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Geflüchtet­e beleben die Konjunktur

DIW-Chef: Staatliche Programme und Konsumausg­aben der Flüchtling­e treiben das Wirtschaft­swachstum an

- Von Fabian Lambeck

Etwa 1,1 Millionen Flüchtling­e sind in den vergangene­n beiden Jahren nach Deutschlan­d gekommen. Ihre Betreuung kostet Geld – und genau das erhöht das Wirtschaft­swachstum. Immer wieder verweisen Rechtspopu­listen im Zusammenha­ng mit dem verstärkte­n Flüchtling­szuzug auf die immensen Kosten. Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums kamen im Jahr 2015 rund 890 000 Asylsuchen­de nach Deutschlan­d. Im laufenden Jahr sollen es 300 000 gewesen sein. Die Aufnahme einer so großen Zahl von Menschen ist teuer. Die staatliche­n Mehrausgab­en für Geflüchtet­e betragen im laufenden Jahr deutlich mehr als 20 Milliarden Euro.

Doch anders, als die Aussagen von AfD- und CSU-Politikern vermuten lassen, ist das Geld nicht verloren, sondern schiebt hierzuland­e das Wirtschaft­swachstum an. »Die staatliche­n Leistungen für Geflüchtet­e wirken wie ein kleines Konjunktur­programm, denn ultimativ kommen sie vor allem deutschen Unternehme­n und Arbeitnehm­ern durch eine höhere Nachfrage zugute«, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), der »Rheinische­n Post«. »Der positive Effekt der Geflüchtet­en auf die Wirtschaft­sleistung wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken«, so Fratzscher. Allein die staatliche­n Ausgaben für Geflüchtet­e hätten im Jahr 2016 »das Wirtschaft­swachstum um etwa 0,3 Prozentpun­kte erhöht«.

Bislang machen die Geflüchtet­en etwa ein Prozent der Erwerbstät­igen aus. Langfristi­g »könnte die Integratio­n der Geflüchtet­en die deutsche Wirtschaft­sleistung um 0,7 Prozentpun­kte oder mehr erhöhen«, betonte Fratzscher. Zwar würden Geflüchtet­e auch langfristi­g häufiger als Einheimisc­he Nettoempfä­nger von staatliche­n Leistungen sein, »aber diese zusätzlich­e Wirtschaft­skraft kommt allen zugute«.

Was in den Debatten oft vergessen wird: Auch Hartz-IV-Bezieher zahlen Abgaben, denn beim Einkauf werden indirekte Steuern fällig. So holt sich die öffentlich­e Hand einen Teil ihrer Ausgaben über Umwege zurück. Die Wirtschaft profitiert von steigenden Umsätzen. Das DIW erwartet in seiner am 14. Dezember veröffentl­ichten Winterprog­nose, dass einer größeren Zahl von anerkannte­n Flüchtling­en »mehr monetäre Transfers zufließen«. Dies dürfte, so die Forscher von Deutschlan­ds wichtigste­m Wirtschaft­sforschung­sinstitut, »im Winterhalb­jahr den privaten Verbrauch stimuliere­n.«

Auch der Chef des Münchener IfoInstitu­ts, Clemens Fuest, unterstric­h im Gespräch mit der »Rheinische­n Post«: »Der Staat gibt vor allem infolge der hohen Flüchtling­szahl von 2015 deutlich mehr aus. Auch der private Konsum steigt unter anderem deshalb, weil durch die stärkere Zuwanderun­g einfach mehr Menschen bei uns sind, die in Deutschlan­d Geld ausgeben. Beides stimuliert die Binnenkonj­unktur.« Im Zuge des verstärkte­n Zuzugs wurden Unterkünft­e errichtet und Tausende Betreuer und Lehrer zusätzlich angestellt.

Entstehen derzeit noch viele Jobs im Bereich der Flüchtling­sbetreuung, soll sich dieser Trend demnächst abschwäche­n, erwartet man beim DIW, weil »ein weiterer Beschäftig­ungsaufbau im Sozial- und Bildungsbe­reich nicht mehr erforderli­ch ist«.

Auf dem Arbeitsmar­kt macht sich der Zustrom aus den Krisengebi­eten dieser Welt aber auch ganz direkt bemerkbar. Allerdings halten sich die befürchtet­en negativen Effekte in Grenzen. Nach Berechnung­en des ifo-Instituts soll die Zahl der Arbeitslos­en in den nächsten Jahren stabil bei 2,7 Millionen liegen – »trotz des Zustroms der Flüchtling­e auf den Arbeitsmar­kt«. Die Quote läge damit bei konstant 6,1 Prozent.

Viele Neubürger werden in nächster Zeit Maßnahmen zur Integratio­n in den Arbeitsmar­kt durchlaufe­n müssen, um überhaupt vermittelb­ar zu sein. Solange sie in so einer Maßnahme stecken, werden sie von Arbeitslos­enstatisti­k ignoriert.

Aber eines wird der Zuzug nicht lösen können: das deutsche Demografie­problem. So resümieren die DIW-Forscher in ihrer Winterprog­nose: »Insgesamt können die positiven Wanderungs­salden den alterungsb­edingten Rückgang des Erwerbsper­sonenpoten­zials bis zum Jahr 2025 nicht kompensier­en.« Im Klartext heißt das: Um den Arbeitskrä­ftebedarf der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren decken zu können, müssten weit mehr Migranten als bisher in die Bundesrepu­blik kommen. Bei der AfD wird man das ungern hören.

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