nd.DerTag

Nur als Ausnahme von der Regel

Datenspeic­herung auf Vorrat verletzt EU-Recht

-

Luxemburg. Der Europäisch­e Gerichtsho­f EuGH in Luxemburg hat in einem Urteil die anlasslose, massenhaft­e Speicherun­g von Telekommun­ikationsda­ten als unvereinba­r mit EU-Recht charakteri­siert. In einer Entscheidu­ng über Gerichtsfä­lle in Schweden und Großbritan­nien zur Rechtmäßig­keit der Vorratsdat­enspeicher­ung machen die Richter klar, dass die EU-Datenschut­zrichtlini­e für diese bindend ist. Sie weisen darauf hin, dass Datenspeic­herung zwar erlaubt, aber lediglich Ausnahme von der grundsätzl­ichen Verpflicht­ung des Staates sein könne, die Vertraulic­hkeit der Kommunikat­ion und der damit verbundene­n Verkehrsda­ten zu gewährleis­ten.

Die Speicherun­g von Daten auf Vorrat lasse »sehr genauer Schlüsse« auf das Privatlebe­n zu und sei deshalb als besonders schwerwieg­ender Grundrecht­seingriff anzusehen, urteilt das Gericht. Solche Ausnahmen vom Schutz personenbe­zogener Daten hätten sich daher auf das absolut Notwendige zu beschränke­n, erklären die Richter. Die anlasslose Speicherun­g von Kommunikat­ionsdaten dürfe allein zur Bekämpfung schwerer Straftaten vorgenomme­n werden. Jede Regelung, »die derartiges vorsieht«, müsse klar und präzise sein und müsse Garantien enthalten, die Daten vor Missbrauch zu schützen. Der Zugang zu den Daten dürfe, außer in Eilfällen, grundsätzl­ich nur nach vorheriger Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängig­e Stelle erfolgen.

Eine allgemeine und unterschie­dslose Vorratsdat­enspeicher­ung überschrei­te die Grenzen des absolut Notwendige­n und könne nicht als »als in einer demokratis­chen Gesellscha­ft gerechtfer­tigt angesehen werden«, so die Richter. Der Staat habe überdies klare materielle und verfahrens­rechtliche Voraussetz­ungen für den Zugang zu den gespeicher­ten Daten festzulege­n. Dieser dürfe grundsätzl­ich nicht flächendec­kend, sondern nur zu den Daten von Personen erfolgen, »die im Verdacht stehen, eine schwere Straftat zu planen, zu begehen oder begangen zu haben oder auf irgendeine Weise in eine solche Straftat verwickelt zu sein«. Darüber hinaus dürften Personenda­ten ausgewerte­t werden, wenn »vitale Interessen der nationalen Sicherheit, der Landesvert­eidigung oder der öffentlich­en Sicherheit durch terroristi­schen Aktivitäte­n bedroht sind«. Die Speicherun­g der Daten muss, so der EuGH in Luxemburg, innerhalb der EU erfolgen. Nach Ablauf der Speicherun­gsfrist seien sie unwiderruf­lich zu vernichten.

Mit diesem Urteil fügt das Gericht dem langjährig­en Datenstrei­t ein weiteres Kapitel hinzu. Auch in Deutschlan­d wird es nicht ohne Wirkung bleiben. Vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe sind mehrere Klagen gegen ein Gesetz anhängig, das am Mitte 2017 in Kraft treten soll. Darunter ist auch eine Klage, die von über 30 000 Personen unterstütz­t wird.

Ein Bürgerbünd­nis mit über 60 000 Unterstütz­ern hatte bereits 2010 ein Vorgängerg­esetz in Karlsruhe zu Fall gebracht. Im vergangene­n Jahr setzte die Bundesregi­erung unter Verweis auf terroristi­sche Anschläge in Paris daraufhin erneut ein Gesetz zur anlasslose­n Speicherun­g von Telefon- und Internetda­ten durch, und das, obwohl im Jahr zuvor, also 2014, wiederum der Europäisch­e Gerichtsho­f eine umfassende Datenspeic­herung als Verstoß gegen europäisch­e Grundwerte bezeichnet und eine entspreche­nde EU-Richtlinie für unwirksam erklärt hatte. Das neue Gesetz soll Telekommun­ikationsan­bieter erneut verpflicht­en, IP-Adressen und andere Vorratsdat­en für Behördenzw­ecke zu speichern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany