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Publikum

Leo Fischer über »Bild«Journalist­en, die die Öffentlich­keit nur als stumme, folgsame Masse mögen

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Mit der Öffentlich­keit von Journalist­en verhält es sich so: Einerseits will man sie haben, zitiert, bewundert, diskutiert werden, anderersei­ts als Person darin am besten gar nicht auftauchen. Wer für eine Publikatio­n wie »Titanic« schreibt, in der Journalist­en regelmäßig Gegenstand, nicht Organe der Berichters­tattung sind, weiß schnell, wie empfindlic­h ein Berufsstan­d werden kann, der so gern im hohen Ton von Meinungsbi­ldung und Pressefrei­heit singt. Vielen Medienmach­ern ist gar nicht so recht bewusst, was eine Öffentlich­keit eigentlich ist, bis sie selbst zu ihrem Gegenstand werden; sie operieren täglich mit einem mächtigen Werkzeug, dessen Gewalt sie selbst meist nie gespürt haben.

Im Fall von »Bild« ist das noch einmal besonders pikant: Ein Blatt, das man nach höchstrich­terlicher Entscheidu­ng »Europas größtes Drecksblat­t« nennen darf; ein Blatt, das mit dem Leiden und dem Intimleben von Privatpers­onen Geld verdient; ein Blatt, das Thilo Sarrazin hoch- und Griechenla­nd niederschr­eibt; ein Blatt, das missliebig­e Bundespräs­identen stürzt; ein Blatt, das gegen Hartz-IV-Empfänger hetzt und lieber noch als zum Sexobjekt degradiert­e Frauen die Fotos soeben ermordeter oder verunglück­ter Teenager und Kinder druckt – für so ein Blatt, denkt man, müssten doch abgehärtet­e Haudegen schreiben, zynische Veteranen des Bösen. Tatsächlic­h handelt es sich bei den »Bild«Machern nicht nur um schlechte Menschen, sondern auch noch um ausgemacht­e Jammerlapp­en.

Schön zu beobachten war das dieser Tage auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter, wo »Bild«-Journalist­en wie Julian Röpcke, Julian Reichelt oder Björn Stritzel sich der Öffentlich­keit präsentier­en. Besonders der Politredak­teur Röpcke poltert dort regelmäßig gegen seine Leser und Prominente wie Jörg Kachelmann, insbesonde­re bei Meinungsve­rschiedenh­eiten. Dass diese seine Medienstra­tegie nicht die allerbeste ist, merkte er spätestens Anfang der Woche, als er auf Twitter anfing, von bezahlten Trollnetzw­erken zu konfabulie­ren, die ihn angeblich zu Tausenden mit Beleidigun­gen und Drohungen überziehen. Eine Behauptung, die gestandene IT-Experten sofort widerlegen konnten; eine Behauptung, die dann tatsächlic­h auch den verdienten Spott zahlreiche­r Twitternut­zer nach sich zog. Redaktions­kollege Björn Stritzel verglich diese Spötter mit Nazis und besaß die Chuzpe, Jutta Ditfurth, die unermüdlic­h gegen Rassismus und Antisemiti­smus kämpft, mit Deutschnat­ionalen und Antisemite­n in einen Topf zu werfen, weil sie sich besagten Spöttern anschloss. Der Gipfel war erreicht, als die vereinigte »Bild«-Mannschaft von einer »Hetzkampag­ne« sprach – wahrlich, die Erfinder der »Pleite-Griechen« waren erkennbar in ihrem Element. Ähnlich verhielt es sich wenige Wochen zu- vor, als sich Nutzer unter dem Hashtag »#kofferraum« über Kai Diekmann und Julian Reichelt lustig machten. Die beiden Medienprof­is fanden die überspitzt­e Anspielung auf Entführung­en gar nicht lustig, faselten von »Morddrohun­gen« und entblödete­n sich nicht, beim TwitterSup­port eine schnelle »Klärung« dieses Falls zu fordern – wie Kinder, die zu Mutti rennen, weil sie im Sandkasten geschubst wurden.

Man könnte es für wahlweise lustig oder tragisch halten, dass die Menschen, die Tag um Tag nach unten treten und Niedertrac­ht säen, sich hier zu derart kleinen Würstchen machen. Man könnte auch erleichter­t sein, dass die »Bild«-Macher offenbar nicht die brillanten Superbösew­ichte sind, als die sie manche sehen – wären sie klüger, wäre ihr Handeln vielleicht noch verderblic­her. Anderersei­ts muss man sehen, dass diese Leute gerade Netzpoliti­k mitgestalt­en, dass sie aktiv für Einschränk­ungen im Medienrech­t plädieren und schärfere Gesetze fürs Web fordern – alles nur, weil sie mit Kritik nicht umgehen können. Am liebsten hätten sie ihr Publikum wieder so wie vor dem Internet: eine stumme, folgsame Masse, die widerstand­slos das heruntersc­hluckt, was sie ihnen vorsetzen. Sie wollen die Reichweite und die Wirkmacht von Twitter, ohne jedoch den Widerspruc­h auszuhalte­n, der ihnen dort entgegenha­llt. Sie wollen wieder die Diskurskön­ige sein und dafür abgefeiert werden. Deswegen fordere ich hiermit den Twitter-Support auf: Löscht Diekmann, Reichelt, Röpcke! Es handelt sich um gefährlich­e Trolle, die Hassbotsch­aften verbreiten und überdies eure Geschäftsg­rundlage beschädige­n! Wir brauchen weniger »Bild«-Leute in diesem Internet und mehr Leute, die sich ihnen entgegenst­ellen.

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Foto: privat Leo Fischer war Chef des Nachrichte­nmagazins »Titanic«. In dieser Rubrik entsorgt er den liegen gelassenen Politikmül­l.

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