Elektroden aus Stein
Neue Katalysatormaterialien könnten die Wasserstoffgewinnung mittels Elektrolyse verbilligen.
Einer der einfachsten Schulversuche in Chemie dürfte die elektrolytische Wasserspaltung sein. Eine Batterie, zwei Drähte, ein Becherglas mit Wasser (H2O), mehr braucht man nicht. Die Drähte an die Batterie anklemmen, das andere Ende ins Wasser und schon steigen Bläschen reinen Wasserstoffs (H2) und reinen Sauerstoffs (O2) auf. Wenn man allerdings den Energieverbrauch der Versuchsanordnung mit dem Energiegehalt des freigesetzten Wasserstoffs vergleicht, wird klar: Wirtschaftlich ist das nicht. Deshalb stammt praktisch sämtlicher Wasserstoff, der heutzutage großtechnisch eingesetzt wird, aus der Zerlegung von Erdgas oder anderen fossilen Kohlenwasserstoffen. Dieser Vorgang benötigt zwar auch relativ viel Energie, ist aber bislang preiswerter als die Elektrolyse.
Doch seitdem im Zuge der Energiewende immer öfter stundenweise ein Überangebot an Wind- und Solarstrom auftritt, ist das Interesse an der Elektrolyse wieder erwacht. Überdies stellt sich angesichts riesiger Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmotoren die Frage nach einer Kraftstoffversorgung ohne fossile Quellen. Für die Herstellung – etwa mit Hilfe von CO2 – benötigt man Wasserstoff.
Während im Schulversuch in der Regel einfache Kupferdrähte verwendet werden, nutzen industrielle Elektrolyseanlagen meist deutlich teurere Materialien für ihre Elektroden. Denn wie so oft in der Chemie verläuft auch die Wasserspaltung durch elektrischen Strom sehr viel effektiver, wenn sie durch Katalysatoren unterstützt wird. Das Maß der Dinge dabei ist Platin. Und das ist teuer. Ein Kilogramm Platin kostet um die 40 000 Euro. Und so wird nach preisgünstigen Alternativen gesucht.
Bei den Elektroden auf der Wasserstoffseite ist schon länger bekannt, dass Schwefelverbindungen und Oxide der sogenannten Übergangsme- talle – vor allem aus der Mangan-, Kobalt-, Eisen- und Nickelgruppe des Periodensystems – ziemlich gut funktionieren, erläutert Sebastian Fiechter vom Helmholtz Zentrum Berlin.
Zwei aktuelle Veröffentlichungen zeigen jetzt, dass neben den relativ seltenen und teuren Elementen Platin oder Ruthenium sogar die recht billigen Metalle Eisen und Nickel gut als Katalysator für die Wasser-Elektrolyse taugen. Eine Forschergruppe um Xinbo Zhang vom Changchun-Institut für Angewandte Chemie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften beschreibt im Fachjournal »Angewandte Chemie« (DOI: 10.1002/ ange. 201604040), wie man eigens für die Elektrolyse Edelstahl rosten ließ. Die entstandene poröse Oberfläche aus Eisen- und Nickeloxid habe sich im Dauerbetrieb als stabile Elektrode für die Wasseroxidation zu Sauerstoff bei der Elektrolyse gezeigt, schreiben die chinesischen Chemiker. Einen weiteren Vorteil sehen die Forscher darin, dass sich verbrauchtes Elektrodenmaterial günstig wieder aufarbeiten lässt.
Bei der Spaltung von H2O – so erläutert Fiechter – müssen für die Entstehung eines Sauerstoffmoleküls, al- so O2, vier Elektronen übertragen werden. Das ist aufwendiger als beim Wasserstoff, wo es nur zwei sind. Für diesen Schritt setzt ein internationales Team um Ulf-Peter Apfel von der Ruhr-Universität Bochum eine ähnliche Materialkombination ein. Auch hier Eisen und Nickel, nur diesmal als Sulfid. Dieses Eisen-Nickel-Mischsulfid kommt auch in der Natur als Mineral vor: Pentlandit (Fe4.5Ni4.5S8). Doch in den Elektrolyseversuchen verwendeten Apfel und Kollegen nicht das natürliche Pentlandit, das meist mit Magnesium und Silizium verunreinigt ist, sondern ein künstlich aus den Ausgangselementen hergestelltes Material.
»Das künstliche Pentlandit ist ähnlich strukturiert wie das aktive Zentrum der Hydrogenasen, der Enzyme, die bei der Photosynthese der Pflanzen den Wasserstoff abspalten«, erklärt Apfel im Gespräch mit »nd«. Dabei sei das Material ähnlich effizient wie das teure Platin. Ein Vorteil des synthetischen Pentlandits ist laut Apfel, dass das Material als massive Elektrode eingesetzt werden kann, weil es elektrisch leitfähig ist. Man muss also nicht wie bei vielen anderen Katalysatoren Nanopartikel er- zeugen und sie eigens in ein leitfähiges Material einbetten. Die mineralische Elektrode schnitt im Vergleich zwar etwas schlechter ab als Platin, aber deutlich besser als reines Eisen-, Nickel- oder Molybdänsulfid, schreiben die Forscher im Fachblatt »Nature Communications« (DOI: 10.1038/ncomms12269).
Der Bochumer Chemiker sieht noch einen Vorteil seines Katalysatormaterials. Pentlandit funktioniert auch in Gegenwart von Schwefelverunreinigungen, während Platinkatalysatoren von Schwefel unbrauchbar gemacht werden. Das ist auch der Grund, warum Autos mit Abgaskatalysator schwefelarmen Kraftstoff brauchen.
Bis zum praktischen Einsatz in industriellen Anlagen dürfte es dennoch noch etwas dauern. Aktuell existiert nach Aussage des Berliner Elektrolyseforschers Fiechter jedenfalls noch kein preisgünstiges Katalysatorpaar, das auch im sauren Milieu stabil funktioniert. Denn anders als in den derzeit existierenden basischen Systemen läuft die Wasserstofferzeugung im sauren Milieu schneller und energiesparender ab.
Auch bei der Infrastruktur gibt es noch Forschungsbedarf. Ist es günstiger, kleine kompakte Elektrolyseure direkt an großen Windkraft- oder Solaranlagen zu betreiben? Oder sollte man den Überschussstrom zu großen Elektrolyse-Anlagen leiten, wo der Wasserstoff beispielsweise in vorhandenen unterirdischen Erdgasspeichern gelagert werden kann? Denn laut Fiechter ist die Speicherung des Wasserstoffs noch nicht optimal gelöst. In jedem Falle komme zu den Kosten der Elektrolyse noch der Aufwand für zusätzliche Strom- und Wasserstoffleitungen, für Speicher und die neuerliche Umwandlung in Strom bzw. die Produktion von Treibstoff hinzu. Angesichts des enormen Forschungsaufwands weltweit dürfte die Wahrscheinlichkeit eines technologischen Durchbruchs steigen.