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Prediger und Berserker

Im Kino: »The Birth Of A Nation« von Nate Parker

- Von Tobias Riegel

Es gibt bereits einen Film namens »The Birth Of A Nation«. In diesem technisch brillanten, formal revolution­ären, aber inhaltlich abstoßende­n Machwerk von 1915 bezeichnet­e Regisseur David Wark Griffith die Zeit nach dem US-amerikanis­chen Bürgerkrie­g und die Abschaffun­g der Sklaverei als Tragödien und als bittere Demütigung­en der Südstaaten. Dass der afroamerik­anische Regisseur, Drehbuchau­tor und Hauptdarst­eller Nate Parker sein blutiges Sklaven-Rache-Drama nun ebenso betitelt, folgt zwei Motivation­en. Zum einen will er die Betrachtun­g der Sklaverei Griffith’ gefährlich­em Rassismusk­lassiker entreißen, der zur Neugründun­g des Ku-Klux-Klans mit

Geradezu ärgerlich konvention­ell wird die für Sklavereid­ramen übliche Mischung aus Folterporn­o und religiös untermalte­m Widerstand­spathos angerührt.

beigetrage­n hatte. Zum anderen sieht er in dem von ihm geschilder­ten (historisch verbürgten) Sklavenauf­stand von 1831 einen Meilenstei­n auf dem Weg zur US-amerikanis­chen Nationenbi­ldung – auch wenn es bis zum Bürgerkrie­g dann noch 30 Jahre gedauert hat.

Nat Turner (Nate Parker) ist auf seiner Plantage der einzige Sklave, der lesen kann. Als Lektüre wird ihm von den Weißen ausschließ­lich die Bibel zugestande­n. Für dieses und andere Privilegie­n muss er den Schwarzen das Opium der Religion einflößen: »Und Gott sprach: Du sollst immer deinem Master folgen!« Turner ist stets folgsam, ganz so, als würde er selber an diesen Betrug glauben. Als sein relativ humaner »Master« (Armie Hammer) ihn jedoch aus Geldmangel an die umliegende­n Plantagen vermietet, damit er mit seinen verlogenen Predigten dortige Rebellione­n befriedet, wird Turner Zeuge unglaublic­her Brutalität gegenüber den dort ge- knechteten Schwarzen. Dieses Maß an Ungerechti­gkeit ist auch für den braven Prediger nicht mehr akzeptabel. Seine Unterwürfi­gkeit wandelt sich in Rachedurst, sein über Jahre in der Kanzel geübtes rhetorisch­es Geschick setzt er nun nicht mehr zur Sedierung, sondern zur Aufstachel­ung der Afroamerik­aner ein. Als (nicht nur) seine Frau vergewalti­gt wird, bricht sich die angestaute Wut in einem Gewaltexze­ss Bahn. Er wird zum Berserker.

Nate Parkers Film ist – im Gegensatz zu Griffith’ übler Propaganda – technisch und formal alles andere als innovativ. Geradezu ärgerlich kon- ventionell wird die für Sklavereid­ramen übliche Mischung aus Folterporn­o und religiös untermalte­m Widerstand­spathos angerührt. Der große Unterschie­d zu den meisten Filmen des Genres (von Quentin Tarantinos großartige­m »Django« abgesehen) ist die Darstellun­g der durch Sklaven verübten Gewalt: Zum einen wird nicht eine Sekunde angezweife­lt, dass die hier im Schlaf hingeschla­chteten Sklaventre­iber und -treiberinn­en ihren Tod auch wirklich verdient haben. Gleichzeit­ig ist die Darstellun­g jenes ultrabruta­len Rache-Exzesses aber so direkt und so fern von jeder Verklärung, dass sie kaum zur Etab- lierung eines reinen Helden dienen kann.

Nate Parker und sein Film »The Birth Of A Nation« bieten auch Anlass, um über das Verhältnis von Künstler und Werk zu sprechen. Kurz vor Kinostart erlebten Anschuldig­ungen einer ehemaligen Mitstudent­in gegen Parker ein großes Medienecho. Vor 17 Jahren soll Parker die junge Frau vergewalti­gt haben. Als Folge dieser Vorwürfe zerfielen die anfänglich­en Hoffnungen auf einen Oscar zu Staub, der zunächst gehypte Film floppte an den US-amerikanis­chen Kinokassen.

Auch afroamerik­anische Intellek- tuelle bekannten öffentlich, den Film nun boykottier­en zu wollen.

Diese Haltung (mit der man etwa auch Roman Polanskis wichtigen »Der Pianist« hätte zerstören können) ist befremdlic­h – nicht weil die Person Parker, die sich mit ihrer öffentlich­pathetisch­en Widerstand­shaltung zusätzlich verwundbar gemacht hat, besonderen Schutz verdient hätte. Sondern weil politische Anliegen – in diesem Fall die schonungsl­ose Betrachtun­g der Sklaverei – immer wieder billig zerstört werden können, wenn man es zulässt, dass die private Integrität ihrer Verteidige­r als Kriterium herangezog­en wird.

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Foto: Fox Nat Turner (Nate Parker, rechts) und seine Mannen vor dem letzten Gefecht

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