Harting und die Hacker
Robert Harting reagiert gelassen auf Dopinganschuldigungen eines anonymen Hackerteams
Robert Harting wird des Dopings bezichtigt. Die Ankläger liefern mit ihren Dokumenten aber auch gleich seine Entlastung mit.
Zuerst waren vier Amerikanerinnen dran. Einen Tag später bezichtigen unbekannte Hacker Athleten aus sieben weiteren Ländern des Dopings, darunter auch einen Olympiasieger aus Deutschland. Eins muss man Fancy Bear lassen. Der Ankündigung »Wir werden auch exklusive Informationen über andere Olympiamannschaften veröffentlichen« kamen die Hacker, die seit drei Tagen die Sportwelt in Atem halten, schnell nach. Seit Donnerstag stehen nicht nur medizinische Daten von USamerikanischen Sportstars für alle einsehbar auf »fancybear.net«, sondern auch die von berühmten und weniger bekannten Olympiaathleten aus Großbritannien, Dänemark, Russland, Polen, Tschechien, Rumänien und Deutschland. Das zweite Versprechen – »sensationelle Beweise dafür, dass berühmte Athleten Dopingsubstanzen einnehmen«, blieben die Hacker jedoch auch in der zweiten Runde schuldig.
Insgesamt 25 neue Namen präsentierte Fancy Bear, das sich als Teil der Anonymous-Gruppe darstellt, einem internationalen losen Verbund von Hackern, die geheime Dokumente veröffentlichen. Fancy Bear geht dabei über das reine Veröffentlichen hinaus und bezichtigt alle genannten Sportler des Dopings. Unter den 75 neuen Dokumenten sind auch dieses Mal lediglich fünf Berichte der Welt-Antidoping-Agentur WADA über positive Analyseergebnisse. Vier der Fünf betroffenen Athleten verfügen jedoch über therapeutische Ausnahmegenehmigungen, die auch die restlichen 20 erwähnten Athleten zu verschiedenen Zeitpunkten entlasten. Der Vorwurf lautet aber, dass jene Genehmigungen nur »Lizenzen zum Doping« seien, also ausgestellt, um Betrug zu legalisieren, und gar keine medizinischen Gründe für sie vorliegen würden. Beweise dafür hat Fancy Bear noch nicht geliefert.
Der Name, der in Deutschland für die meisten Schlagzeilen sorgt, ist der von Diskuswerfer Robert Harting. Neben dem dreifachen Weltmeister und Olympiasieger von 2012 wurden therapeutische Ausnahmegenehmigungen auch von den Schwimmern Franziska Hentke, Christian vom Lehn und Christian Reichert sowie von Speerwerferin Christina Obergföll öffentlich.
Eine positive Probe wird nur von Harting präsentiert. Er wurde am 12. August, dem Tag der Qualifikation in Rio de Janeiro positiv auf Dexamethason und Triamcinolon getestet. Eine Ausnahmegenehmigung dafür liegt lediglich für eine Behandlung im Juli 2008 vor. Harting hatte das Finale mit 62,21 Metern verpasst und die für ihn schwache Leistung mit einem kurz zuvor erlittenen Hexenschuss erklärt.
Damit begründet er am Donnerstag auch den Dopingbefund. Die beiden Substanzen wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Sie werden durchaus von Ärzten regelmäßig bei einem Hexenschuss verschrieben. Und Harting versichert, auch diesmal eine Genehmigung eingeholt zu haben: »Aufgrund meines Hexenschusses wurde ich manualtherapeutisch und medikamentös behandelt. Da dies während des Wettkampfes anmeldepflichtige Mittel sind, haben die mich behandelnden Ärzte die Regularien des IOC, der WADA sowie der NADA sorgsam beachtet«, teilte der Berliner mit.
Ansonsten schien ihn der Hack seiner persönlichen Daten im Gegensatz zu anderen Sportlern kaum zu stören: »Ich bin ein transparenter Athlet und habe mit dieser Veröffentlichung keine Probleme«, erklärte Harting eine vollkommene Offenheit. Dass er mit verbotenen Substanzen behandelt worden sei und dafür eine Ausnahmegenehmigung einholte, hatte er bislang jedoch nie kundgetan. Eine Pflicht dazu besteht aber auch nicht.
Hinter Fancy Bear vermuten Sicherheitskreise seit Langem eine russische Hackergruppe, je nachdem, wen man fragt, sogar mit Verbindungen zu Geheimdiensten. Erwiesen ist auch das freilich nicht. Und Sportminister Witali Mutko hatte sich am Mittwoch auch über die Unterstellungen beschwert. Es handele sich hier mitnichten um einen Rachefeldzug für gesperrte Russen bei Olympischen und Paralympischen Spielen. »Wie kann man einfach behaupten, das seien russische Hacker? Sie beschuldigen Russland einfach für alles«, sagte Mutko. Sein Land sei vielmehr besorgt, selbst ein Opfer zu werden.
Tatsächlich präsentierte Fancy Bear am Donnerstag nun auch seinen ersten russischen Fall: Fliegengewichtsboxer Michail Alojan wurde am Tag seines verlorenen Finalkampfs in Rio das Stimulans Tuaminoheptan in einer Probe nachgewiesen. Das Interessante daran ist, dass ausgerechnet für den 28-jährigen Russen keine Ausnahmegenehmigung vorzuliegen scheint. Obwohl dies der erste echte Dopingfall sein könnte, den Fancy Bear aufdeckt, verzichten die Hacker bei Alojan auf so starke Worte wie tags zuvor bei den US-Amerikanerinnen, denen vorgeworfen wurde, ihre Titel auf zutiefst »verdorbene« Art und Weise zu gewinnen.