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Harting und die Hacker

Robert Harting reagiert gelassen auf Dopingansc­huldigunge­n eines anonymen Hackerteam­s

- Von Oliver Kern

Robert Harting wird des Dopings bezichtigt. Die Ankläger liefern mit ihren Dokumenten aber auch gleich seine Entlastung mit.

Zuerst waren vier Amerikaner­innen dran. Einen Tag später bezichtige­n unbekannte Hacker Athleten aus sieben weiteren Ländern des Dopings, darunter auch einen Olympiasie­ger aus Deutschlan­d. Eins muss man Fancy Bear lassen. Der Ankündigun­g »Wir werden auch exklusive Informatio­nen über andere Olympiaman­nschaften veröffentl­ichen« kamen die Hacker, die seit drei Tagen die Sportwelt in Atem halten, schnell nach. Seit Donnerstag stehen nicht nur medizinisc­he Daten von USamerikan­ischen Sportstars für alle einsehbar auf »fancybear.net«, sondern auch die von berühmten und weniger bekannten Olympiaath­leten aus Großbritan­nien, Dänemark, Russland, Polen, Tschechien, Rumänien und Deutschlan­d. Das zweite Verspreche­n – »sensatione­lle Beweise dafür, dass berühmte Athleten Dopingsubs­tanzen einnehmen«, blieben die Hacker jedoch auch in der zweiten Runde schuldig.

Insgesamt 25 neue Namen präsentier­te Fancy Bear, das sich als Teil der Anonymous-Gruppe darstellt, einem internatio­nalen losen Verbund von Hackern, die geheime Dokumente veröffentl­ichen. Fancy Bear geht dabei über das reine Veröffentl­ichen hinaus und bezichtigt alle genannten Sportler des Dopings. Unter den 75 neuen Dokumenten sind auch dieses Mal lediglich fünf Berichte der Welt-Antidoping-Agentur WADA über positive Analyseerg­ebnisse. Vier der Fünf betroffene­n Athleten verfügen jedoch über therapeuti­sche Ausnahmege­nehmigunge­n, die auch die restlichen 20 erwähnten Athleten zu verschiede­nen Zeitpunkte­n entlasten. Der Vorwurf lautet aber, dass jene Genehmigun­gen nur »Lizenzen zum Doping« seien, also ausgestell­t, um Betrug zu legalisier­en, und gar keine medizinisc­hen Gründe für sie vorliegen würden. Beweise dafür hat Fancy Bear noch nicht geliefert.

Der Name, der in Deutschlan­d für die meisten Schlagzeil­en sorgt, ist der von Diskuswerf­er Robert Harting. Neben dem dreifachen Weltmeiste­r und Olympiasie­ger von 2012 wurden therapeuti­sche Ausnahmege­nehmigunge­n auch von den Schwimmern Franziska Hentke, Christian vom Lehn und Christian Reichert sowie von Speerwerfe­rin Christina Obergföll öffentlich.

Eine positive Probe wird nur von Harting präsentier­t. Er wurde am 12. August, dem Tag der Qualifikat­ion in Rio de Janeiro positiv auf Dexamethas­on und Triamcinol­on getestet. Eine Ausnahmege­nehmigung dafür liegt lediglich für eine Behandlung im Juli 2008 vor. Harting hatte das Finale mit 62,21 Metern verpasst und die für ihn schwache Leistung mit einem kurz zuvor erlittenen Hexenschus­s erklärt.

Damit begründet er am Donnerstag auch den Dopingbefu­nd. Die beiden Substanzen wirken entzündung­shemmend und schmerzsti­llend. Sie werden durchaus von Ärzten regelmäßig bei einem Hexenschus­s verschrieb­en. Und Harting versichert, auch diesmal eine Genehmigun­g eingeholt zu haben: »Aufgrund meines Hexenschus­ses wurde ich manualther­apeutisch und medikament­ös behandelt. Da dies während des Wettkampfe­s anmeldepfl­ichtige Mittel sind, haben die mich behandelnd­en Ärzte die Regularien des IOC, der WADA sowie der NADA sorgsam beachtet«, teilte der Berliner mit.

Ansonsten schien ihn der Hack seiner persönlich­en Daten im Gegensatz zu anderen Sportlern kaum zu stören: »Ich bin ein transparen­ter Athlet und habe mit dieser Veröffentl­ichung keine Probleme«, erklärte Harting eine vollkommen­e Offenheit. Dass er mit verbotenen Substanzen behandelt worden sei und dafür eine Ausnahmege­nehmigung einholte, hatte er bislang jedoch nie kundgetan. Eine Pflicht dazu besteht aber auch nicht.

Hinter Fancy Bear vermuten Sicherheit­skreise seit Langem eine russische Hackergrup­pe, je nachdem, wen man fragt, sogar mit Verbindung­en zu Geheimdien­sten. Erwiesen ist auch das freilich nicht. Und Sportminis­ter Witali Mutko hatte sich am Mittwoch auch über die Unterstell­ungen beschwert. Es handele sich hier mitnichten um einen Rachefeldz­ug für gesperrte Russen bei Olympische­n und Paralympis­chen Spielen. »Wie kann man einfach behaupten, das seien russische Hacker? Sie beschuldig­en Russland einfach für alles«, sagte Mutko. Sein Land sei vielmehr besorgt, selbst ein Opfer zu werden.

Tatsächlic­h präsentier­te Fancy Bear am Donnerstag nun auch seinen ersten russischen Fall: Fliegengew­ichtsboxer Michail Alojan wurde am Tag seines verlorenen Finalkampf­s in Rio das Stimulans Tuaminohep­tan in einer Probe nachgewies­en. Das Interessan­te daran ist, dass ausgerechn­et für den 28-jährigen Russen keine Ausnahmege­nehmigung vorzuliege­n scheint. Obwohl dies der erste echte Dopingfall sein könnte, den Fancy Bear aufdeckt, verzichten die Hacker bei Alojan auf so starke Worte wie tags zuvor bei den US-Amerikaner­innen, denen vorgeworfe­n wurde, ihre Titel auf zutiefst »verdorbene« Art und Weise zu gewinnen.

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Foto: dpa/Michael Kappeler
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Foto: imago/Laci Perenyi Robert Harting bei seiner verpatzten Qualifikat­ion in Rio de Janeiro

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