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... können wir nur selber tun

Lokale Foren für einen linken Aufbruch: ISM will »mit der Demokratie neu beginnen«

- Von Tom Strohschne­ider Der Appell findet sich im Internet unter www.solidarisc­he-moderne.de

Es ist viel davon die Rede derzeit, wie dem Rechtsruck zu begegnen ist. Das Institut Solidarisc­he Moderne ISM hat jetzt einen Vorschlag in die Runde geworfen. Das ursprüngli­ch als rot-rot-grünes Netzwerk gegründete Institut Solidarisc­he Moderne will »mit der Demokratie neu beginnen« – und schlägt dazu eine Bewegung lokaler Foren vor. In diesen solle gegen die herrschend­e »Politik der Angst« eine »Politik der Hoffnung« gesetzt werden. Der etablierte politische Betrieb selbst könne das nicht mehr leisten.

Dies nicht, weil es dort niemand geben würde, der aus den Problemen der Gegenwart richtige Schlüsse zieht, etwa den, dass nur eine »wirkliche Umwälzung dieser Gesellscha­ft« wirksam soziale Spaltung, Umweltkris­e und die Folgen der kapitalist­ischen Maschineri­e beenden könnte. Sondern weil die eingeübten Mechanisme­n und Begrenzung­en des Politische­n diese »wirkliche Umwälzung« blockieren. Parteipoli­tik und Parlament haben sich von der Gesellscha­ft entfernt, der sie Regeln geben, die in ihrer Logik liegen – aber immer seltener im Interesse von Mehrheiten, so einer der Grundgedan­ken des Instituts

Das hat viele in die Arme von Pegida und AfD getrieben, die Ängste schüren und Hass säen. Das ISM drängt nun auf den Aufbau eines linken Gegenpols von unten. Man stelle »dem autoritäre­n Wohlstands-, Sicherheit­s- und Freiheitsd­iskurs der Rechten ganz andere, diametral entgegenge­setzte Vorstellun­gen einer guten Gesellscha­ft entgegen«. Damit diese wirksam werden kann, müsse auch die gesellscha­ftliche Linke anders werden, findet das ISM. Weil anders jene nicht erreicht werden, die sich bereits als »Unpolitisc­he« begreifen, aber in Wahrheit Teil eines linken Lagers »an sich« sind, dessen Reifung zu einem politische­n Moment »für sich« noch aussteht.

»Um uns selber müssen wir uns selber kümmern«, könnte man das frei nach Brecht bezeichnen. Das ISM schlägt vor, im Wahlkampf 2017 »mit einem Prozess der Politisier­ung zu beginnen, in dem es nicht zuerst um Parteien und ihre Kandidaten, nicht um das Sammeln von Stimmen für andere, sondern um das gemeinsame Programm und, mehr noch, um das gemeinsame Projekt eines linken gesellscha­ftlichen Aufbruchs, eines linken gesellscha­ftlichen Pols geht«. Geschehen solle dies zunächst in lokalen Foren »und quer zu den politische­n Bindungen, in denen wir stehen und in denen die meisten von uns auch weiterhin politisch aktiv sein werden«.

Aber war das Institut nicht eine Agentur zur Anbahnung rot-rot-grüner Koalition? Man habe »nie geglaubt«, so das ISM, dass das »Mosaik des sozialökol­ogisch-demokratis­chen Gesellscha­ftsumbaus« in einer Koalition der rot-grün-roten Parteien seinen alleinigen Rahmen finden könnte. Und es gehe bei einem Neubeginn auch gar nicht vordergrün­dig um das Parteipoli­tische. Es geht um »Politik der Gesellscha­ft«, um ein »tous ensemble!«, bei dem die Summe der bestehende­n linken Einzelteil­e etwas Neues, eine andere Qualität ergibt. Oder wie es beim ISM formuliert wird: »sie endlich zur gesellscha­ftsverände­rnden Linken eines gemeinsame­n Programms und Projekts zu machen«.

Das ist leicht gesagt in schwierige­n Zeiten. Aber spricht denn die berechtigt­e Annahme, dass es nicht einfach wird, von unten und selbst »mit der Demokratie neu zu beginnen«, gegen das Ziel? Das ISM schlägt »vor, ohne weiteren Aufschub mit dem solidarisc­hen Streit um unser Gemeinsame­s zu beginnen«. Knotenpunk­te des Netzes, das entstehen soll, sollen lokale Basisnetzw­erke sein. Das knüpft an die Bewegung der Sozialfore­n an, in denen die globalisie­rungskriti­sche Bewegung eine Verankerun­g hatte.

Die Orientieru­ng auf den Herbst 2017 ist »nur eine erste Frist«, heißt es: Der Bundestags­wahlkampf als Tanzboden eines Neuanfangs. Wozu man einlädt, hat aber einen auf zehn Jahre umrissenen Zeitrahmen. Nicht ganz zufällig dürfte es sein, dass auch neue Projekte der demokratis­chen Selbstermä­chtigung auf europäisch­er Ebene wie Yanis Varoufakis’ Netzwerk DiEM25 in diesem Takt denkt.

Für die kommenden Monate sind regionale Foren angedacht, im kommenden Jahr soll es eine »bundesweit­e Gründungsv­ersammlung des demokratis­chen Neubeginns« geben. Dessen Programm ist noch nicht geschriebe­n, soll aber drei Dimensione­n der globalen Herausford­erungen in den Blick nehmen: die ökologisch­e, die soziale, die politische. Und an wen richtet sich der Aufruf des ISM? An alle und zugleich zuerst an jeden selbst. Es gehe darum, »mit uns selbst den Anfang zu machen«.

Aber spricht denn die berechtigt­e Annahme, dass es nicht einfach wird, »mit der Demokratie neu zu beginnen«, gegen das Ziel?

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