Armutszeugnis Reichtumsbericht
Ererbter Wohlstand trifft Abstieg durch Niedriglohn: Deutschland ist tief gespalten
Berlin. Nach langem Streit hat das Kabinett am Mittwoch den 5. Armuts- und Reichtumsbericht verabschiedet. Für die federführende Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) zeigt das mit »Lebenslagen in Deutschland« betitelte Werk eine insgesamt positive Entwicklung. Sie verwies auf niedrige Arbeitslosenzahlen und einen Anstieg der Reallöhne. Ungleichheiten würden durch Steuern und Transfers »erheblich abgemildert«.
Allerdings weist der Bericht auch eine »verfestigte Ungleichheit« bei den Vermögen aus. Die reichsten zehn Prozent der Haus- halte verfügen über mehr als die Hälfte des Nettovermögens. Ein Löwenanteil der Privatvermögen wird ererbt und nicht erarbeitet. Deutlich wird auch, dass der Vermögenskonzentration ein Abstieg gerade der unteren Lohngruppen gegenübersteht: Die 40 Prozent mit schlecht bezahlter Arbeit verdienen heute real weniger als noch Mitte der 1990er Jahre.
Opposition und Sozialverbände sehen keinen Anlass zur Entwarnung. Die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Esche, findet es »irritierend«, dass der Bericht behaupte, Kinder in Deutschland wüchsen überwiegend in gesicherten Verhältnissen auf, »wenn man bedenkt, dass Kinderarmut auf hohem Niveau stagniert«. Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Minderjährigen in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften 2016 um 3,3 Prozent gestiegen.
Kritiker sehen in dem Bericht ein Armutszeugnis. So spricht LINKE-Fraktionsvize Sabine Zimmermann von »Schönfärberei« und fordert, diese Berichte künftig von einer unabhängigen Institution erstellen zu lassen. In den vergangenen Monaten wurde bekannt, dass bestimmte Passagen gestrichen oder umformuliert wurden.