Eben selbstbestimmt
Die Aktivistin Lotte Schäfer will feministische Kräfte gegen den Rechtsruck vereinen
Am Samstag demonstrieren unter dem Motto »Marsch für das Leben« christliche Abtreibungsgegner*innen zum zwölften Mal in Berlin. Lotte Schäfer aus der Interventionistischen Linken (IL) organisiert in dem linksradikalen Bündnis »What the Fuck?!« Blockaden gegen den Aufmarsch. Mit ihr sprach Elsa Koester über das Frauenbild der AfD, die Burka und feministische Strategien gegen Rechts. Was hat die »Lebensschutzbewegung« mit der AfD zu tun? Die »Lebensschützer« stellen sich seit den 70er Jahren gegen Abtreibung und sind inzwischen ein Sammelbecken für unterschiedliche Akteure der Neuen Rechten. Die Berliner AfD-Politikerin Beatrix von Storch unterstützt sie seit Jahren. Gemeinsam ist ihnen ein wertkonservatives Familienbild: Das Abtreibungsverbot, die Reduzierung der Frau auf Mutterschaft in einer Kleinfamilie, die Ablehnung sexueller Vielfalt und die Forderung nach Abschaffung der Genderforschung. Hat es nicht auch Vorteile, dass Geschlechtspolitik in die Öffentlichkeit rückt? Seit den sexuellen Übergriffen von Köln ist Feminismus immerhin ein viel diskutiertes Thema. Was sagt denn ein antirassistischer Feminismus zur Burka? Kann man gegen christliche Fundamentalisten protestieren und gleichzeitig den Schleier verteidigen? Und der fundamentalistische Islam? Wir müssen auch unsere Religionskritik stärker ausdiskutieren und schauen, wo wir Grenzen ziehen, wo wir aber auch solidarisch miteinander sein müssen. Die Debatte zeigt, dass es neue Bündnisse braucht, die muslimische Feminist*innen einschließen. Mit ihnen müssen wir in Kontakt kommen und die Kämpfe gegen das Patriarchat gemeinsam führen. Das linksradikale »What the Fuck?!«-Bündnis mobilisiert unter anderem mit dem Spruch »Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat«. Natürlich ist das eine linksradikale Mobilisierung, die sich nicht an die breite Gesellschaft richtet. Dafür gibt es das Bündnis »Für die sexuelle Selbstbestimmung«, mit dem wir uns absprechen. Aber es ist uns auch wichtig, unsere eigene Vorstellung von Queerfeminismus auf die Straße zu tragen, um uns selbst zu empowern. In der Antifa wird derzeit über neue Strategien diskutiert. Wie sehen feministische Gruppen die antifaschistische Praxis der letzten 20 Jahre? Sehr problematisch. Erst seit es um die AfD geht, wird langsam erkannt, dass neben dem Rassismus der Antifeminismus ein großes Problem darstellt. Da tut sich aber etwas: Feminist*innen waren auf der Demonstration gegen Rassismus Anfang September sehr präsent. Auf dieser Demonstration haben sich zwei junge Männer darüber unterhalten, dass Feminismus der falsche Weg gegen die AfD sei. In der Führung seien doch lauter Frauen. Dass Beatrix von Storch oder Frauke Petry Frauen sind, hält sie doch nicht davon ab, antifeministische Politik voran zu treiben. Auch Frauen können konservative Frauenbilder vertreten. Das ist eine politische Auseinandersetzung. Welches Familienbild stellen Sie dem der AfD entgegen? Wir wollen kein Gegenbild vermitteln, sondern die Freiheit haben, einfach so zu leben und zu lieben, wie wir wollen. Und nicht in zwangsläufig festgefahrenen Bahnen von Heterosexualität oder Mutterschaft in einer Kleinfamilie. Selbstbestimmt eben. Was genau plant Ihr Bündnis? Wir wollen den Aufmarsch blockieren, weil wir diesen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen* nicht akzeptieren. Im letzten Jahr waren wir damit sehr erfolgreich, wir konnten die »Lebensschützer« für mehrere Stunden aufhalten.
Diese Situation ist gefährlich. Natürlich ist die Verschärfung des Sexualstrafrechts nach Köln begrüßenswert. Gleichzeitig wird der Feminismus für eine rassistische Stimmungsmache instrumentalisiert. Dagegen müssen wir uns klar abgrenzen: Denn unser Feminismus funktioniert nur antirassistisch. Frauen* müssen eine Entscheidungsmacht darüber haben, welcher religiösen Gruppe sie sich zuteil fühlen – und wie sie sich kleiden. Komisch ist es doch, den Islam als repressiv gegenüber Frauen* darzustellen, aber nicht zu reagieren, wenn christliche Fundamentalisten in Berlin aufmarschieren und Frauen* das Selbstbestimmungsrecht nehmen wollen. Wie gruselig ist das fundamentalistische Christentum?!