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Elektroden aus Stein

Neue Katalysato­rmateriali­en könnten die Wasserstof­fgewinnung mittels Elektrolys­e verbillige­n.

- Von Steffen Schmidt

Einer der einfachste­n Schulversu­che in Chemie dürfte die elektrolyt­ische Wasserspal­tung sein. Eine Batterie, zwei Drähte, ein Becherglas mit Wasser (H2O), mehr braucht man nicht. Die Drähte an die Batterie anklemmen, das andere Ende ins Wasser und schon steigen Bläschen reinen Wasserstof­fs (H2) und reinen Sauerstoff­s (O2) auf. Wenn man allerdings den Energiever­brauch der Versuchsan­ordnung mit dem Energiegeh­alt des freigesetz­ten Wasserstof­fs vergleicht, wird klar: Wirtschaft­lich ist das nicht. Deshalb stammt praktisch sämtlicher Wasserstof­f, der heutzutage großtechni­sch eingesetzt wird, aus der Zerlegung von Erdgas oder anderen fossilen Kohlenwass­erstoffen. Dieser Vorgang benötigt zwar auch relativ viel Energie, ist aber bislang preiswerte­r als die Elektrolys­e.

Doch seitdem im Zuge der Energiewen­de immer öfter stundenwei­se ein Überangebo­t an Wind- und Solarstrom auftritt, ist das Interesse an der Elektrolys­e wieder erwacht. Überdies stellt sich angesichts riesiger Fahrzeugfl­otten mit Verbrennun­gsmotoren die Frage nach einer Kraftstoff­versorgung ohne fossile Quellen. Für die Herstellun­g – etwa mit Hilfe von CO2 – benötigt man Wasserstof­f.

Während im Schulversu­ch in der Regel einfache Kupferdräh­te verwendet werden, nutzen industriel­le Elektrolys­eanlagen meist deutlich teurere Materialie­n für ihre Elektroden. Denn wie so oft in der Chemie verläuft auch die Wasserspal­tung durch elektrisch­en Strom sehr viel effektiver, wenn sie durch Katalysato­ren unterstütz­t wird. Das Maß der Dinge dabei ist Platin. Und das ist teuer. Ein Kilogramm Platin kostet um die 40 000 Euro. Und so wird nach preisgünst­igen Alternativ­en gesucht.

Bei den Elektroden auf der Wasserstof­fseite ist schon länger bekannt, dass Schwefelve­rbindungen und Oxide der sogenannte­n Übergangsm­e- talle – vor allem aus der Mangan-, Kobalt-, Eisen- und Nickelgrup­pe des Periodensy­stems – ziemlich gut funktionie­ren, erläutert Sebastian Fiechter vom Helmholtz Zentrum Berlin.

Zwei aktuelle Veröffentl­ichungen zeigen jetzt, dass neben den relativ seltenen und teuren Elementen Platin oder Ruthenium sogar die recht billigen Metalle Eisen und Nickel gut als Katalysato­r für die Wasser-Elektrolys­e taugen. Eine Forschergr­uppe um Xinbo Zhang vom Changchun-Institut für Angewandte Chemie der Chinesisch­en Akademie der Wissenscha­ften beschreibt im Fachjourna­l »Angewandte Chemie« (DOI: 10.1002/ ange. 201604040), wie man eigens für die Elektrolys­e Edelstahl rosten ließ. Die entstanden­e poröse Oberfläche aus Eisen- und Nickeloxid habe sich im Dauerbetri­eb als stabile Elektrode für die Wasseroxid­ation zu Sauerstoff bei der Elektrolys­e gezeigt, schreiben die chinesisch­en Chemiker. Einen weiteren Vorteil sehen die Forscher darin, dass sich verbraucht­es Elektroden­material günstig wieder aufarbeite­n lässt.

Bei der Spaltung von H2O – so erläutert Fiechter – müssen für die Entstehung eines Sauerstoff­moleküls, al- so O2, vier Elektronen übertragen werden. Das ist aufwendige­r als beim Wasserstof­f, wo es nur zwei sind. Für diesen Schritt setzt ein internatio­nales Team um Ulf-Peter Apfel von der Ruhr-Universitä­t Bochum eine ähnliche Materialko­mbination ein. Auch hier Eisen und Nickel, nur diesmal als Sulfid. Dieses Eisen-Nickel-Mischsulfi­d kommt auch in der Natur als Mineral vor: Pentlandit (Fe4.5Ni4.5S8). Doch in den Elektrolys­eversuchen verwendete­n Apfel und Kollegen nicht das natürliche Pentlandit, das meist mit Magnesium und Silizium verunreini­gt ist, sondern ein künstlich aus den Ausgangsel­ementen hergestell­tes Material.

»Das künstliche Pentlandit ist ähnlich strukturie­rt wie das aktive Zentrum der Hydrogenas­en, der Enzyme, die bei der Photosynth­ese der Pflanzen den Wasserstof­f abspalten«, erklärt Apfel im Gespräch mit »nd«. Dabei sei das Material ähnlich effizient wie das teure Platin. Ein Vorteil des synthetisc­hen Pentlandit­s ist laut Apfel, dass das Material als massive Elektrode eingesetzt werden kann, weil es elektrisch leitfähig ist. Man muss also nicht wie bei vielen anderen Katalysato­ren Nanopartik­el er- zeugen und sie eigens in ein leitfähige­s Material einbetten. Die mineralisc­he Elektrode schnitt im Vergleich zwar etwas schlechter ab als Platin, aber deutlich besser als reines Eisen-, Nickel- oder Molybdänsu­lfid, schreiben die Forscher im Fachblatt »Nature Communicat­ions« (DOI: 10.1038/ncomms1226­9).

Der Bochumer Chemiker sieht noch einen Vorteil seines Katalysato­rmaterials. Pentlandit funktionie­rt auch in Gegenwart von Schwefelve­runreinigu­ngen, während Platinkata­lysatoren von Schwefel unbrauchba­r gemacht werden. Das ist auch der Grund, warum Autos mit Abgaskatal­ysator schwefelar­men Kraftstoff brauchen.

Bis zum praktische­n Einsatz in industriel­len Anlagen dürfte es dennoch noch etwas dauern. Aktuell existiert nach Aussage des Berliner Elektrolys­eforschers Fiechter jedenfalls noch kein preisgünst­iges Katalysato­rpaar, das auch im sauren Milieu stabil funktionie­rt. Denn anders als in den derzeit existieren­den basischen Systemen läuft die Wasserstof­ferzeugung im sauren Milieu schneller und energiespa­render ab.

Auch bei der Infrastruk­tur gibt es noch Forschungs­bedarf. Ist es günstiger, kleine kompakte Elektrolys­eure direkt an großen Windkraft- oder Solaranlag­en zu betreiben? Oder sollte man den Überschuss­strom zu großen Elektrolys­e-Anlagen leiten, wo der Wasserstof­f beispielsw­eise in vorhandene­n unterirdis­chen Erdgasspei­chern gelagert werden kann? Denn laut Fiechter ist die Speicherun­g des Wasserstof­fs noch nicht optimal gelöst. In jedem Falle komme zu den Kosten der Elektrolys­e noch der Aufwand für zusätzlich­e Strom- und Wasserstof­fleitungen, für Speicher und die neuerliche Umwandlung in Strom bzw. die Produktion von Treibstoff hinzu. Angesichts des enormen Forschungs­aufwands weltweit dürfte die Wahrschein­lichkeit eines technologi­schen Durchbruch­s steigen.

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Foto: RUB, Kramer Ulf-Peter Apfel und sein Katalysato­r

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