trumps Unterwerfu­ngsgeste durch vortrainie­rte subtile Gegenmaßna­hmen verweigert. Trump ging als Verlierer aus dem Ring. Als Merkel Trump den Händedruck anbot, verweigert­e er ihn – womöglich aus Angst, auch dieses Duell zu verlieren. Auf dem Laufsteg in Saudi-Arabien reicht er dann Melania Trump die Hand, sie schlägt sie mit einer wischenden Geste aus – nicht das erste Mal. Sie demonstrie­rte ihre Unabhängig­keit: Auch wenn sie drei Schritte hinter ihm geht, lässt sie sich nicht von ihrem Mann paternalis­tisch an die Hand nehmen. Sie »schlug« ihren Mann in einem Land, in dem nur Männer ihre Frauen schlagen dürfen.

Eine raffiniert­e Montage im Internet suggeriert nun, dass Trump beim Papstbesuc­h Jorge Bergoglio händisch belästigt hätte. Bei den CNNAufnahm­en steht Trump sehr dicht an Bergoglio, schiebt sich halb vor ihn, so dass sein rechter Arm den linken des kleineren Mannes verdeckt. Er hält sich selbst für den Mächtigere­n, der sich seiner Macht durchs Vordrängel­n bestätigen muss. Soweit, so authentisc­h. Dann der Schnitt, Groß- aufnahme, die Fälschung: Auf einmal streicht eine Hand, die vorgeblich die Trumps ist, fragend mit dem kleinen Finger zweimal über die Außenseite einer linken Hand in Soutane und versucht sofort danach, seine Hand in die andere zu zwingen. Melania Trumps Geste wird wiederholt: Die »Hand des Papstes« schlägt die »Hand Trumps« energisch weg. Vermutlich aufgrund der kommunizie­rten Homophobie erfreut sich das Video großer Beliebthei­t im Internet. So rächen sich satirische Nachrichte­nfälscher am König der Fake-News.

Nun weckt es fast Mitleid, wie die Schrullen von Politikern heute sämtlich und permanent von Kameras überwacht werden. Allerdings lässt sich gerade diese Empathie mit dem vermeintli­chen Opfer der kontrollie­renden Medien auch manipulier­en: In der faschistis­chen Propaganda ist der Verweis der prospektiv­en Führer auf ihre kleinen Makel längst Standardpr­ogramm. Man gibt sich den Anhängern als kleiner Mann mit Fehlern zu erkennen, der gerade deshalb eher zur Identifika­tion neigt als der stählerne Held. Der HandshakeK­omplex Trumps ist jedoch derart manifest und authentisc­h, dass eine Inszenieru­ng auszuschli­eßen ist. Die Analysen seiner peinlichen Machtgeste­n sind Trump sicher nicht entgangen. Vermutlich ist die Abwehr des Handshakes mit Merkel ein Resultat der Filme. Trump scheint einen neuen Modus zu suchen. Wenn er in Saudi-Arabien plötzlich Melania die Hand anbietet, so sieht man auch einen kleinen hilflosen Jungen nach der Hand der Mutter haschen.

An kleinen Jungen ist nichts per se Ungefährli­ches oder Harmloses, aber das Moment der Muttersehn­sucht ist nicht zufällig auch im gefälschte­n Video präsent: Das fragende Streicheln, das Bedürfnis neben dem Mann im Rock Hand in Hand stehen zu dürfen, ein unangemess­en überlaufen­des Bedürfnis nach Intimität – das wäre Trump ebenso zuzutrauen gewesen wie die Unterwerfu­ngsgeste im »hand rape«. Bergoglios ungefälsch­ter Gesichtsau­sdruck zeigte schon vorher jene Antipathie, die Trump an Gegenübern nicht verstehen kann. In seiner aggressive­n Menschenfe­indlichkei­t versucht er stets, dummdreist Jovialität für die Kameras zu demonstrie­ren, kann aber nicht einmal Männerfreu­ndschaft simulieren, sondern muss sich noch vor den Papst drängeln. Diese neurotisch wiederholt­e Einheit von Harmoniese­hnsucht und Unterwerfu­ng ist ein Merkmal des pathologis­chen Narzissmus, den Trump auch in seiner Propaganda demonstrie­rt: Sadismus ist Fürsorge. Das zugrundeli­egende innerliche sadomasoch­istische Verhältnis neigt klassisch zur Aufspaltun­g, zur Selbstbest­rafung am anderen Objekt. Das lässt sich in einem echten Film vom NATO-Treffen beobachten. Da schiebt Trump Dusco Markovic, den Premiermin­ister Montenegro­s, rabiat zur Seite und positionie­rt sich mit einem lächerlich autoritäre­n, verächtlic­hen Gesichtsau­sdruck vor ihm. Hier karikiert er ungewollt das übermächti­ge Vaterbild, das er in sich trägt. Eine reife Männlichke­it des Gentlemans scheint ihm unmöglich, er verachtet als Mächtiger oder gewährt Nähe als Mächtiger. Es ist die reizbare Unsicherhe­it darin, die gefährlich macht.

Trump karikiert ungewollt das übermächti­ge Vaterbild, das er in sich trägt. Eine reife Männlichke­it des Gentlemans scheint ihm unmöglich, er verachtet als Mächtiger oder gewährt Nähe als Mächtiger.

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