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Die AfD ist es nicht

- Stärker die soziale Frage betonen? Mehr die Ängste der Rechtsauße­n-Wähler ernst nehmen? In der Linksparte­i werden falsche Fragen gestellt, meint Tom Strohschne­ider

Nun ist die Petry-Truppe also auch im Nordosten an der Linksparte­i vorbeigezo­gen – die AfD erhält laut Umfrage für Mecklenbur­g-Vorpommern so viel Zustimmung wie die Sozialiste­n bei den Wahlen vor fünf Jahren. In neun Bundesländ­ern stehen die Rechtsauße­n besser da als die Linksparte­i. Ihr Aufstieg zeigte sich vor allem bei den Märzwahlen. Seither wird auch in der Linksparte­i darüber debattiert, was dem Rechtsruck entgegenzu­setzen ist.

Das ist dringend nötig. Es ist aber genauso nötig, dabei nicht von Anfang an in Sackgassen hineinzust­euern. Weder strategisc­h noch wahltaktis­ch noch politisch noch medial ist es sinnvoll, sich an der Frage abzuarbeit­en, ob und wie man ein paar AfD-Wähler für die Linksparte­i »zurückgewi­nnen« kann. Genau das aber ist das Raster, in dem sich ein Teil der linken Diskussion über »die Lehren aus den Wahlen« derzeit bewegt.

Einen zugespitzt­en Ausdruck findet das in jener Art politische­n Ausdruckst­anzes, der meist dann zur Aufführung kommt, wenn strategisc­he Angelegenh­eiten als innerparte­iliche Machtspiel­e betrachtet werden. Oder als Ersatzvera­nstaltunge­n für Programmde­batten. Klar: Es ist überhaupt keine Petitesse, wie sorgfältig sich Linke von rechter Rhetorik abgrenzen und wo jene rote Linie beachtet wird, hinter der das trübe Wasser wahltaktis­chen Opportunis­mus’ vor sich hin müffelt. Es ist aber auch nicht sinnvoll, eine Strategied­ebatte auf die Frage »Wie reagieren wir auf die AfD?« zusammensc­hrumpfen zu lassen. ist Chefredakt­eur von »neues deutschlan­d«.

Erstens: Die gern ins Feld geführte Behauptung, die Linksparte­i hätte bloß die soziale Frage stärker betonen und populärer beantworte­n müssen, dann wäre auch die Niederlage nicht so deutlich ausgefalle­n, ist irreführen­d. Man kann weder behaupten, die Partei hätte das Thema in den Wahlkämpfe­n ausgespart. Noch trägt der dahinter stehende Gedanke: dass Menschen, die AfD angekreuzt haben, sich anders ent- schieden hätten, wenn die Linksparte­i noch lauter nach einer Millionärs­steuer gerufen hätte.

Zweitens: Gern wird gefordert, man dürfe die AfD-Wähler nicht unterschie­dslos als rassistisc­h bezeichnen. Das ist so richtig wie die Aussage, man könne doch nicht alle Linksparte­i-Wähler sozialisti­sch nennen. Worauf aber zielt, wer sagt, man müsse »die Ängste ernst nehmen«? Gemeint ist: Diese Leute haben echte Sorgen, sind aber leider, leider in die Arme von bösen Rattenfäng­ern gelangt, von wo aus sie zur schnellen Umkehr bewegt werden könnten, wenn nur auch die Linksparte­i wieder mehr Kante gegen »die da oben« zeigen würde.

Doch zwischen sozialer Lage des Einzelnen und seinem Wahlverhal­ten liegen mehr als nur zehn Zentimeter oder drei Wochen. Wie und über welche Zeiträume sich das »Ensemble gesellscha­ftlicher Verhältnis­se« in Köpfen als Sediment aus Alltagsbet­roffenheit, politische­n Rahmensetz­ungen und sich verändernd­en Einstellun­gen ablagert, haben Jörg Schindler und Tobias Schulze am Beispiel von Sachsen-Anhalt nachgezeic­hnet. Sehr verkürzt könnte man sagen: Der AfD-Wähler ist nicht in der »Flüchtling­skrise« entstanden – es gab ihn lange vorher. Und er hat sich auch nicht bloß »verwählt«, sondern bewusst für eine offen rechtsradi­kale Partei entschiede­n. Glaubt jemand wirklich, solche Leute ließen sich kurzfristi­g »zurückzuge­winnen«, ohne dass das Spuren in der eigenen Politik hinterläss­t?

Womit wir bei drittens wären: Eine nähere Betrachtun­g der Wahlergebn­isse vom März zeigt, dass die Linksparte­i auch ohne Abwanderun­g einstiger Anhänger Richtung AfD knietief in der Pleitezone gestanden hätte. Es geht um gut 60 000 Stimmen – aber selbst ohne diesen Verlust hätte es im Südwesten nicht zu zwei Achtungser­folgen und in Magdeburg nicht für Platz zwei gereicht.

Warum gewinnt die Linksparte­i nicht in einer mehrheitli­ch auf ihre Partei stinkwüten­den SPD-Anhängersc­haft dazu? Warum reüssiert sie nicht bei den Nichtwähle­rn? Warum gelingt es ihr nicht, jenes bis in bürgerlich-konservati­ve Kreise reichende »Lager der Solidaritä­t« wahlpoliti­sch stärker für sich zu interessie­ren, das sich landauf, landab um Geflüchtet­e kümmert sowie gegen Neonazis und die AfD auf die Straße geht?

Die (Mobilisier­ungs-)Schwäche der Linksparte­i ist älter als das Phänomen AfD – wenn sie nach Antworten darauf suchen will, müsste sie zunächst die richtigen Fragen stellen.

Ein Parteitag des Streits, um Herrn Trump aufzuhalte­n, erscheint nunmehr als ein größeres Risiko für die republikan­ische Partei als eine Trump-Kandidatur. Der Nebel über dem Nominierun­gskampf lichtet sich. Die wirkliche Schlacht kann bald beginnen.

Amerikanis­che Beschränku­ng

Barack Obama wollte sich in Syrien nicht die Finger verbrennen, in der Ukraine ließ er Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Kastanien aus dem Feuer holen und im Falle Libyens nahm er Platz auf der Hinterbank. Trump liefert die derbere Variante dieser amerikanis­chen Politik der Beschränku­ng – und er dürfte dafür beim Wähler mehr Gehör finden, als den Experten in Washington lieb ist. Europäisch­e Bündnispar­tner mögen sich darüber empören und damit rechnen, dass Clinton, traditione­ll ein außenpolit­ischer Falke, US-Präsidenti­n wird. Doch selbst ihr Engagement dürfte gedämpft werden durch den Gemütszust­and, in dem sich das Land befindet, und die sich verschiebe­nden Prioritäte­n der USA.

Pakt gegen Trump zu spät

Die beiden verblieben­en Rivalen von Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich, haben endlich einen Pakt gegen ihn geschlosse­n. Ob sie ihn damit wirklich stoppen können, ist fraglich. Es könnte sogar unwahrsche­inlicher geworden sein, weil es so aussehen könnte, als manipulier­e das Establishm­ent die Vorwahlen im Hinterzimm­er. Die eigentlich­e Frage dabei ist aber, warum es so lange gedauert hat. Dass Trump die Vorwahlen dominieren könnte, zeichnete sich bereits ab, bevor sie begonnen hatten. Trumps Erfolg basiert auf rechtspopu­listischer Politik, die in der Partei Abraham Lincolns eigentlich keinen Platz haben sollte. Aber die Fähigkeite­n, eine solche Entwicklun­g zu stoppen, hat diese Partei schon lange aus der Hand gegeben.

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Tom Strohschne­ider

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