... können wir nur selber tun
Lokale Foren für einen linken Aufbruch: ISM will »mit der Demokratie neu beginnen«
Es ist viel davon die Rede derzeit, wie dem Rechtsruck zu begegnen ist. Das Institut Solidarische Moderne ISM hat jetzt einen Vorschlag in die Runde geworfen. Das ursprünglich als rot-rot-grünes Netzwerk gegründete Institut Solidarische Moderne will »mit der Demokratie neu beginnen« – und schlägt dazu eine Bewegung lokaler Foren vor. In diesen solle gegen die herrschende »Politik der Angst« eine »Politik der Hoffnung« gesetzt werden. Der etablierte politische Betrieb selbst könne das nicht mehr leisten.
Dies nicht, weil es dort niemand geben würde, der aus den Problemen der Gegenwart richtige Schlüsse zieht, etwa den, dass nur eine »wirkliche Umwälzung dieser Gesellschaft« wirksam soziale Spaltung, Umweltkrise und die Folgen der kapitalistischen Maschinerie beenden könnte. Sondern weil die eingeübten Mechanismen und Begrenzungen des Politischen diese »wirkliche Umwälzung« blockieren. Parteipolitik und Parlament haben sich von der Gesellschaft entfernt, der sie Regeln geben, die in ihrer Logik liegen – aber immer seltener im Interesse von Mehrheiten, so einer der Grundgedanken des Instituts
Das hat viele in die Arme von Pegida und AfD getrieben, die Ängste schüren und Hass säen. Das ISM drängt nun auf den Aufbau eines linken Gegenpols von unten. Man stelle »dem autoritären Wohlstands-, Sicherheits- und Freiheitsdiskurs der Rechten ganz andere, diametral entgegengesetzte Vorstellungen einer guten Gesellschaft entgegen«. Damit diese wirksam werden kann, müsse auch die gesellschaftliche Linke anders werden, findet das ISM. Weil anders jene nicht erreicht werden, die sich bereits als »Unpolitische« begreifen, aber in Wahrheit Teil eines linken Lagers »an sich« sind, dessen Reifung zu einem politischen Moment »für sich« noch aussteht.
»Um uns selber müssen wir uns selber kümmern«, könnte man das frei nach Brecht bezeichnen. Das ISM schlägt vor, im Wahlkampf 2017 »mit einem Prozess der Politisierung zu beginnen, in dem es nicht zuerst um Parteien und ihre Kandidaten, nicht um das Sammeln von Stimmen für andere, sondern um das gemeinsame Programm und, mehr noch, um das gemeinsame Projekt eines linken gesellschaftlichen Aufbruchs, eines linken gesellschaftlichen Pols geht«. Geschehen solle dies zunächst in lokalen Foren »und quer zu den politischen Bindungen, in denen wir stehen und in denen die meisten von uns auch weiterhin politisch aktiv sein werden«.
Aber war das Institut nicht eine Agentur zur Anbahnung rot-rot-grüner Koalition? Man habe »nie geglaubt«, so das ISM, dass das »Mosaik des sozialökologisch-demokratischen Gesellschaftsumbaus« in einer Koalition der rot-grün-roten Parteien seinen alleinigen Rahmen finden könnte. Und es gehe bei einem Neubeginn auch gar nicht vordergründig um das Parteipolitische. Es geht um »Politik der Gesellschaft«, um ein »tous ensemble!«, bei dem die Summe der bestehenden linken Einzelteile etwas Neues, eine andere Qualität ergibt. Oder wie es beim ISM formuliert wird: »sie endlich zur gesellschaftsverändernden Linken eines gemeinsamen Programms und Projekts zu machen«.
Das ist leicht gesagt in schwierigen Zeiten. Aber spricht denn die berechtigte Annahme, dass es nicht einfach wird, von unten und selbst »mit der Demokratie neu zu beginnen«, gegen das Ziel? Das ISM schlägt »vor, ohne weiteren Aufschub mit dem solidarischen Streit um unser Gemeinsames zu beginnen«. Knotenpunkte des Netzes, das entstehen soll, sollen lokale Basisnetzwerke sein. Das knüpft an die Bewegung der Sozialforen an, in denen die globalisierungskritische Bewegung eine Verankerung hatte.
Die Orientierung auf den Herbst 2017 ist »nur eine erste Frist«, heißt es: Der Bundestagswahlkampf als Tanzboden eines Neuanfangs. Wozu man einlädt, hat aber einen auf zehn Jahre umrissenen Zeitrahmen. Nicht ganz zufällig dürfte es sein, dass auch neue Projekte der demokratischen Selbstermächtigung auf europäischer Ebene wie Yanis Varoufakis’ Netzwerk DiEM25 in diesem Takt denkt.
Für die kommenden Monate sind regionale Foren angedacht, im kommenden Jahr soll es eine »bundesweite Gründungsversammlung des demokratischen Neubeginns« geben. Dessen Programm ist noch nicht geschrieben, soll aber drei Dimensionen der globalen Herausforderungen in den Blick nehmen: die ökologische, die soziale, die politische. Und an wen richtet sich der Aufruf des ISM? An alle und zugleich zuerst an jeden selbst. Es gehe darum, »mit uns selbst den Anfang zu machen«.
Aber spricht denn die berechtigte Annahme, dass es nicht einfach wird, »mit der Demokratie neu zu beginnen«, gegen das Ziel?