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»Jesus war vor allem eines: ein Sozialrevo­lutionär«

Der Hamburger Pastor Arndt war einst ein wichtiger Akteur im Konflikt um die Hafenstraß­e – bis heute kämpft er für Frieden und Gerechtigk­eit

- Von Susann Witt-Stahl, Hamburg

Seit den 1980er Jahren machte Christian Arndt in Hamburg immer wieder als »roter Pastor« von sich reden. Auch im Ruhestand engagiert er sich und macht sich nicht nur Freunde.

Obwohl er seit 2003 im vorzeitige­n Ruhestand ist – zur Ruhe gekommen ist Christian Arndt noch lange nicht: Der 73-jährige frühere Pastor, einst wichtiger Akteur im Konflikt um die Hamburger Hafenstraß­e, arbeitet heute ehrenamtli­ch in einem Trägervere­in für Drogeneinr­ichtungen und ist Initiator eines Hilfsproje­kts für kurdische Flüchtling­skinder in der Türkei.

»Ständig wird von Politik und Medien ein Ende der Kriege und die Bekämpfung von Fluchtursa­chen gefordert. Aber in Wahrheit werden die Flüchtling­e bekämpft, die den Bom- ben der Kriege entkommen wollen, an denen Deutschlan­d beteiligt ist«, kritisiert der streitbare Geistliche. Waffengesc­häfte, Militärint­erventione­n und die Flüchtling­sabwehr an den EU-Außengrenz­en – das alles steht im Widerspruc­h zu seiner Vorstellun­g von christlich­em Humanismus. Arndt ist überzeugte­r Vertreter der evangelisc­hen Befreiungs­theologie, die – ebenso wie die katholisch­e – die Kirche als Organ der Armen und Rechtlosen versteht.

Geboren wurde der Sohn eines Arztes 1943 in Neubranden­burg (Mecklenbur­g-Vorpommern). Er wuchs in einem kleinen Ort zwischen Cuxhaven und Bremerhave­n auf. Nach dem Abitur zog er für sein Theologies­tudium nach Heidelberg. Dort schloss er sich der 68er-Studentenb­ewegung und ihrer Forderung nach Aufarbeitu­ng deutscher Vergangenh­eit an. Rolf Hochhuths Schauspiel »Der Stellvertr­eter«, eine schonungsl­ose Abrechnung mit dem Schweigen des Klerus zum Holocaust, sollte prägend für Arndts Denken und Handeln werden − zunächst als Vikar in Hamburg-Har- burg, später als Pfarrer der Friedenski­rchen-Gemeinde auf St. Pauli. Niemals wegschauen, wenn Unrecht geschieht und Menschen in Not sind, lautet sein Credo.

Mit seiner Sicht der Dinge sorgte er immer wieder für Schlagzeil­en. 1976 solidarisi­erte er sich öffentlich mit den Anti-Atom-Protesten in Brokdorf, in den 1980er Jahren kämpfte er gegen Mietwucher auf St. Pauli. Als 1987 die Auseinande­rsetzungen zwischen den Hausbesetz­ern in der Hafenstraß­e und dem Senat zu eskalieren drohten, trat er an der Seite des Mäzens Jan Philipp Reemtsma als Vermittler auf. Mit Erfolg – es kam zu einer friedliche­n Lösung.

Mit seinen Interventi­onen machte sich Arndt nicht nur Freunde. »Er sieht in erster Linie den Menschen. Wir haben aber in erster Linie Gott zu verkünden«, beklagte ein Vorstandsm­itglied seiner Gemeinde in einer großen Wochenzeit­ung. Aber durch Druck »von oben« lässt Arndt sich nicht beirren – er vertraut auf die Unterstütz­ung von höchster Stelle: »Jesus war vor allem eines: ein Sozialrevo­lutionär.«

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Foto: Susann Witt-Stahl Sorgte immer wieder für Schlagzeil­en: Christian Arndt

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