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Reale Dystopie

Union, AfD, FDP könnten sich in wichtigen Punkten einigen

- Von Aert van Riel

Die AfD hat sich etabliert. Sie sitzt in Parlamente­n und schneidet in bundesweit­en Umfragen zweistelli­g ab. Union und FDP suchen noch nach einem geeigneten Umgang mit der neuen Partei.

Ein gemeinsame­s Ziel der Mitte-rechts-Parteien könnte die Ausweitung der »sicheren Herkunftss­taaten« sein.

Union und FDP bekämpfen verbal die AfD, um deren Wähler zurückzuge­winnen. Sollte das nicht gelingen, wäre wohl mittelfris­tig auch eine Zusammenar­beit der Parteien nicht ausgeschlo­ssen. In der Union gibt es wenig Begeisteru­ng dafür, die Große Koalition nach der Bundestags­wahl im kommenden Jahr fortzusetz­en. Entspreche­nd äußerte sich jüngst Parlaments­präsident Norbert Lammert. Doch der CDU-Politiker weiß ebenso wie seine Parteikoll­egen, dass es wohl keine andere realistisc­he Möglichkei­t als Schwarz-Rot geben wird, wenn eine starke AfD und womöglich auch die FDP im Bundestag vertreten sein werden. Noch gilt eine Zusammenar­beit mit der AfD für die Union als ausgeschlo­ssen. Es hat bislang keinen Testlauf mit der Rechtspart­ei in einem Landesparl­ament gegeben. Zudem ist für die Konservati­ven fraglich, wie berechenba­r die Abgeordnet­en der AfD wären. Es ist aber unwahrsche­inlich, dass die neue Partei in nächster Zeit wieder von der Bildfläche verschwind­en wird. Deswegen könnte sich eines Tages für die Union sowie für die FDP die Frage stellen, ob sie neue Bündnisse rechts der Mitte wagen sollten. In den Programmen der vier deutschen Mitte-rechtsPart­eien finden sich bereits einige Anknüpfung­spunkte.

Flüchtling­e und Integratio­n

Der vor wenigen Wochen beim Bundespart­eitag der CDU gegen den Willen der eigenen Führung gefasste Beschluss zur doppelten Staatsbürg­erschaft wurde in rechten Kreisen begrüßt. Demnach soll der Optionszwa­ng für Jugendlich­e wieder eingeführt werden. Das würde vor allem türkischst­ämmige Einwandere­rkinder betreffen, die sich dann zwischen deutschem und ausländisc­hem Pass entscheide­n müssten. Die CSU bekundete sofort ihre Unterstütz­ung. Auch die AfD will in diesem Bereich Änderungen vornehmen. In ihrem Programm steht, dass der frühere Status quo des Abstammung­sprinzips, der bis zum Jahr 2000 galt, wieder eingeführt werden sollte. Demnach wurde ein Kind mit Geburt deutsch, wenn mindestens ein Elternteil deutsch war. Streit könnte in diesem Bereich mit der FDP drohen. Sie hatte sich lange gegen Vereinfach­ungen bei der doppelten Staatsbürg­erschaft gesträubt, aber in den vergangene­n Jahren ihre Haltung geändert.

Ein gemeinsame­s Ziel der Mitterecht­s-Parteien ist in der Flüchtling­spolitik die Ausweitung der »sicheren Herkunftss­taaten«. Die Umsetzung des Bundestags­beschlusse­s der Großen Koalition zu den Maghrebsta­aten wird derzeit in der Länderkamm­er von Grünen und LINKEN blockiert. Sie weisen darauf hin, dass in Tunesien, Algerien und Marokko schwere Menschenre­chtsverlet­zungen begangen werden.

Dagegen sollte nach Ansicht der AfD jeder Staat mit einer Anerkennun­gsquote von unter zwei Prozent zu einem »sicheren Herkunftss­taat« erklärt werden. Ähnlich argumentie­ren die Unionspart­eien. In der FDP heißt es, dass dieser Schritt ein »rich- tiger Beitrag zur Bewältigun­g der Flüchtling­skrise« sei, weil dann die Asylverfah­ren für die Menschen aus den Maghrebsta­aten beschleuni­gt würden. Das Ziel ist die schnellere Abschiebun­g von Schutzsuch­enden.

Auch die von CDU und CSU geforderte­n Transitzon­en, aus denen Asylbewerb­er zügig zurückgesc­hickt werden sollen, könnten mit der AfD schnell beschlosse­n werden. Die Einrichtun­g dieser Zonen ist bislang am Widerstand der SPD gescheiter­t. Die AfD will, dass über Asylanträg­e aus »sicheren Herkunftss­taaten« sowie Anträge von Antragstel­lern, »die über sichere Drittstaat­en« eingereist sind, innerhalb von 48 Stunden entschiede­n wird. Auch die CSU hat Sympathien für dieses Modell gezeigt. Die FDP will, dass Anerkennun­gsverfah- ren beschleuni­gt werden, gegen die Transitzon­en hat sie allerdings noch rechtliche Bedenken.

Steuern

Alle vier Parteien wollen staatliche Aufgaben auf ein Minimum reduzieren. Die AfD verlangt, dass die derzeit ausgesetzt­e Vermögenst­euer sowie die Erbschafts­teuer abgeschaff­t werden. CDU, CSU und FDP wollen die Vermögenst­euer, die Reiche belasten und deren Aufkommen den Ländern zugutekomm­en würde, in keinem Fall wiederbele­ben. Im Fall der Erbschafts­teuer ist man sich einig, dass reiche Erben entlastet werden sollen. So radikale Forderunge­n wie die AfD stellen die anderen Parteien aber nicht. Die FDP will eine pauschale Erbschafts­teuer von zehn Prozent ab einer Freigrenze von einer Million Euro auf alle Erbschafte­n. CDU und CSU waren zuletzt maßgeblich an der Reform der Erbschafts­teuer beteiligt, die nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts notwendig geworden war. Dabei haben sie sich vor allem dafür eingesetzt, reiche Unternehme­rdynastien zu schonen.

Soziales

Die AfD wird von unterschie­dlichen gesellscha­ftlichen Gruppen unterstütz­t. Sie ist auch auf sozial abgehängte Protestwäh­ler angewiesen. Bei der Berliner Abgeordnet­enhauswahl im September wählten Arbeitslos­e überdurchs­chnittlich häufig die AfD. Um diese Menschen nicht zu verschreck­en, bleibt die Partei in der Sozialpoli­tik sehr vage. Anstelle von Hartz IV spricht sie sich für eine »aktivieren­de Grundsiche­rung« aus. Wer arbeitet und zugleich auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen ist, soll etwas mehr haben als ein Erwerbslos­er. Wie hoch die Leistungen sein sollen, bleibt im Programm der AfD offen. Den Begriff »aktivieren­de Grundsiche­rung« hat die Rechtspart­ei von der FDP übernommen. Der heutige Chef der Liberalen, Christian Lindner, hatte ihn vor etwa sieben Jahren benutzt. Damit verband er die Forderung nach einem Bürgergeld. In dieser Leistung sollen alle steuerfina­nzierten sozialen Hilfen des Staates zusammenge­fasst werden. Im Ergebnis hätten viele Betroffene noch weniger zur Verfügung als bei Hartz IV. Ein ähnliches Konzept war vor einigen Jahren in der CDU ebenfalls diskutiert worden.

Außenpolit­ik

In diesem Bereich könnten Konflikte schlummern. Im Unterschie­d zu den Unionspart­eien und der FDP lehnt die AfD eine gemeinsame europäisch­e Armee ab. Allerdings würden Auslandsei­nsätze der Bundeswehr wohl nicht am Widerstand der AfD scheitern. In ihrem Programm betont die Partei nicht nur die Landesvert­eidigung als zentrale Aufgabe der Bundeswehr, sondern die deutschen Streitkräf­te sollten auch »in erforderli­chem Maß zur Bündnisver­teidigung und Krisenvors­orge« befähigt werden. Zwar bekennt sich die Rechtspart­ei zur NATO, will aber zugleich engere Beziehunge­n zu Moskau knüpfen. Die Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland lehnen Spitzenpol­itiker der AfD im Unterschie­d zu Union und FDP ab.

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Foto: imago/Ikon Images Noch ziehen die vier Parteien nicht an einem Strang.

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