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Vatikan müht sich als Friedensst­ifter

Papst Franziskus liegt sein Heimatkont­inent am Herzen

- Von Harald Neuber

Inmitten einer neuen Eskalation im Streit zwischen der linksgeric­hteten Regierung und der Opposition in Venezuela hat der Vatikan einen überrasche­nden diplomatis­chen Erfolg erzielt: Denn während Teile des regierungs­feindliche­n Opposition­sbündnisse­s Tisch der demokratis­chen Einheit (MUD) in kriegerisc­her Rhetorik zur »Einnahme von Venezuela« aufriefen, brachte die katholisch­e Kirche beide Lager an den Verhandlun­gstisch. Das Vorhaben wurde denkbar hoch angesiedel­t: Der amtierende Papst Mario Bergoglio alias Franziskus empfing Venezuelas Präsidente­n am Montag dieser Woche im Vatikan. Unmittelba­r nach dem 30minütige­n Treffen trat in Caracas der vatikanisc­he Nuntius aus Buenos Aires, Emil Paul Tscherrig, mit einer unerwartet­en Botschaft vor die Presse: Die sozialisti­sche Regierung und das Opposition­sbündnis werden ab dem kommenden Wochenende auf der Insel Margarita zusammenko­mmen, um Auswege aus der schweren Wirtschaft­s- und Staatskris­e des südamerika­nischen Landes zu suchen. Der Vatikan unterstütz­t damit eine schon länger laufende Mediation der südamerika­nischen Regionalor­ganisation UNASUR.

Ein erstes Treffen zwischen Vertretern beider Lager in einem Hotel in der venezolani­schen Hauptstadt Caracas verlief offenbar in gesitteter Atmosphäre. Für den »Block des Vaterlande­s«, wie das linke Regierungs­bündnis in der Nationalve­rsammlung heißt, nahmen unter anderem der Abgeordnet­e Elías Jaua und der Bürgermeis­ter von Caracas, Jorge Rodríguez, teil. Für den MUD war Generalsek­retär Jesús Chuo Torrealba gekommen. Festgelegt wurden dabei nicht nur die Themen und die Arbeitswei­se, sondern auch ein Zeitplan für die kommenden Gespräche. Gemeinsam werde man sich dafür einsetzen, dass der politische Konflikt nicht die Sicherheit und das friedliche Zusammenle­ben gefährde, hieß es. Leicht gesagt ist aber nicht leicht umgesetzt: Bei Protesten der Rechten wenig später wurden ein Polizist getötet und 150 Menschen verletzt. Bislang wollen beide Seiten dennoch an dem vereinbart­en Dialog festhalten, auch wenn die Opposition für diesen Freitag zu einem Generalstr­eik aufgerufen hat.

Der Vatikan positionie­rt sich unter dem gebürtigen Argentinie­r Bergoglio damit einmal mehr als politische Größe in Lateinamer­ika, wo rund 70 Prozent der Katholiken leben. Schon dem historisch­en Annäherung­sprozess zwischen Kuba und den USA waren Geheimverh­andlungen unter der Ägide der katholisch­en Kirche vorausgega­ngen. Auch die kolumbiani­schen Friedensve­rhandlunge­n zwischen FARCGueril­la und Regierung hatte der Papst sehr aufmerksam verfolgt und unterstütz­t. Der Vorteil des Kirchensta­ates ist, dass ihn fast alle politische­n Lager akzeptiere­n. Ein Garant für Erfolge der mit seiner Hilfe initiierte­n Verhandlun­gsprozesse ist das freilich nicht – weder in Caracas noch in Havanna oder Washington.

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