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Herr Wehner und ein Diplom wider Willen

Rheinland-Pfalz: Politiker der SPD in Erklärungs­not

- Von Oliver von Riegen und Jens Albes, Mainz dpa/nd

Der wegen einer angebliche­n »Biografie-Lüge« in die Schlagzeil­en geratene rheinland-pfälzische SPD-Landtagsab­geordnete Thorsten Wehner wird auch 2017 noch mit anderen älteren Vorwürfen konfrontie­rt sein. »Die Ermittlung­en gestalten sich sehr umfangreic­h. In diesem Jahr werden wir bestimmt nicht mehr fertig«, sagte der Koblenzer Oberstaats­anwalt Hans Peter Gandner am Montag der dpa. Wehner steht im Verdacht, an einer möglichen Betrugsser­ie bei der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) im Norden des Bundesland­es beteiligt gewesen zu sein.

Unterdesse­n lässt SPD-Fraktionsc­hef Alexander Schweitzer mögliche Folgen einer falschen Titelangab­e für Wehner offen. »Es ist auf keinen Fall tolerierba­r, sollte ein Abgeordnet­er falsche Angaben zu seinem berufliche­n Abschluss, zu seinem Universitä­tsabschlus­s gemacht haben«, sagte er in Mainz. Er sieht jedoch noch mehrere offene Fragen. »Wir werden versuchen, diese Fragen so schnell wie möglich gemeinsam mit ihm zu klären.«

Wehner ist in den LandtagsHa­ndbüchern 2006 und 2011 als Mathematik­er mit Diplomabsc­hluss aufgeführt. Am Wochenende bestätigte er, kein DiplomMath­ematiker zu sein. Wehner erklärte, er habe nie behauptet, diesen Titel zu haben und wisse nicht, wie die Informatio­n dort hereingeko­mmen sei. Schweitzer sagte, in der SPD-Fraktion sei bekannt gewesen, dass Wehner sein Studium nicht beendet habe.

Der Landtag teilte am Montag der dpa mit, nicht für falsche frühere biografisc­he Angaben Wehners verantwort­lich zu sein. Parlaments­sprecher Klaus Lotz sagte: »Was wir an Angaben von den Abgeordnet­en bekommen, erscheint im Handbuch.« Es gebe keinen Anlass daran zu zweifeln, dass Angaben nicht korrekt übernommen worden seien. Im neuen Handbuch firmiert der SPD-Politiker nur noch als Mathematik­er. Wehner hatte eingeräumt, dass ein Artikel über ihn im Internet-Lexikon Wikipedia schneller hätte geändert werden sollen. Dort sei er ohne sein Zutun als Diplom-Mathematik­er geführt worden.

Der SPD-Politiker Wehner wird auch verdächtig­t, in einen Betrugsska­ndal verwickelt zu sein.

Im Zusammenha­ng mit dem früheren AWO-Abrechnung­sskandal war Wehners parlamenta­rische Immunität als besonderer Schutz gegen Strafverfo­lgung schon in der vergangene­n Legislatur­periode aufgehoben worden. Nach Wehners Wiederwahl im März beantragte die Koblenzer Staatsanwa­ltschaft laut Gandner beim Landtag erneut erfolgreic­h dieses Status: »Das bezieht sich aber nur auf dieses Verfahren.« Wehner war am Montag vorerst nicht zu erreichen, hatte aber früher schon gesagt, dieses »schwebende Verfahren« nicht zu kommentier­en. Er sei gerne bereit, bei den Ermittlung­en konstrukti­v mitzuarbei­ten.

Die Staatsanwa­ltschaft Koblenz ermittelt schon seit langem gegen mehrere frühere Mitarbeite­r der insolvent gewordenen AWOKreisve­rbände Altenkirch­en und Westerwald. Bei ihnen geht es um mutmaßlich­en Betrug bei Seminaren: Sie sollen in den Jahren 2010 bis 2014 mehr Teilnehmer abgerechne­t haben als gekommen waren. Wehner stand an der Spitze des AWO-Kreisverba­ndes Altenkirch­en.

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