Warten auf die Überraschung
Außenminister Russlands und der USA berieten in Moskau / Empfang bei Putin ungewiss
Lange Gespräche der Außenminister Russlands und der USA bis in die Nacht hatten russische Medien nicht ausgeschlossen. Ob aber auch Präsident Putin eingreifen werde, mochte niemand voraussagen.
In Moskau war es bereits Mittag, als Kremlsprecher Dmitri Peskow zögerlich Auskunft erteilte: »Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit.« Damit blieb vorerst die Frage unbeantwortet, ob Russlands Präsident Wladimir Putin den US-Außenminister Rex Tillerson an diesem Mittwoch empfangen werde. Wenn auch nicht wie auf den Tag genau vor 56 Jahren mit dem Start Juri Gagarins in den Weltraum hielt Moskau damit doch noch eine Überraschung vor dem orthodoxen Osterfest bereit.
Pünktlich zum Besuch des Chefs des State Department überließ Putin dem Fernsehsender »Mir« die Verbreitung seiner Botschaft, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA unter Präsident Donald Trump verschlechtert hätten. Dabei galten sie schon unter dessen Vorgänger Barack Obama als dem Kalten Krieg nahe und gefürchtet wurde bei einer Wahl Hillary Clintons sogar deren Ruin.
Aus Sicht des Kremlchefs wiederholt sich derzeit üble Geschichte. Die charakterisierte er am Dienstag nach einem Treffren mit Italiens Präsidenten Sergio Mattarella sarkastisch mit einem Wort aus den legendären »Zwölf Stühlen« der sowjetischen Autoren Ilf und Petrow: »Langweilig, Mädchen, das alles haben wir schon mal erlebt.« Schon im Jahr 2003 hätten US-Vertreter im UN-Sicherheitsrat angeblich in Irak entdeckte Chemiewaffen präsentiert. Das ordnet sich inzwischen längst als weitere faustdicke Staatslüge in eine Reihe historischer Vorwände, mit denen Kriege absichtsvoll ausgelöst wurden.
Den NATO-Verbündeten der USA galt in diesem Zusammenhang der wenig schmeichelhafte Vergleich Putins mit chinesischen Wackelfiguren, die immer nicken würden, ohne die Geschehnisse zu analysieren. Ohnehin verharre die unter den Bedin- gungen des Kalten Krieges formierte Allianz in der Blockkonfrontation, habe sich nicht modernisiert.
Zu ersten Äußerungen, die vom Treffen der Außenminister Sergej Lawrow und Tillerson verbreitet wurden, gehörte dann gleich eine russische Warnung. Es sei von prinzipieller Bedeutung, keine weiteren rechtswidrigen US-Angriffe in Syrien zuzulassen. Moskau wolle erfahren, was die Strategie der USA im SyrienKrieg sei.
Kein Zufall dürfte sein, dass Verteidigungsminister Sergej Schoigu laut örtlichen Medien noch am Vortag auf die wachsende Kampfkraft der »Atom-Triade« mit Russlands Langstreckenbombern, Interkontinentalraketen und U-Booten verwiesen hatte. 99 Prozent aller Startanlagen der strategischen Raketentruppen seien in Kampfbereitschaft, 96 Prozent von ihnen »in ständiger Kampfbereitschaft für einen sofortigen Start«.
Ein Ultimatum, das der US-Außenminister vollmundig beim G7-Treffen in Italien gestellt hatte, ließ Moskau lässig abprallen. Russland müsse sich entweder für gute Beziehungen mit den USA oder für die Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al- Assad, des Irans und der Schiitenmiliz Hisbollah entscheiden, hatte Tillerson gefordert. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa gab sich mild. Es handele sich hier nur um ein Muskelspiel vor Verhandlungen nach Art Washingtons, sagte sie dem TVSender »Doschd«. »Es sollten längst alle verstanden haben, dass man nicht mit Ultimaten zu uns kommen kann.« Als Themen des Treffens, das nach einigen wenigen Worten zum Auftakt hinter verschlossenen Türen fortgesetzt wurde, nannte die offizielle russische Agentur TASS ein gutes halbes Dutzend. Das waren neben der angesichts des US-Raketenangriffs verschärften Lage in Syrien die Brennpunkte Irak, Libyen, Jemen und die Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel. Hinzu kamen die Regelung des ukrainischen Konfliktes und eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington.
Eher als gutes Omen wollte die Agentur wohl verstanden wissen, dass die Gespräche in einem Gästehaus des Außenamtes anberaumt waren, in dem es schon mehrfach zu historischen Treffen gekommen sei – so auch der Staaten der Anti-Hitler-Koalition. im Zweiten Weltkrieg.