Die AfD ist es nicht
Nun ist die Petry-Truppe also auch im Nordosten an der Linkspartei vorbeigezogen – die AfD erhält laut Umfrage für Mecklenburg-Vorpommern so viel Zustimmung wie die Sozialisten bei den Wahlen vor fünf Jahren. In neun Bundesländern stehen die Rechtsaußen besser da als die Linkspartei. Ihr Aufstieg zeigte sich vor allem bei den Märzwahlen. Seither wird auch in der Linkspartei darüber debattiert, was dem Rechtsruck entgegenzusetzen ist.
Das ist dringend nötig. Es ist aber genauso nötig, dabei nicht von Anfang an in Sackgassen hineinzusteuern. Weder strategisch noch wahltaktisch noch politisch noch medial ist es sinnvoll, sich an der Frage abzuarbeiten, ob und wie man ein paar AfD-Wähler für die Linkspartei »zurückgewinnen« kann. Genau das aber ist das Raster, in dem sich ein Teil der linken Diskussion über »die Lehren aus den Wahlen« derzeit bewegt.
Einen zugespitzten Ausdruck findet das in jener Art politischen Ausdruckstanzes, der meist dann zur Aufführung kommt, wenn strategische Angelegenheiten als innerparteiliche Machtspiele betrachtet werden. Oder als Ersatzveranstaltungen für Programmdebatten. Klar: Es ist überhaupt keine Petitesse, wie sorgfältig sich Linke von rechter Rhetorik abgrenzen und wo jene rote Linie beachtet wird, hinter der das trübe Wasser wahltaktischen Opportunismus’ vor sich hin müffelt. Es ist aber auch nicht sinnvoll, eine Strategiedebatte auf die Frage »Wie reagieren wir auf die AfD?« zusammenschrumpfen zu lassen. ist Chefredakteur von »neues deutschland«.
Erstens: Die gern ins Feld geführte Behauptung, die Linkspartei hätte bloß die soziale Frage stärker betonen und populärer beantworten müssen, dann wäre auch die Niederlage nicht so deutlich ausgefallen, ist irreführend. Man kann weder behaupten, die Partei hätte das Thema in den Wahlkämpfen ausgespart. Noch trägt der dahinter stehende Gedanke: dass Menschen, die AfD angekreuzt haben, sich anders ent- schieden hätten, wenn die Linkspartei noch lauter nach einer Millionärssteuer gerufen hätte.
Zweitens: Gern wird gefordert, man dürfe die AfD-Wähler nicht unterschiedslos als rassistisch bezeichnen. Das ist so richtig wie die Aussage, man könne doch nicht alle Linkspartei-Wähler sozialistisch nennen. Worauf aber zielt, wer sagt, man müsse »die Ängste ernst nehmen«? Gemeint ist: Diese Leute haben echte Sorgen, sind aber leider, leider in die Arme von bösen Rattenfängern gelangt, von wo aus sie zur schnellen Umkehr bewegt werden könnten, wenn nur auch die Linkspartei wieder mehr Kante gegen »die da oben« zeigen würde.
Doch zwischen sozialer Lage des Einzelnen und seinem Wahlverhalten liegen mehr als nur zehn Zentimeter oder drei Wochen. Wie und über welche Zeiträume sich das »Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse« in Köpfen als Sediment aus Alltagsbetroffenheit, politischen Rahmensetzungen und sich verändernden Einstellungen ablagert, haben Jörg Schindler und Tobias Schulze am Beispiel von Sachsen-Anhalt nachgezeichnet. Sehr verkürzt könnte man sagen: Der AfD-Wähler ist nicht in der »Flüchtlingskrise« entstanden – es gab ihn lange vorher. Und er hat sich auch nicht bloß »verwählt«, sondern bewusst für eine offen rechtsradikale Partei entschieden. Glaubt jemand wirklich, solche Leute ließen sich kurzfristig »zurückzugewinnen«, ohne dass das Spuren in der eigenen Politik hinterlässt?
Womit wir bei drittens wären: Eine nähere Betrachtung der Wahlergebnisse vom März zeigt, dass die Linkspartei auch ohne Abwanderung einstiger Anhänger Richtung AfD knietief in der Pleitezone gestanden hätte. Es geht um gut 60 000 Stimmen – aber selbst ohne diesen Verlust hätte es im Südwesten nicht zu zwei Achtungserfolgen und in Magdeburg nicht für Platz zwei gereicht.
Warum gewinnt die Linkspartei nicht in einer mehrheitlich auf ihre Partei stinkwütenden SPD-Anhängerschaft dazu? Warum reüssiert sie nicht bei den Nichtwählern? Warum gelingt es ihr nicht, jenes bis in bürgerlich-konservative Kreise reichende »Lager der Solidarität« wahlpolitisch stärker für sich zu interessieren, das sich landauf, landab um Geflüchtete kümmert sowie gegen Neonazis und die AfD auf die Straße geht?
Die (Mobilisierungs-)Schwäche der Linkspartei ist älter als das Phänomen AfD – wenn sie nach Antworten darauf suchen will, müsste sie zunächst die richtigen Fragen stellen.
Ein Parteitag des Streits, um Herrn Trump aufzuhalten, erscheint nunmehr als ein größeres Risiko für die republikanische Partei als eine Trump-Kandidatur. Der Nebel über dem Nominierungskampf lichtet sich. Die wirkliche Schlacht kann bald beginnen.
Amerikanische Beschränkung
Barack Obama wollte sich in Syrien nicht die Finger verbrennen, in der Ukraine ließ er Bundeskanzlerin Angela Merkel die Kastanien aus dem Feuer holen und im Falle Libyens nahm er Platz auf der Hinterbank. Trump liefert die derbere Variante dieser amerikanischen Politik der Beschränkung – und er dürfte dafür beim Wähler mehr Gehör finden, als den Experten in Washington lieb ist. Europäische Bündnispartner mögen sich darüber empören und damit rechnen, dass Clinton, traditionell ein außenpolitischer Falke, US-Präsidentin wird. Doch selbst ihr Engagement dürfte gedämpft werden durch den Gemütszustand, in dem sich das Land befindet, und die sich verschiebenden Prioritäten der USA.
Pakt gegen Trump zu spät
Die beiden verbliebenen Rivalen von Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich, haben endlich einen Pakt gegen ihn geschlossen. Ob sie ihn damit wirklich stoppen können, ist fraglich. Es könnte sogar unwahrscheinlicher geworden sein, weil es so aussehen könnte, als manipuliere das Establishment die Vorwahlen im Hinterzimmer. Die eigentliche Frage dabei ist aber, warum es so lange gedauert hat. Dass Trump die Vorwahlen dominieren könnte, zeichnete sich bereits ab, bevor sie begonnen hatten. Trumps Erfolg basiert auf rechtspopulistischer Politik, die in der Partei Abraham Lincolns eigentlich keinen Platz haben sollte. Aber die Fähigkeiten, eine solche Entwicklung zu stoppen, hat diese Partei schon lange aus der Hand gegeben.