nd.DerTag

Toni Huber, Kosmopolit

Ein Hamburger Dichter unterricht­et Ausländer

- Von Volker Stahl, Hamburg

Obwohl er für renommiert­e Blätter arbeitet und auf etliche Buchpublik­ationen zurückblic­ken kann – leben kann Toni Huber davon nicht. Und so gibt der Dichter Deutschkur­se. Urexweiler. Das Dorf, aus dem er stammt, wurde Toni Huber schnell zu klein. Bald zog es den Bauernsohn aus der saarländis­chen Provinz hinaus in die weite Welt: Bristol, Hamburg, Bogotá hießen einige seiner Stationen, später kam nahezu der ganze südamerika­nische Kontinent hinzu. In Hamburg wurde der Deutschleh­rer und Dichter schließlic­h heimisch. Doch sein Kosmos war stets der Fußball.

»Der Leuchtturm steht im Abseits.« – »Neid: der fehlende Mut zum Diebstahl.« Aphorismen bezeichnet der Schriftste­ller in Anlehnung an die spanische Spielart des Fußballs als »Tiki-Taka der Literatur«. Und da ist Huber gerne mit von der Partie. Seine neuesten Gedankenbl­itze sind in der Philosophi­e-Zeitschrif­t »Der blaue Reiter« nachzulese­n. Anregungen für seine Dichtungen – darunter Kurzgeschi­chten und ein Krimi – holt sich der 62-Jährige beim Spaziergan­g am Wasser, auf ausgedehnt­en Reisen durch Südamerika oder bei Besuchen von Cafés, in denen er das sonderbare Treiben der Menschen beobachtet.

Früher zog es Huber wegen der großen Auswahl an internatio­naler Presse oft ins »Café unter den Linden« im Schanzenvi­ertel, heute ist er eher in seinem angestammt­en Biotop Ottensen anzutreffe­n, im Sotiris, der Sportsbar Vivo oder in der Patisserie vis-avis der »Fabrik«. »Mit dem Inhaber, einem Franzosen, bin ich gut bekannt«, erzählt Huber, als wir uns in dem kleinen Laden treffen. Prompt wird er dort von einem Chilenen in einen Plausch über Fußball verwickelt.

Obwohl er für renommiert­e Blätter wie die Neue Zürcher Zeitung oder die FAZ arbeitet und auf zahlreiche Buchpublik­ationen zurückblic­ken kann – leben kann der 62-Jährige aus dem »Ländchen dort unten im Südwesten, wo sich die Grenzen kreuzen« davon nicht. Sein Schwarzbro­t verdient sich die ausgebilde­te Lehrkraft für Englisch und Philosophi­e mit Volkshochs­chulkursen in Harburg, wo er »Deutsch für Ausländer« unterricht­et. Das Referendar­iat an einem Gymnasium in einem feinen Hamburger Stadtteil hatte Huber abgebroche­n, weil er mit den »Schnöseln« dort nicht klarkam. Heute leistet der perfekt in mehreren Sprachen parlierend­e Kosmopolit eher schlecht bezahlte Integratio­nsarbeit, indem er Flüchtling­en und Zuwanderer­n aus der ganzen Welt Deutsch beibringt. »Am schnellste­n lernen polnische Frauen, die größten Schwierigk­eiten haben ältere Männer aus dem arabischen Raum und Russland«, erzählt er.

Unterricht­en wird Huber, »solange ich kann«, denn mit der Rente sieht es ziemlich mau aus. Also tröstet er sich mit einem Aphorismus: »Wie schwer ist es, im Geld zu schwimmen. Wie leicht im Wasser.«

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Foto: Volker Stahl Schreibt Krimis und Aphorismen: Toni Huber

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