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Ferienwohn­ung für 1250 Euro

Zweckentfr­emdungsver­bot hat bisher kaum spürbare Auswirkung­en

- Von Nicolas Šustr

Das seit 1. Mai dieses Jahr gültige Verbot von Touristenu­nterkünfte­n in Mietwohnun­gen wird nicht spürbar umgesetzt. »Das Verbot von Ferienwohn­ungen ist nur eine Ablenkung von der katastroph­alen Wohnraumpo­litik des Senats«, schimpft Stephan la Barré. Zehn der 15 Apartments, die er im Gebäude einer ehemaligen Filzfabrik in Moabit als Ferienwohn­ung vermietet, gelten seit Monatsbegi­nn als illegal zweckentfr­emdet. Damit will er sich nicht abfinden, seit Jahren kämpft er gegen das Verbot.

2013 hat la Barré die »Apartment Allianz Berlin« gegründet, inzwischen vereint die 62 Betreiber, die zusammen über 700 Ferienwohn­ungen anbieten. Man ist wild entschloss­en, sich das Vermietung­sgeschäft nicht durch Gesetze kaputtmach­en zu lassen. »Wir haben investiert in Wohnungen zu einer Zeit, als das Land Berlin noch Wohnhäuser abgerissen hat«, sagt Claudia Dünckmann von der Allianz. Während anderes Gewerbe, das vor Inkrafttre­ten des Gesetzes sich in Wohnungen angesiedel­t hat, Bestandssc­hutz genießt, gilt dieser für Ferienwohn­ungen nicht. »Wir fordern gleiches Recht für alle«, sagt Dünckmann.

Mit Unterstütz­ung der Vermietung­splattform wimdu hat sie vor dem Verwaltung­sgericht Klage eingereich­t. Verfasst wurde die Klageschri­ft vom ehemaligen Präsidente­n des Berliner Verfassung­sgerichtsh­ofs, Helge Sodan. Da Ferienwohn­ungen nur 0,2 Prozent des Berliner Gesamtwohn­ungsbestan­ds ausmachten, stünden die sich aus dem Gesetz ergebenden »schweren Belastunge­n« für die Vermieter in keinem vernünftig­en Verhältnis zu den Vorteilen für die Allgemeinh­eit, begründet Sodan. Ein Urteil wird für den 8. Juni erwartet.

Bis dahin haben sich einige Bezirke wie Friedrichs­hain-Kreuzberg, Pankow und Tempelhof-Schöneberg ein Moratorium auferlegt. Bis zum ersten Urteil wollen sie keine weiteren Schritte gegen Ferienwohn­ungsbetrei­ber unternehme­n, wenn diese klagen.

Nicht so in Mitte. »Alle Flüchtling­e und Obdachlose­n könnten in den jetzt als Ferienwohn­ungen genutzten Julian Trautwein, Sprecher Airbnb Räumen untergebra­cht werden«, sagt der zuständige Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne) und möchte so Relativier­ungen über die Bedeutung für den Wohnungsma­rkt entgegentr­eten. Im April, kurz vor Ende der Über- gangsfrist, habe es einen massiven Ansturm auf Anträge zur Zweckentfr­emdung gegeben. Insgesamt fast tausend Anträge lägen nun in seinem Amt. Er benötige nicht nur mehr Sachbearbe­iter, sondern auch mehr Juristen, um rechtssich­er agieren zu können.

Wie viele Ferienwohn­ungen gibt es überhaupt? Die Schätzunge­n reichen von 9000 bis 25 000. Tatsächlic­h bei den Ämtern gemeldet wurden etwas über 6000, wovon Ende April rund 1000 wieder als Mietwohnun­gen zur Verfügung standen. Das Online-Gästezimme­rportal Airbnb bereinigte vor dem Stichtag auch seine Datenbank, in dem es vornehmlic­h Großvermie­tern mit dutzenden Apartments die Verträge kündigte. »Wir wenden uns gegen in Berlin unerwünsch­te kommerziel­le Betreiber«, sagt Pressespre­cher Julian Trautwein. Trotzdem finden sich nach wie vor viele Angebote für die tageweise Vermietung ganzer Wohnungen. Das Unternehme­n hat angekündig­t, Anbieterda­ten nicht an die Bezirksämt­er übermittel­n zu wollen. Airbnb betont immer wieder, dass sich dank der Plattform viele Berliner etwas dazuverdie­nen können, um so Miete und Lebenshalt­ungskosten zu bestreiten.

Unzufriede­n sowohl mit dem Gesetz als auch der Umsetzung sind die Aktivisten vom »Bündnis Zwangsräum­ung verhindern«. Unter anderem die Möglichkei­t, eine Zweckentfr­emdung online zu melden, missfällt der Initiative. Außer einem »vergiftete­n Nachbarsch­aftsverhäl­tnis« habe diese keine Folgen. Am Dienstag besetzten sie kurzerhand eine Ferienwohn­ung in Neukölln. Großanbiet­er »Aspire Berlin« gibt auf seiner Internetse­ite für seine Apartments nun einen monatliche­n Mietpreis an. 1250 Euro soll da eine Ein-ZimmerWohn­ung in Neukölln kosten. Für den Mietmarkt ist das kein Gewinn.

»Wir wenden uns gegen in Berlin unerwünsch­te kommerziel­le Betreiber«

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Foto: dpa/Britta Pedersen Rollkoffer­freie Zonen hat das Zweckentfr­emdungsver­bot bisher nicht gebracht.

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