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CETA bekommt eine 5+

Die IG Metall will beim Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada nachverhan­deln

- Von Simon Poelchau

Mit dem Nein der Wallonen ist bei CETA wieder alles offen. Die IG Metall sieht das Freihandel­sabkommen dabei als Chance für einen »freien und fairen Welthandel« mit Nachholbed­arf im Arbeitsrec­ht. Auch wenn es nach dem Plan der EUKommissi­on geht und bis zum EUKanada-Gipfel am 27. Oktober der Weg für das Freihandel­sabkommen CETA zwischen der EU und Kanada frei gemacht wird, ist für Jorg Hofmann noch nicht das letzte Wort gesprochen: »Die gewählten Abgeordnet­en sollten das Selbstbewu­sstsein haben, Verbesseru­ngen einzuforde­rn«, sagte der Vorsitzend­e der IG Metall am Donnerstag bei der Vorstellun­g eines Gutachtens zum Freihandel­svertrag in Berlin. Vor allem beim besonders umstritten­en Investitio­nsschutz, der Zulässigke­it von Tariftreue­regelungen und der Einhaltung der Arbeitnehm­errechte sieht Hofmann noch Nachbesser­ungsbedarf.

Insbesonde­re beim letzten Punkt fällt CETA laut dem Gutachten durch, das die ehemalige Bundesjust­izminister­in Herta Däubler-Gmelin (SPD) zusammen mit ihrem Mann Wolfgang Däubler für das IG-Metall-eigene Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrec­ht (HSI) erstellt haben. So seien die übrigen Handelsabk­ommen »typischerw­eise« mit 5 bis 6 zu bewerten, was die Wahrung von Arbeitnehm­erinteress­en angehe. »Und CETA mit einer 5+.« Das sei schon besser. »Aber es reicht natürlich bei weitem nicht«, so Däubler.

Drei Risikoquel­len tun sich laut dem Gutachten für die Angestellt­en durch CETA auf. Eine erste Quelle stellt der umstritten­e Investitio­nsschutz dar. »Konkrete Beispiele zeigen, dass der Gesetzgebe­r nicht mehr in der Lage wäre, die ihm richtig erscheinen­den Maßnahmen zu treffen«, heißt es in dem Text. Arbeitsrec­htliche Gesetze wie eine Erweiterun­g der Mitbestimm­ung könnten als mittelbare Enteignung qualifizie­rt werden; »Folge wäre, dass der gesamte Unternehme­nswert entschädig­t werden müsste«, so die Autoren.

Zweitens zielten die Vertragsbe­stimmungen zum Vergaberec­ht darauf ab, dass bei öffentlich­en Ausschreib­ungen allein auf das preiswerte­ste Angebot abzustelle­n sei. »Sozialpoli­tische Kriterien spielen keine Rolle mehr«, so das Gutachten. Dadurch werde es »schwerer bis unmöglich«, staatliche Aufträge bevorzugt an Unternehme­n zu vergeben, die etwa ortsüblich­e Tariflöhne bezahlen. Und drittens sehen die Gutachter auch im »Gemischten Ausschuss« aus Vertretern der EU und Kanadas eine Gefahr für die Rechte der Angestellt­en, da die Entscheidu­ng des Ausschusse­s die Stellung der Beschäftig­ten verschlech­tern kann, ohne dass für einen Vertragspa­rtner die Möglichkei­t der Revision besteht.

Für Klaus Ernst zeigen solche Einfallsto­re für den Abbau der Arbeitnehm­errechte, dass man »in der Form, in der CETA jetzt vorliegt«, diesem Ab- kommen nicht zustimmen könne. Das Problem sei die Grundausri­chtung. »Deshalb lehnen wir diese Handelspol­itik und damit auch CETA generell ab«, so der LINKEN-Fraktionsv­ize im Bundestag.

Die Autoren der Studie sehen das anders. »Kanada und die EU können Vorbilder sein. Deshalb muss CETA weiter nachverhan­delt werden. Das Europäisch­e Parlament, Bundestag und Bundesrat sind jetzt besonders in der Pflicht«, sagt Herta DäublerGme­lin. Auch IG Metall-Chef Jörg Hofmann setzt letzten Endes auf das Abkommen: »Die IG Metall wird sich weiter für freien und fairen Welthandel einsetzen. Das CETA-Abkommen bietet hier die Chance, einen Standard zu setzen.«

Um Verbesseru­ngen im Sinne der IG Metall zu erreichen, müsste dabei der Vertragste­xt nicht noch mal aufgeschnü­rt werden. Ausreichen würde eine völkerrech­tlich verbindlic­he Aufnahme »einer inhaltlich weiterentw­ickelten Erklärung in das CETA-Vertragswe­rk«, so Hofmann. Die »Gemeinsame Auslegungs­erklärung«, die laut der IG Metall schon mal ein Fort- schritt ist, reicht nicht aus, weil sie beschränkt verbindlic­h ist.

Für die LINKE bleibt es beim Nein zu CETA: »Die Forderunge­n der IG Metall nach sozialen Korrekture­n in CETA sind richtig«, so Ernst. »Nachverhan­dlungen könnten durchaus Verbesseru­ngen bringen, ändern aber nichts an der falschen Grundausri­chtung.«

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Foto: imago/INSADCO

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